Leichtathletik-WM in Katar

Herausforderung Hitze: Athleten können Thermometer schlucken

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Das Khalifa International Stadion in der katarischen Wüstenstadt Doha, im Vordergrund eine Palme.
Das Khalifa International Stadion in Doha. Während das Stadion klimatisiert ist, ist es das Aufwärmstadion nicht. 40 Grad im Schatten sind normal. © Peter Kneffel / picture alliance
Von Dieter Jandt · 22.09.2019
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Kommende Woche beginnt die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Katar – einem Wüstenstaat. Durch elektronische Pillen sollen Sportlerinnen und Sportler ihre Körpertemperatur messen können. Vor allem die großen Temperaturunterschiede bereiten Sorgen.
"Es wird schon herausfordernd sein, das dürfte so die wärmste Jahreszeit in Katar sein. Ich glaube aber nicht, dass die absolute Hitze das Riesenproblem ist. Das Hauptproblem werden die Temperaturunterschiede sein. Hotels, klimatisierte Autos, das klimatisierte Stadion, Aufwärmstadion nicht klimatisiert, dann Callroom extrem klimatisiert", erklärt Hochsprung-Bundestrainer Hans-Jörg Thomaskamp.
Sprinterin Jennifer Montag vom TSV Bayer 04 Leverkusen ist kurz vor dem Abflug zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Katar. Die Koffer müssen noch gepackt werden. Und zwar so, "dass wir genug lange Sachen, genug kurze Sachen dabei haben. Dass wir uns in Zwiebelschichten ein- und auspacken können, um einfach dieses Krankheitsrisiko so gering wie möglich zu halten. Ich denke, die Hitze für uns als Kurzsprinter – und auch für technische Disziplinen – wird nicht so das Problem sein. Da mache ich mir eher Sorgen über die Marathonläufer."

Thermometer in der Pille

Rund 40 Grad im Schatten sind angesagt im Wüstenstaat. Bei den Ausdauersportarten werden wohl kaum Rekorde purzeln. Das Stadion ist klimatisiert. Die Marathonläufe sollen um Mitternacht stattfinden. Und Pharmakologen haben eine elektronische Hitzepille ins Spiel gebracht, die angeblich über Sensoren dem Sportler anzeigt, wann er besser zurücksteckt.
"So genau kenne ich das auch nicht", sagt Montag. "Ich hab davon auch nur gelesen und gehört. Nee! Ich denke, als Sprinterin brauche ich das nicht.
Hans-Jörg Thomaskamp erklärt die Funktionsweise: "Das ist ein Thermometer, das in eine Pille eingepackt wird, und die wird geschluckt. Und es wird nur die Körperkerntemperatur gemessen. Es gibt keine Information darüber, wie die Körperkerntemperatur sich bei Athleten unter extremen Hitzebedingungen verhält. Man kennt keine Grenzwerte, also das Ganze dient eigentlich eher so der Grundlagenforschung."

Wird das Stadion voll

Skepsis im Vorfeld: Die Weltmeisterschaft war auch aus anderen Gründen als den klimatischen Bedingungen umstritten. Viele befürchten, dass das Stadion nur spärlich besetzt ist und es den Zuschauern womöglich an Begeisterung mangelt.
Sprinterin Jennifer Montag: "Das ist ein Land mit viel Geld. Und ich hoffe, sie haben es gut genug vermarktet, dass ein paar Leute zumindest da sind. Ob die Begeisterung jetzt da ist, das werden wir vor Ort sehen. Natürlich pusht das einen Athleten, wenn gejubelt wird oder generell das Stadion bebt."

Thomaskamp ergänzt: "Ich glaub' schon, dass da was los sein wird und dass die Unterstützung durch die Zuschauer da sein wird. Wer weiß, vielleicht wird auch dafür gesorgt, dass 'ne gelenkte Begeisterung dann da stattfindet."
Trainer Hans-Jörg Thomaskamp und Sprinterin Jennifer Montag
Trainer Hans-Jörg Thomaskamp und Sprinterin Jennifer Montag© picture alliance / Gladys Chai von der Laage

Verschleierte Frauen, knapp bekleidete Sportlerinnen

Klischees tun sich auf, wenn wir am Bildschirm in weißes Tuch gehüllte Scheichs und verschleierte Frauen sehen, und vor ihnen in der Arena knapp bekleidete Sportlerinnen, die Kugeln stoßen, Hürden nehmen und ihr extravagantes Outfit pflegen. Wie passt das zusammen?
Jennifer Montag sagt, sie habe sich genau die gleiche Frage gestellt. "Aber im Endeffekt dürfte es kein Problem sein, sonst würde man es nicht vor Ort ausrichten. Ich denke, es ist auch ein modernes und weltoffenes Land; dass die andere Kulturen da akzeptieren werden. Sie müssen's, und ich glaube auch, dass sie's werden."
Auch der Trainer zeigt sich in dieser Beziehung entspannt: "Ansonsten wäre es nicht möglich gewesen, dorthin eine internationale Meisterschaft zu vergeben. Das kann kein Problem sein."
Auch die Fußball-Weltmeisterschaft im Winter 2022 soll zeigen, dass Katar bemüht ist, jeglicher Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Und ja, die Vergabe an reiche Länder, die anders regiert werden als wir das von westlichen Demokratien kennen, sorgt immer für Spekulationen, dass bei der Vergabe nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Andererseits finden Bewerbungen für sportliche Großveranstaltungen hierzulande nicht immer die erforderliche Rückendeckung durch die Bürger.

Das beste Argument Katars: Geld

Trainer Thomaskamp sagt dazu: "Es geht darum, dass die Ausrichtung einer solchen Meisterschaft relativ kostspielig ist und es nicht unbedingt so ist, dass es ganz, ganz viele Veranstalter gibt, die sich darum reißen, solche Dinge auszurichten. Man sieht das an der öffentlichen Diskussion um Olympische Spiele. Also es ist eine Frage der Bereitschaft, auch der ökonomischen Bereitschaft."
Die aber hat Katar allemal. Und so werden wir uns auch daran gewöhnen müssen, dass Sportlerinnen und Sportler aus allen Ecken der Welt in den Farben von Katar antreten. Das Land ringt um Anerkennung und nutzt dabei das beste seiner Argumente: das Geld.

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