Lange Trockenperiode

Vorerst kein "Ostsee" in Cottbus

08:26 Minuten
Blick auf einen ehemaligen Tagebau. Hier soll der sogenannte Cottbuser Ostsee entstehen.
Der Cottbuser Ostsee soll auf dem Gelände eines ehemaligen Tagebaus entstehen. © Deutschlandradio / Sylvia Belka-Lorenz
Von Sylvia Belka-Lorenz · 21.05.2019
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Es sollte die größte künstliche Seenlandschaft Europas werden, ein Landschaftspark als Vorzeigeprojekt, mitten in der Lausitz. Doch es scheint, als wäre der Klimawandel schneller als der Strukturwandel.
Auch an einem freundlichen Sonntagvormittag sind nur wenige Spaziergänger am Ufer des zukünftigen Ostsees unterwegs. Und wer zum ersten Mal da ist, der wirkt durchaus irritiert. Bis zum Horizont reicht das Areal, 19 Quadratkilometer, gesäumt von den rauchenden Schornsteinen des Kraftwerks auf der einen und dem zarten Zitat eines Tourismusgebiets auf der anderen Seite. Radwege führen bereits um die Grube herum, die Vegetation erobert sich Flächen zurück, metallene Liegestühle laden ein, das zu betrachten, was irgendwann hier einmalig schön werden soll.
Wunden schließen. Einer geschundenen Landschaft etwas zurückgeben, sie vielleicht sogar attraktiver zu machen als sie es jemals war. Das war eine Grundidee der IBA, der Industriellen Bauausstellung Fürst Pückler Land.
Die IBA hat schon zu Beginn dieses Jahrtausends erste Impulse für den Strukturwandel in der Region gegeben: Das zentrale Projekt darin: das Lausitzer Seenland mit dem Cottbuser Ostsee als Schlusspunkt. Der Landschaftsplaner und Wissenschaftler Lars Scharnholz war in dem Projektteam, das von 1997 mit der Planung des Sees befasst war. Die Idee damals:
"Dass die Lausitz so eine Art Versuchsfläche ist, wo man angesichts der sehr schwierigen Bedingungen eine Oase schaffen möchte. Eine schöne Landschaft, die da drüber liegt. Die Idee des Englischen Landschaftsparks, Fürst Pückler. Wir haben immer wieder das Leitbild verfolgt, dass wir in der Landschaft, der wir etwas antun, etwas wieder zumachen wollen. Das hat schon fast ein religiöses Moment. Eine oasenhafte, wunderschöne Landschaft darüberlegen. Das ist das, was zu DDR-Zeiten gedacht wurde, was Fürst Pückler gedacht hat. Und das wir dann so weitergedacht haben."

"Venezianische Zustände"

Das Thema Klimawandel allerdings spielte 1997 kaum eine Rolle, auch noch nicht am Ende der Bauausstellung 2010. Die Idee von der größten künstlichen Seenlandschaft Europas, von geradezu venezianischen Zuständen – sie erschien schon damals ehrgeizig, aber durchaus realistisch, so Scharmholz: "Die Region ist nicht gerade dafür bekannt, dass es hier sehr viel regnet, dass es sehr viel Oberflächenwasser gibt. Wir schaffen hier gerade eine Landschaft, die nicht typisch ist, sonst wären diese Gewässer ja da."
Am 12. April endlich war es für den Ostsee so weit. Unter großer öffentlicher Anteilnahme startet Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zusammen mit dem Bergbaubetreiber LEAG die Flutung am Einlaufbauwerk in dem kleinen Dorf Lakoma bei Cottbus. 280 Millionen Kubikmeter Wasser soll der See am Ende fassen, gespeist aus Spree- und Grundwasser. Das Volumen entspricht etwa 300-mal dem Berliner Olympiastadion. "Ein großartiger Tag für unsere Stadt", schwärmt der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch beim Flutungsstart, denn endlich nähme ein Zukunftsprojekt Gestalt an.

Wasser strömt über das Einlaufbauwerk in den ehemaligen Braunkohletagebau Cottbus-Nord.
Im April lief noch alles Plan, also Wasser über das Einlaufbauwerk in den Ostsee. Inzwischen wurde die Flutung gestoppt.© picture alliance / Patrick Pleul / dpa-Zentralbild
Doch seit zwei Wochen ist vorläufiger Flutungsstopp. Die Trockenheit im gesamten Einzugsgebiet lässt keine andere Lösung zu. Auch im aktuellen Geschäftsbericht der Lausitzer Wasserwerke LWG ist erstmals von einer Dürre zu lesen.
"Die langen Perioden von Trockenheit und Wärme im vergangenen Jahr stellen die Wasserwerke vor neue Herausforderungen", sagt der Technische Leiter der LWG, Jonas Krause. Es seien extreme Belastungsproben – insbesondere zur Feierabendzeit: "Wir haben es zum Teil so, dass wir nach 18 Uhr, wenn die Leute nach Hause kommen und ihren Garten sprengen, die drei- bis vierfache Menge ins Netz einspeisen. Für den Fall haben wir zum Glück Kapazitäten, die das ausgleichen können."

Weniger Wasserverbrauch als zu DDR-Zeiten

Cottbus bezieht sein Trinkwasser vollständig aus Grundwasser. Glück in dem Fall auch, dass das Cottbuser Wasserrohrsystem sehr alt ist, gut 120 Jahre. Die Rohre sind für die Mengen ausgelegt, die die Industrie, vor allem die Textilindustrie hier früher verbraucht hat. Die Wasserwerker beobachten die Situation.
Allerdings, so Jonas Krause, noch ohne Sorge. Auch das hat historische Gründe: "Zu DDR-Zeiten wurde viel mehr Wasser verbraucht. Wenn der Braunkohlebergbau ausläuft, ist ein wesentlicher Faktor der Absenkung des Grundwasserpegels weg, so dass wir hier die nächsten Jahrzehnte kein Problem haben werden. Die Tagebaue werden zurückgefahren, da steigt der Grundwasserpegel wieder. Das heißt, wir haben zwei gegenläufige Tendenzen: der Grundwasserpegel im gesamten Braunkohlerevier steigt, gleichzeitig haben wir wenig Niederschlag, was zu einem Sinken führt – ein Spiel, hoch und runter."
Die Bilanz der Brandenburger Bauern ist eine andere. Viele von ihnen hätten die Verluste aus 2018 noch nicht verdaut, so sagt es der Landesbauernverband. Ernteverluste bis zu 80 Prozent hätten viele in ihrer Existenz bedroht. Bund und Land stellten 72 Millionen Euro für Dürrehilfe zur Verfügung. Inzwischen haben einige Brandenburger Bauern ihre Betriebe bereits auf Bewässerungssysteme aus dem Nahen Osten umgestellt. Statt großer Beregnungsmaschinen hin zu modernster Mikro-Bewässerung. Ein System, das in Israel perfektioniert wurde, und das im Zuge des Klimawandels nun auch in Brandenburg angekommen ist.
Besucher stehen am Einlaufbauwerk am ehemaligen Braunkohletagebau Cottbus-Nord. Die gesamte Landmasse bis zu den Windrädern im Hintergrund soll später einmal von Wasser bedeckt sein.
Der Ostsee soll einmal bis zu den Windrädern reichen.© picture alliance / Patrick Pleul / dpa-Zentralbild
Den heimischen Wäldern scheint das veränderte Klima auf den ersten Blick nicht so viel auszumachen. Hohe alte Kiefern, wie sie hier immer schon wachsen. Der Wald sei schon recht tapfer, sagt Marion Vater vom Forstamt Peitz:
"Wir machen uns natürlich auch Sorgen um den fehlenden Niederschlag. Aber der Förster muss weit vorausdenken. So versuchen wir, durch den Waldumbau dem gravierenden Klimawandel entgegenzustreben. Die Trockenheit des vergangenen Jahres wird sich erst in den nächsten vier bis fünf Jahren auswirken. Aber da wir die Kiefer als Hauptbaumart haben, ist das eine noch nicht so gravierende Sache. Nicht so schön war der fehlende Niederschlag und die fehlenden Sonnenstunden für die kleinen Bäumchen, die haben schon ganz schön gelitten unter dem Wassermangel. Da ist vieles im vergangenen Jahr nicht angewachsen."
Auf der Rückfahrt weist Marion Vater auf die Bäume an den Straßenrändern. Ein wenig neidisch sei sie als Försterin schon, dass die ab und an von Anwohnern einen Eimer Wasser spendiert bekämen. Anderseits hätten die jeden Extraliter extrem nötig. Alles, was nicht Kiefer ist, werde den Klimawandel sonst bald zu spüren bekommen.

CDU zum Erfolg verurteilt

Der Sprecher der Stadt Cottbus verbreitet ungetrübten Optimismus. Per E-Mail lässt er wissen, dass auch die Unterbrechung der Ostsee-Flutung lange einkalkuliert gewesen sei. Es gäbe derzeit keinen Anlass, Planungen zu ändern, auch nicht für die millionenschweren Projekte zur zukünftigen Nutzung. Oberbürgermeister Holger Kelch ist zum Erfolg mit diesem größten Infrastrukturprojekte der Stadt quasi verurteilt. "CDU kann’s", wirbt seine Partei auf den Plakaten auch mit dem Ostsee. Am kommenden Sonntag wird in Cottbus gewählt.
Wie soll, wie kann es weitergehen in der Lausitz, in der Region, in der Struktur- und Klimawandel gerade an Fahrt aufzunehmen scheinen? Die Internationale Bauausstellung war ein Innovationsmotor. Ihre Begründer gleichzeitig voller Optimismus und doch konsequent orientiert an den Gegebenheiten. Es bräuchte dringend eine Neubewertung aufgrund der aktuellen Rechenmodelle von klimatischer Entwicklung im Süden Brandenburgs. Zwar möchte es niemand offen aussprechen, aber klar ist: dieser Cottbuser Ostsee würde heute so sicher nicht noch einmal so geplant werden.
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