"Leichtigkeit ist 2013 wieder spürbar"

Moderation: Liane von Billerbeck · 31.12.2012
Ob römischer Kaiser, Renaissance-Papst oder auch US-Präsident Ronald Reagan: Viele Mächtige ließen und lassen sich astrologisch beraten. Nach Einschätzung der Kunsthistorikerin Annett Klingner aber ist die Astrologie keine Zukunftsvorhersage sondern eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Liane von Billerbeck: Ob römischer Kaiser, Renaissance-Papst, deutscher Diktator oder amerikanischer Präsident: Von der Antike bis zur Gegenwart vertrauten die Mächtigen auf den Rat von Sternendeutern. Und die sollten Antworten liefern auf Fragen wie "Komme ich an die Macht, werde ich über meine Feinde triumphieren, wann muss ich sterben und was denkt die Nachwelt über mich?" Warum die Herrscher in Vergangenheit und Gegenwart einer Zunft so viel Macht einräumten wie kaum einer anderen, darüber will ich jetzt mit Annett Klingner sprechen. Sie ist Kunsthistorikerin, Mediävistin und Astrologin und jetzt mein Gast, herzlich willkommen!

Annett Klingner: Guten Morgen!

von Billerbeck: Frau Klingner, Sie haben was ganz Solides studiert und arbeiten trotzdem oder deshalb als Astrologin. Wie passt das zusammen? Also, Wissenschaft und Kaffeesatzleserei, wie kamen Sie dazu, ist ja kein Ausbildungsberuf?

Klingner: Das ist richtig, ich habe früher bei einem Radiosender gearbeitet ...

von Billerbeck: Aha!

Klingner: ... und da wurden immer zum Jahresende Astrologen eingeladen, so ähnlich wie Sie heute mich. Und diese Wahrsager damals haben sich sehr geheimnisvoll gegeben, die haben so getan, als ob sie irgendwelche medialen Fähigkeiten hätten, haben in die Zukunft gesehen. Wenn die Sendung vorbei war, haben sie meinen faszinierten Kollegen für richtig horrendes Geld ganz unsinnige Prognosen gegeben und trotzdem waren alle total fasziniert von denen. Und ich fand das so irritierend, dass ich einen Artikel über diese betrügerische Astrologieszene schreiben wollte, habe auch viel Material gesammelt, und bei den Recherchen stellte sich heraus, dass die Tageshoroskope in den Zeitungen oder das auch, was diese unsäglichen Esoteriksender ausstrahlen, nicht die eigentliche Astrologie ist.

von Billerbeck: Sondern Sie haben jetzt die wahre Astrologie beim Wickel?

Klingner: Das würde ich nicht behaupten. Aber die ursprüngliche Astrologie ist unter einer so dicken Kruste von Aberglauben und Geschäftemacherei verbunden, dass man die eigentlich, kaum noch sich an die erinnert.

von Billerbeck: Wenn wir auf dieses Jahr zurückblicken, 2012, da drohten uns ja mehrere Katastrophen, und zwar aus der astrologischen Richtung, nämlich: Der Weltuntergang war für den 21.12. angekündigt. Er ist ja nicht eingetroffen. War das also alles Humbug?

Klingner: In der Tat, das war alles Humbug, war auch vorherzusehen und seit 2000 Jahren soll die Welt ja untergehen. Und wie ich gestern in verschiedenen Printmedien lesen konnte, soll also im nächsten Jahr schon wieder die Welt untergehen. Und falls dann nicht, dann 2014!

von Billerbeck: Sie haben sich nun mit der Macht der Astrologen und ihrer Rolle für die Mächtigen befasst, ein Buch darüber geschrieben, "Heimliche Regenten", und das beginnt furios mit der Rolle des Astrologen in der Zeit von Agrippina und Nero. Wie kamen Sie eigentlich darauf, sich mit diesem Thema zu befassen?

Klingner: Man stellt ja fest, wenn man sich selbst aktiv mit Astrologie befasst, dass das Umfeld sehr irritiert darauf reagiert. Wohlmeinende Freunde ignorieren das, es gibt aber auch andere, die einen meiden und sich dann komischerweise melden, wenn es ihnen schlecht geht. Und ich habe aber bei kunsthistorischen Recherchen festgestellt, dass zu allen Zeiten die Astrologie eine große Macht auf Herrscher ausübte, dass die Herrscher seit der Antike und bis ins späte 20. Jahrhundert Astrologen hatten und dass diese Herrscher dem Rat der Astrologen teilweise sehr blind gefolgt sind. Sodass verschiedene Entscheidungen oder Entwicklungen in der Weltgeschichte astrologisch begründet waren. Das wollte ich genauer wissen und deswegen habe ich mir 15 spektakuläre Fälle rausgesucht und habe die mal genau recherchiert.

von Billerbeck: Nehmen wir doch mal ein paar Beispiele aus Ihrem Buch: Im 16. Jahrhundert, da sorgte der Astrologe und Berater von Königin Elisabeth I. dazu, dass sie nie geheiratet hat und kinderlos blieb. Wie das?

Klingner: Ja, so ist es. Dieser Astrologe hat sie schon betreut, seit sie eine Teenagerin war, sie hatte sehr großes Vertrauen zu ihm. Und er hat ihr einfach eingeredet oder hat sie davon überzeugt, dass, wenn sie sich an jemand anderen binden würde, dass sie dann Macht verliert. Im Übrigen war dieser Astrologe, John Dee hieß der, der wahre 007! Er hat über 40 Jahre lang für seine Königin spioniert und hat auch seine Briefe mit 007 unterschrieben. Und als Ian Fleming Mitte des 20. Jahrhunderts seine "James Bond"-Filme konzipiert hat, hat er sich an den erinnert und hat ihn auch 007 genannt.

von Billerbeck: So weit im 16. Jahrhundert, aber das ging ja auch weiter bis ins 20. Sie erwähnen auch, dass Joseph Goebbels die Astrologie genutzt hat für die Kriegspropaganda.

Klingner: Ja.

von Billerbeck: Wie das?

Klingner: Joseph Goebbels glaubte nicht an Astrologie, er war aber der Meinung - und auch zu Recht -, dass man die Astrologie für die psychologische Kriegsführung benutzen kann. Er hat sich dieser Verse von Nostradamus bedient, die ja von jeder Generation für die eigenen Zwecke benutzt wurden, hat die umdichten lassen von Astrologen und hat damit psychologische Kriegsführung betrieben. Er hat zum Beispiel in Frankreich verbreiten lassen, dass, wenn die Franzosen nicht in den Süden fliehen würden, dass sie dann alle ums Leben kämen. Dann sind die Franzosen, die Bevölkerung, in den Süden geflohen und die Nazis hatten freien Marsch.

von Billerbeck: Sie erwähnen auch, dass ein amerikanischer Präsident, nämlich Ronald Reagan, sich auch sehr der Astrologie in die Hände gegeben hat.

Klingner: So ist es!

von Billerbeck: Nun fragt man sich ja ... Die Geschichte können Sie gleich erzählen, aber wir sind ja dieser Tage wieder in so einer Lage, wo die USA kurz vor der sogenannten Fiskalklippe sind und die Demokraten und die Republikaner nur noch wenige Stunden haben, um die zu verhindern. Ich will Sie jetzt nicht fragen, was Sie sagen, wohin das führt, ...

Klingner: Keine Ahnung!

von Billerbeck: ... erzählen Sie uns einfach mal, wie ein amerikanischer Präsident sich so in die Macht dieser Zunft gegeben hat und was da passierte eigentlich im Weißen Haus!

Klingner: Ronald Reagan war ja, wie man weiß, Schauspieler. Und in Hollywood gab es einen sehr bekannten Astrologen, der nannte sich Carroll Righter. Der beriet also alle namhaften Stars von Marlene Dietrich über Hildegard Knef und eben auch Nancy Reagan, und auch Ronald Reagan hat sich von ihm beraten lassen, alle Stars waren ihm völlig erlegen. Und Ronald Reagan ist im Laufe der Zeit einfach bei ihm geblieben, hat dann auch andere Astrologen konsultiert. Er hat die Vereidigung als Gouverneur nach den Sternen ausrichten lassen, seine Air Force One ist ab dann abgehoben, wann der Astrologe das gesagt hat. Und er hat die letzten Jahre sich dem Rat einer Astrologin aus San Francisco gebeugt, die er nie in seinem Leben gesehen hatte, aber wenn die gesagt hat, gehen Sie nicht aus dem Haus, dann ging er nicht aus dem Haus.

von Billerbeck: Erklären Sie uns, wie kommt das, dass ein Mächtiger einem, ja, solchen fremden Menschen, von deren, von dessen Qualitäten er ja gar nichts weiß, vertraut, und dann noch so blind?

Klingner: Ich muss gestehen, dass ich das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr rational erklären kann. In früheren Jahrhunderten war das oft so, dass der Astrologe der intimste Berater war. Der war in alle Geheimnisse eingeweiht, manche Arten von Beratern gab es da noch gar nicht, insofern erklärte sich das. Bei Ronald Reagan ist es mir ein bisschen schleierhaft, zumal das auch sehr gravierende Folgen hatte. Er ist teilweise wochenlang nicht aus dem Weißen Haus gegangen, hat Besuchsprogramme in anderen Staaten geändert, selbst sein Treffen mit Gorbatschow in Genf war unter astrologischen Gesichtspunkten ausgesucht. Mir leuchtet das nicht wirklich ein, aber er hat es durchgezogen.

von Billerbeck: Die Astrologen, wenn sie denn richtig lagen, war ja alles gut. Was aber, wenn sie falsch lagen? Da lebten sie doch vermutlich sehr gefährlich?

Klingner: Da lebten sie sehr gefährlich, sowohl wenn sie falsch lagen, als auch wenn sie Prognosen gemacht haben, die den jeweiligen Mächtigen nicht passten oder auch deren Widersachern nicht passten. Die wurden also bestochen, sie wurden bedroht, manche wurden auch aus dem Weg geräumt. Also, da gab es die ganze Palette!

von Billerbeck: Sie sind ja nicht bloß Mediävistin und Kunsthistorikerin, Sie sind selber Astrologin. In welchen Fragen werden Sie eigentlich kontaktiert?

Klingner: Also, zum mir kommt die gesamte Bandbreite der Gesellschaft, von der Hausfrau bis zum Politiker oder Schauspieler.

von Billerbeck: Jetzt wollen wir natürlich Namen wissen?

Klingner: Ja, das gehört sich natürlich, die nicht zu nennen! Und die Fragen richten sich von Liebe, über Beruf, Geld bis zur Gesundheit. Und genau in der Reihenfolge.

von Billerbeck: Liebe, Beruf, Gesundheit, Geld.

Klingner: Nee, erst Geld.

von Billerbeck: Erst Geld, dann Gesundheit, ja klar!

Klingner: Geld ist viel wichtiger als Gesundheit!

von Billerbeck: Geld ist viel wichtiger! Und was raten Sie dann oder was sagen Sie dann und wie machen Sie das? Also, da kann man ja verschiedene Dinge machen, habe ich gelernt, also von der Kaffeesatzleserei bis zum Pendeln bis zur Glaskugel. Was machen Sie?

Klingner: Die Astrologie geht generell davon aus, dass sich Zeit nicht nur quantitativ in Stunden und Minuten, also in immer gleichen linearen Zeiteinheiten messen lässt, sondern dass sich verschiedene Zeitphasen auch unterschiedlich anfühlen. Also, dass es eine qualitative Zeit gibt. Und Astrologen untersuchen, welche unterschiedlichen Arten der Zeitqualität sich ermitteln lassen, also, ob das überhaupt geht, welche Arten sich von Zeitqualität ermitteln lassen, ob sie in Zyklen auftreten und in welcher Form diese Erkenntnisse im täglichen Leben nutzbar sind.

von Billerbeck: Erklären Sie mir das, das habe ich nicht verstanden!

Klingner: Vielleicht kennen Sie das, dass sich manche Jahre oder auch manche Monate gut anfühlen und leicht, und in anderen haben Sie das Gefühl, Sie stehen mit einem Bein auf dem Gas und mit dem anderen auf der Bremse. Und Astrologen versuchen herauszufinden, ob es einen Grund dafür gibt. Also, ob sich Zeit tatsächlich anders anfühlen kann.

von Billerbeck: Und wie machen Sie das? Also, vor allen Dingen, wenn es um die Zukunft geht?

Klingner: Das ist eben der Trugschluss. Astrologie kann nicht in die Zukunft sehen. Das ist das, was Sie in den Zeitungen vorgesetzt kriegen, aber in Wirklichkeit geht das gar nicht.

von Billerbeck: Sondern? Sie sagen, es war so und so und deshalb solltest du dieses oder jenes meiden? Oder wie?

Klingner: Nein, Astrologen nehmen so eine Wahrscheinlichkeitsrechnung. Die sagen, wenn 1000 Mal unter denselben Bedingungen dasselbe passiert ist, nehmen sie jetzt einfach mal an, dass bei dem 1001. Mal wieder dasselbe passiert! Und so machen sie ihre Voraussagen. Allerdings muss ich noch mal sagen: Man kann nicht in die Zukunft sehen, man kann ... Ich kann Ihnen nicht sagen, was aus dem Fiskalpakt der USA wird, das ist alles diese abergläubische Komponente der Astrologie, die gar keinen Bestand hat.

von Billerbeck: Sie desillusionieren jetzt vermutlich sehr viele Leute mit dem, was Sie sagen. Trotzdem werden Sie ja dafür bezahlt! Werden Sie gut dafür bezahlt, können Sie davon leben, von der Astrologie?

Klingner: Wenn ich solche Prognosen machen würde, die da gewünscht sind, das heißt, wann kriege ich einen Lottogewinn, kommt mein Mann zurück, wird mein Kind mal reich heiraten, dann könnte ich wahnsinnig gut davon leben. Aber jeder Astrologe zieht auch die Klienten an, die zu ihm passen, und zu mir kommen solche nicht, die das fragen.

von Billerbeck: Trotzdem wollen wir natürlich wissen, auch wenn Sie sagen, Sie können die Zukunft nicht voraussagen: Was erwartet uns 2013, was haben die Sterne für uns bereit, wenn Sie, angenommen, das vergangene Jahr Revue passieren lassen?

Klingner: Das Jahr 2012 haben viele Menschen als sehr anstrengend empfunden. Also, so wie ich es eben schon mal gesagt habe, als ob man permanent mit einem Bein auf der Bremse, mit dem anderen auf dem Gas gestanden hat, sie mussten für die gleichen Erfolge sich viel mehr anstrengen, und als ob sich eine Schwierigkeit nach der anderen vor ihnen aufgetürmt hat. Und die Leichtigkeit, die 2012 fehlte, ist 2013 dann doch wieder spürbar, nicht sofort, aber schnell. Man fühlt sich stark, ist ungeduldig und mutig und hat das Gefühl, auch ganz große Sachen anpacken zu können. Und wenn man also schon ganz lange ein großes Projekt vor sich hergeschoben hat, wäre das jetzt ein guter Zeitpunkt dafür!

von Billerbeck: Das sagt die Astrologin und Mediävistin Annett Klingner und ist damit gar nicht so weit von Frau Merkel entfernt, die ja auch Mut, Geduld und Zuversicht in ihrer Neujahrsansprache gefordert hat. Danke Ihnen und gute Voraussagen fürs neue Jahr!

Klingner: Danke Ihnen auch, tschüss!

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