Lange Nacht über Swjatoslaw Richter

"Er spielte immer wie zum ersten und zum letzten Mal"

Der Pianist Swjatoslaw Richter sitzt in einem Wohnzimmer auf einer Couch.
Der Pianist Swjatoslaw Richter © imago / ITAR-TASS
Von Beate Bartlewski · 21.03.2015
Der Spiegel des Komponisten wolle er sein, weiter nichts, bekannte Swjatoslaw Richter, dabei war er doch der individuellste Spieler von allen. Ein Konzertabend mit ihm, mit unbedingter Wahrhaftigkeit zelebriert, war jedes Mal neu und aufregend. Die erschütternde Traurigkeit der einzelnen Töne und die plötzliche Explosion von Klängen, so eine Ohrenzeugin, könne man sich nicht vorstellen, wenn man sie nicht gehört habe.
Swjatoslaw Richter, 1915 im damals russischen Schitomir geboren und in Odessa aufgewachsen, lernte das Klavierspielen mehr oder weniger autodidaktisch. Erst mit 22 Jahren, nachdem er sich bis dahin als Korrepetitor durchgeschlagen hatte, ging er nach Moskau, um beim legendären Heinrich Neuhaus zu studieren. Neuhaus erkannte in Richter ein Genie, dem er eigentlich nichts mehr beibringen könne. Er machte ihn mit Sergej Prokofjew bekannt und mit der Uraufführung dessen "6. Sonate" begann seine russische Karriere. Als sogenannter Volksdeutscher durfte er lange Zeit nicht im Westen auftreten.
Erst mit 45 Jahren, nachdem ihm ein legendärer Ruf vorausgeeilt war, gab er in New York sein frenetisch umjubeltes Debüt. In der Folge konzertierte er in allen wichtigen Musikzentren der Welt, er gründete sein eigenes Festival in Frankreich und öffnete sich mehr und mehr auch der Kammermusik. Aber Richter war kein Tastenlöwe, er war eher scheu und introvertiert, zeitweise litt er an Depressionen. So verweigerte er sich nach und nach dem kommerziellen Konzertbetrieb. 1997 ist er auf seiner Datscha in der Nähe von Moskau an einem Herzinfarkt gestorben.
Swjatoslaw Richter bei Wikipedia
Swjatoslaw Richter: Der Geist weht, wo er will
Auszug aus dem Manuskript der Langen Nacht
Swjatoslaw Richter: Der Interpret ist in Wirklichkeit ein Ausführender, der Vollstrecker des Willens des Komponisten. Er tut nichts hinzu, was nicht schon im Werk enthalten ist. Wenn er begabt ist, lässt er die Wahrheit des Werks durchscheinen, das alleine genial ist und sich in ihm spiegelt. Er darf die Musik nicht dominieren, sondern muss sich in ihr auflösen.
Ich glaube, dass die Hauptaufgabe, die sich Richter stellt, die genaue und gleichzeitig schöpferisch hinreißende Auslegung der Absichten des Komponisten ist. Diesem Ziel widmet Richter sein ganzes gewaltiges Talent und seine ganze phänomenale Meisterschaft."
Wir sahen weder Richter noch das Klavier, im Saal war es fast dunkel, und die Musik regierte in ihrer Reinheit und Unerreichbarkeit. Die erschütternde Traurigkeit der einzelnen Töne und die plötzliche Explosion von Klängen, die man sich nicht vorstellen kann, wenn man sie nie gehört hat.
Durch den schmalen Gang am vorderen Rand des Podiums, der von der rechten Tür bis zum geöffneten, das Kronleuchtergeglitzer reflektierenden Instrument freigelassen worden ist, kommt ein untersetzter Mann in einem Frack, der wie auf Zuwachs berechnet scheint, den Kopf schräg nach rechts geknickt; seine Hände rudern wie die eines Geschäftsführers, der sich durch die Tischreihen seines Restaurants arbeitet. Für einen Augenblick wird es still im Saal, dann explodiert in die Stille hinein der Applaus, untermalt von Getrampel, übertönt von Bravorufen. Der Mann im Frack, das Gesicht wie von Verlegenheit verzerrt, verneigt sich ungeschickt in Richtung des Saales, dann noch einmal nach der anderen Seite, an der die Leute auf den billigeren Plätzen im tiefgestaffelten Halbkreis um das Instrument auf dem Podium sitzen. Und plötzlich, in diesem Moment noch völlig unerwartet, wie im Sprung hat er sich auf den massiven Lederstuhl fallen lassen und im gleichen Augenblick, mit einem Hieb beider Hände auf die Tasten, im Fortissimo den Akkord angeschlagen, mit dem Robert Schumanns g-Moll-Sonate beginnt.
Swjatoslaw Richter: Ich wurde 1915 in Schitomir geboren, in der Berditschewskaja-Straße, die später Karl-Marx-Straße hieß, obwohl sie in die Berditschewskaja-Chaussee überging, sodass der ursprüngliche Name erhalten geblieben war. Diese Chaussee führt zu einer Brücke über den Fluss Teterew. Von der Brücke aus konnte man, wenn man nach links sah, in der Ferne eine Kirche erkennen, die gleichsam Hoffnungen auf irgendetwas Interessantes und Geheimnisvolles erweckte. Ich hatte immer Sehnsucht, dorthin zu gehen - das Dorf hieß Stanischowka - aber wir kamen niemals hin. Die Erwachsenen wichen meinen Fragen immer aus, maßen dem keine Bedeutung bei. Stanischowka wird mir immer in Erinnerung bleiben. Aber als ich zur Welt kam, gab es natürlich für mich keine Brücke und kein Stanischowka. Meine ersten Erinnerungen sind Träume.
Es sprechen:
Literatur:
Bruno Monsaingeon
Swjatoslaw Richter
Mein Leben, meine Musik
Staccato-Verlag, Düsseldorf 2006
Swjatoslaw Richter bricht in diesem Buch sein hartnäckiges, lebenslanges Schweigen und offenbart sich in einem außergewöhnlichen Gespräch und seinen persönlichen Notizbüchern. Der berühmte Geiger, Regisseur und Schriftsteller Bruno Monsaingeon schaffte es, kurz vor Richters Tod in dessen engste persönliche Sphäre vorzudringen und seine Gedanken und Erinnerungen aufzuzeichnen. Die etwa 30 Jahre lang geführten Notiz- und Tagebücher Richters geben auf einmalige Weise Zeugnis über die Musik unseres Jahrhunderts. Sie sind Mitteilungen einer nonkonformistischen Persönlichkeit, eines der größten Interpreten des Jahrhunderts, dessen Geschichte verbunden mit jener der Sowjetunion ist.
Walentina Tschemberdschi
Swjatoslaw Richter

Eine Reise durch Sibirien
Residenz Verlag, 1998

Georg Eggert
Svjatoslav Richter
Rembrandt Verlag 1966

Heinrich Neuhaus
Die Kunst des Klavierspiels
Musikverlage Hans Gerig 1967
HG 535

Jürgen Meyer-Josten
Musiker im Gespräch
Svjatoslav Richter
Henry Litolff's Verlag 1981/Edition Peters Nr. 8455

Dietrich Fischer-Dieskau
Zeit eines Lebens
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 2000
Die inneren Wegmarken und Entwicklungen mehr als die äußeren Stationen sind das Thema dieses sehr persönlichen Erinnerungsbuches des Sängers, Autors und Hochschullehrers Dietrich Fischer-Dieskau. In Berlin, seinem Geburtsort, begann nach dem Zweiten Weltkrieg die große Karriere des Mannes, der in der ganzen Welt als Lieder-, Oratorien- und Opernsänger aufgetreten ist und fast alle bedeutenden Persönlichkeiten des modernen Musiklebens kennengelernt hat. Dietrich Fischer-Dieskau erzählt von den Sternstunden seiner Karriere, aber auch von Sorgen und Ängsten, die dem Gelingen vorausgingen und denen sich der wahre Erfolg verdankt, von der Einsamkeit des berühmten Interpreten. Erinnerungen an Kindheit und Jugend gewinnen neue Bedeutung, vor allem anderen aber die Erfahrung der Liebe, seit einem Vierteljahrhundert verkörpert in der seelischen und künstlerischen Gemeinsamkeit mit Julia Varady.
Hans A. Neunzig
Dietrich Fischer-Dieskau - eine Biografie
Deutsche Verlagsanstalt

Viktor Jusefowitsch
David Oistrach
Gespräche mit Igor Oistrach
Deutsche Verlagsanstalt 1986

Andrei Gavrilov
Tschaikowski, Fira und ich
Erzählung meines Lebens
Diederichs Verlag, 2014
Andrei Gavrilov erinnert die irrwitzige Odyssee eines Piano-Wunderkindes, das den wichtigsten Wettbewerb der Musikwelt gewinnt und zum Ausnahmekünstler in der Gewalt sowjetischer Musikmakler und Parteifunktionäre wird. Er begegnet dem Guten wie dem Bösen - in seinen Weggefährten wie in sich selbst -, erlebt die dunkle Seite des Swjatoslaw Richter ("Fira") und überlebt Mal um Mal Liebe, Hass und Verrat.
Eine Künstlerautobiografie vor der Kulisse des Kalten Krieges mit allen Zutaten eines Spionageromans und ein Insider-Bericht aus dem Klassikbetrieb, der viele romantische Vorstellungen ad absurdum führt. Exklusiv zum Buch spielt Andrei Gavrilov neun Chopin-Nocturnes auf CD ein
Gidon Kremer
Zwischen Welten
Piper Verlag 2004
Gidon Kremer ist einer der großen Geiger unserer Zeit. In diesem Buch, das an 'Kindheitssplitter' anschließt, erzählt er von seinem Studium bei dem berühmten David Oistrach in Moskau, dem spektakulären Sieg beim Tschaikowski-Wettbewerb 1970, den Erfahrungen eines jungen Künstlers im totalitären Sowjetregime, den ersten Erfolgen im Westen und dem Entschluß, 1980 die Sowjetunion zu verlassen. Er zeichnet das facettenreiche Bild einer turbulenten Epoche, schildert seine eigene künstlerische Entwicklung und redet freimütig über ganz private Dinge wie Liebe und Freundschaft.
Der Film:
Bruno Monsaingeon veröffentlichte 1998 seine mit Richters Einverständnis gedrehte zweieinhalbstündige autobiografische Filmdokumentation "Richter - The Enigma". Neben einem ausführlichen Interview mit Richter und seiner langjährigen Freundin, der Sopranistin Nina Dorliak, sind auch zahlreiche Konzertausschnitte zu sehen. Richter wurde von Dietrich Fischer-Dieskau synchronisiert. Mehr
Auszug aus dem Manuskript:
Amerika gefiel Richter nicht.
Swjatoslaw Richter: Sicherlich, die amerikanischen Orchester sind ganz erstklassig, ebenso die Kunstmuseen und die Cocktails. Aber der Lärm, die billige Kultur, die Werbung und die Sprache!
Mit der USA-Tournee begann allerdings sein Triumphzug durch die europäischen Musikzentren, wie London, Paris oder Wien, aber auch Italien, die skandinavischen Länder und später Japan. Überall wurde er frenetisch bejubelt, von Kritikern wie Publikum gleichermaßen. Swjatoslaw Richter waren diese gesellschaftlichen Ereignisse eher unangenehm, der Kommerz, der Glamour, der Wettbewerb, er wollte sich ganz auf die Musik konzentrieren.
Swjatoslaw Richter: Jedenfalls spiele ich nicht für das Publikum. Ich spiele für mich, und wenn ich damit zufrieden bin, ist auch das Publikum zufrieden. Alle meine Sinne sind, während ich spiele, auf das Werk gerichtet, nicht auf das Publikum oder den Erfolg. Wenn ich einen Kontakt zum Publikum habe, dann entsteht er durch das Werk. Offen und ein wenig grob gesagt: Ich habe nichts mit dem Publikum zu schaffen. Es soll deswegen nicht beleidigt sein. Man darf mich nicht falsch verstehen; nur, das Publikum geht mich nichts an, ich brauche es nicht. Es ist, als stehe eine Wand zwischen ihm und mir. Und je weniger ich es brauche, desto besser spiele ich.
Swjatoslaw Richter hatte sich in Frankreich verliebt und hier fand er auch einen Ort, um dem Musikzirkus zu entgehen und sich ganz der Musik zu widmen.
Swjatoslaw Richter: Im Lauf einer Tournee in Frankreich Anfang der 60er Jahre hatte ich einen Abstecher in die Touraine gemacht, um die berühmten Schlösser mit eigenen Augen zu sehen. Sie begeisterten mich so, dass ich dachte, man müsste dort Konzerte organisieren. Jedoch schlechte Akustik und die Dimensionen der Zimmer der wunderbaren Häuser, die man mir zeigte, machten den Traum unmöglich, bis zu dem Tag, als mir der Architekt Pierre Boille von einer Scheune aus dem 13. Jahrhundert erzählte, die meinen Kriterien zu entsprechen schien, die Grange de Meslay. Als ich hinkam, war sie voll Heu und überall lief Geflügel herum, aber ich verliebte mich auf der Stelle in sie. Ich bat darum, unerlässliche akustische Veränderungen anzubringen, und wir machten uns ans Werk.
Die Grange de Meslay, die alte Scheune aus dem späten Mittelalter, wurde zum Mittelpunkt der 1964 gegründeten und heute noch existierenden Fetes musicales de Touraine.
Swjatoslaw Richter: Jahrelang waren die Fetes musicales de Touraine eine der Freuden meines Lebens. Ich hatte die Fetes musicales als wirkliche Feste konzipiert, bei denen die Musik Mittelpunkt weiterer Festlichkeiten wäre und alle Muße hätten, jedermann zu treffen, kurz etwas, was der Leichtigkeit des Ortes und seiner Atmosphäre entspricht. Ich lud junge Musiker dorthin ein, die mich sehr beeindruckt hatten, wie Zoltan Kocsis, eines der größten pianistischen Talente unserer Zeit, Lisa Leonskaja, mit der zu spielen immer beglückend ist, Elisso Wirssaladze, eine unvergleichliche Schumann-Interpretin, und zahlreiche berühmte Künstler, darunter den für mich immer noch größten Sänger unseres Jahrhunderts, Dietrich Fischer-Dieskau, und David Oistrach; in der Grange de Meslay traten wir zum ersten Mal gemeinsam auf. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Tourainer sich immer bewusst waren, was für Luxus-Programme ihnen vorgesetzt wurden.
Zwischen Fischer-Dieskau und Richter brauchte für keinen Augenblick der Zwang eines Sich-Fügens aufzukommen. Es entsteht - für den, der es nicht gehört hat, schwer vorstellbar - ein Miteinander als zweifache Entfaltung reichster, lückenloser Selbstständigkeit. Wohl kein anderer als Fischer-Dieskau kann sich heute leisten, Richter neben sich so differenziert und frei spielen zu lassen, als spiele er ein Brahms-Intermezzo in einem Solo-Programm. Welchen Gewinn das für eine eindringliche Belebung eines Liedes erbringen kann, erwies sich noch vor Schluss des ersten Gesangs. Das gesungene Wort der Bariton-Stimme folgte der gesungenen Wortlosigkeit des Flügels mit jener einleuchtend schönen Selbstverständlichkeit, mit welcher dem inneren Gedanken der beredte Ausdruck, der Idee die Verwirklichung folgt.
Swjatoslaw Richter: Mit Dieter zu arbeiten, war nicht einfach. Das Problem ist, dass sein Verhältnis zum Wort anspruchsvoll ist. Wenn er zum Beispiel Konsonanten wie "str" oder "pr" singen muss, will er, dass der Pianist mit einer kleinen Verzögerung spielt. Seine Diktion ist natürlich wunderbar, aber das verändert ein wenig den natürlichen Rhythmus der Musik selbst; man muss ihm gewissenhaft folgen und das ist nicht immer angenehm. Das Ergebnis ist sicher großartig, aber es verlangt unheimlich viel Arbeit.?
Auszug aus dem Manuskript:
Swjatoslaw Richter: Als sich das Land nach und nach öffnete, kamen ausländische Musiker nach Moskau. Glenn Gould kam1957. Ich besuchte eines der Konzerte. Er spielte die Goldberg-Variationen umwerfend, aber ohne Wiederholungen, und das kann ich ihm nicht verzeihen. Das heißt, er liebt nicht genug. Man muss unbedingt alle Wiederholungen spielen. Das hängt in erster Linie mit dem Gleichgewicht des Werks zusammen. Der zweite Grund liegt beim Publikum. Es wird sich bei Wiederholungen niemals langweilen. Ich, zum Beispiel, spiele beim ersten Mal streng, bei der Wiederholung gehe ich aus mir heraus. Dazu kann ich folgende Geschichte erzählen: Wir spielten in Athen das Kammerkonzert von Berg und haben das Finale, wie vom Komponisten vorgesehen, wiederholt. Und auf Wunsch des Publikums mussten wir es als Zugabe ein drittes Mal spielen. Und es gibt einen weiteren Grund, warum Wiederholungen unverzichtbar sind: Es ist eine unglaubliche Erleichterung für den Künstler! Bei der Wiederholung? findet er zu seiner wahren Empfindung.
Swjatoslaw Richter: Das Kammerkonzert von Alban Berg spiele ich gern, es ist sehr interessant. Es steht mir nicht unbedingt nahe und kommt mir auch altmodisch vor, aber es ist gut und raffiniert, manchmal vielleicht etwas zu gelehrt. Ich liebe es nicht, wenn die Musik sich in eine Wissenschaft verwandelt, wenn die Kunst Wissenschaft wird. Leider ist das so bei Pierre Boulez und aller neuen Musik. Dann wird Musik für mich wieder zu einer Lehre und das mag ich nicht. Ich will Vergnügen durch Musik haben und Boulez ist gerade gegen das Vergnügen in der Musik. Ich bin nicht gegen die Neue Wiener Schule und ihre Nachfolger, ich bin für alle künstlerischen Richtungen, wenn sich Talent oder Genie zeigt. Aber ich wende mich gegen Meinungen, die behaupten, es müsse nur so sein und nicht anders. Ich bin in der Kunst für die Freude, für das Vergnügen.
Swjatoslaw Richter: Unter den Werken, die ich fast als einziger aufführe, ist jedenfalls keines, das ich nicht wirklich lieben würde. Das Konzert von Rimski-Korsakow zum Beispiel, eine der ersten Sachen, die ich mit Orchester aufnahm, ist ein bescheidenes Werk, aber sehr gelungen. Ich spiele es aus grenzenloser Bewunderung für den Komponisten. Ich stelle ihn nicht über Tschaikowsky, der zweifellos wichtiger ist, aber Rimski ist mehr nach meinem Geschmack und ich liebe ihn wahnsinnig. Das "Capriccio espagnol"! Großer Gott! Was für ein Werk, welche Beherrschung und welche Orchestrierung! Wenn man die Malerei zum Vergleich heranzieht, so ist es kein Ölbild, sondern ein Pastell oder Aquarell. Sie stammen alle von ihm ab, Debussy, Ravel, Prokofjew und Strawinsky.
Es gibt noch wesentlich mehr Komponisten und Werke, die Swjatoslaw Richter geschätzt und geliebt hat, aber alle zu spielen würde den Rahmen dieser Langen Nacht bei Weitem sprengen. 1989 musste er sich einer schweren Herzoperation unterziehen, danach ist er nur noch selten aufgetreten. Im August 1997 ist er auf seiner Datscha in der Nähe von Moskau an einem Herzinfarkt gestorben. Er wurde im Puschkin-Museum aufgebahrt, dem Ort, an dem die berühmten Dezember-Soiréen stattfanden, die Richter, ähnlich den Fetes musicales de Touraine, ins Leben gerufen hatte. Im Dezember 1986 spielte er dort das Klaviertrio von Peter Tschaikowsky mit dem Titel "ln Erinnerung an einen großen Künstler", zusammen mit Natalja Gutman und Oleg Kagan, neben dem Borodin-Quartett zu der Zeit seine bevorzugten Kammermusikpartner.