Leben auf dem Lande

Rezensiert von Vladimir Balzer · 01.04.2005
Die junge Berliner Autorin Svenja Leiber schreibt über das Leben auf dem Land – dort, wo man sich nicht verstecken kann und jeder jeden kennt. Hier versucht man sich, mit allem und allen zu arrangieren.
In Svenja Leibers literarischer Welt sind die Menschen einsam. Die Städte sind weit weg, so auch die Ablenkung, hier draußen auf dem norddeutschen platten Land, wo jeder jeden kennt - gezwungenermaßen - hier draußen versucht man sich zu arrangieren. Mit dem Grossbauern, den man nicht liebt, aber trotzdem heiratet, mit der Alkoholsucht, der man nachgeht und trotzdem noch den Haushalt schmeißt, oder auch mit einem gewalttätigen Mann, der seine beiden Söhne schlechter als seine Schweine behandelt.

Svenja Leiber zerrt ihre Figuren mit ihrer eindringlichen, manchmal sperrigen, aber immer kraftvollen Sprache ans Licht. Ans Büchsenlicht.

Da ist die Geschichte von Hans und Heide. Er ist so etwas, was man früher Knecht genannt hat. Heide will ihn, er auf seine kauzige Art will sie auch. Doch aus den beiden wird nichts. Obwohl eben jener Hans der einzige im Dorf ist, bei dem Heide kein Vergleich mit einem Tier einfällt. Für sie sind sonst Männer wie Eber, Ochsen, Füchse und Wölfe. Aber Hans ist nur der Knecht und der andere - Rothals - ist der Grossbauer. Also heiratet sie den. Alles eine frage des Arrangements. Das liest sich dann so:

""Der Pfarrer hantierte umständlich mit seinen Altarutensilien herum. Heide sagte ja, Rothals sagte ja, man fuhr mit Dosengeschepper zum Feldkrug". "

Die 30-jährige Svenja Leiber ist in der Nähe von Lübeck groß geworden. In der Gegend, über die sie schreibt. Bis heute habe sich auf dem Land eine Art Ständegesellschaft erhalten, sagt sie. Es gelte der Besitz: "Der, der die meisten Hektar hat, hat das Sagen", stellt Svenja Leiber fest. So einfach ist das.

Man könnte böse Texte darüber schreiben, eindeutig Stellung beziehen für die Benachteiligten, aber zum Glück hütet sich die Autorin davor. Ihre Figuren sind so wie sie sind. Weder schlecht noch gut. Sie sind einfach da und vermeiden Fragen nach dem Warum. So gesehen ist es eine Liebeserklärung an das Land ihrer Kindheit.

Die inzwischen mitten in Berlin lebende Svenja Leiber hat mit Lyrik angefangen und das merkt man dem Buch auch an. Sie minimiert ihre Texte zum absolut Nötigen. Kein Gramm Fett, kein Überfluss – umso mehr Kraft und Eindringlichkeit. Manchmal muss man beim Lesen innehalten, weil sie fast in die Lyrik fällt mit ihren Assoziationsketten und großen gedanklichen Sprüngen zwischen den Sätzen. Doch das tut dem Genuss keinen Abbruch.

Svenja Leiber erreicht eine Prägnanz und Genauigkeit, die in vielen verplapperten Büchern ihrer jungen Kollegen selten anzutreffen ist.

Svenja Leiber: Büchsenlicht. Erzählungen
Ammann Verlag, 140 Seiten, 16,90 Euro