Landsberg erwartet "kommunales Investitionspaket"

Gerd Landsberg im Gespräch mit Hanns Ostermann · 12.01.2009
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, geht davon aus, dass das von der Bundesregierung geplante zweite Konjunkturpaket "kurzfristig Wirkung entfalten kann". Er rechne damit, dass die Große Koalition rund 20 Milliarden Euro für öffentliche Investitionen vorsehen werde.
Hanns Ostermann: Die Köpfe werden qualmen, wenn sich heute die Koalitionsspitzen treffen. Schwierig sind sie ganz sicher, die Beratungen zum Konjunkturpaket II. Jede Menge Rezepte liegen auf dem Tisch, doch was sich letztlich als Königsweg herausstellen dürfte, das weiß wohl niemand. "Wir brauchen keine kurzfristigen Steuergeschenke, sondern kommunale Investitionen", das fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Gerd Landsberg ist dort Hauptgeschäftsführer. Guten Morgen, Herr Landsberg!

Gerd Landsberg: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Mit welchen Erwartungen verfolgen Sie die heutige Spitzenrunde?

Landsberg: Ich bin eigentlich sicher, dass die Spitzenrunde einen Vorrang für kommunale Investitionen beschließen wird. Es ist ja bekannt, es wird ein Paket von etwa 40 bis 50 Milliarden sein, und das ist natürlich eine Schätzung. Nach meiner Vermutung werden etwa 20 Milliarden für öffentliche Investitionen vorgesehen. Das sind ja nicht nur Kommunen, es sind auch die Länder. Aber ein Schwerpunkt wird sicherlich ein kommunales Investitionspaket sein.

Ostermann: Stimmen die Informationen, dann müssen Städte und Gemeinden einen Eigenanteil leisten, nur dann kommen sie in den Genuss der Mittel. Also fallen Trier und Ludwigshafen, um nur zwei zu nennen, durch, die haben nämlich nichts auf der hohen Kante.

Landsberg: Das ist richtig. Auf dieses Problem haben wir hingewiesen. Es gibt sehr viele finanzschwache Kommunen, die können den üblichen Eigenanteil von Programmen oder Krediten, über die so etwas abgewickelt wird, nicht leisten. Ich bin aber sicher, dass auf unsere Gespräche hin die Politik dies erfasst hat. Es gibt sicherlich eine Sonderhilfe für diese sogenannten finanzschwachen Kommunen. Da gibt es allerdings ein Problem, nämlich die Definition, wann ist denn eine Kommune finanzschwach. Das richtet sich weitgehend nach den Gemeindeordnungen der Länder, die definieren das unterschiedlich. Man kann es aber an einem Land sehr schön festmachen: In Nordrhein-Westfalen gibt es 396 Städte und Gemeinden, und davon sind über 100 in einer Haushaltsnotlage. Und das wird bedeuten, dass gerade in diesen Städten natürlich der Investitionsbedarf am größten ist, dass man einen Extrafonds auflegt, der nach einem Schlüssel, üblich ist der Königssteiner Schlüssel, zwischen den Ländern aufgeteilt wird und dass dann der Eigenanteil von Bund und Ländern für diese Kommunen übernommen wird. Ich glaube schon, dass es einen solchen Beschluss geben wird.

Ostermann: Das ist ungeheuer kompliziert. Einfach gemacht: Wie groß ist der Anteil derer, an denen der Geldsegen mit Sicherheit vorbeigeht oder vorbeigehen würde?

Landsberg: Auch das ist schwer zu schätzen, aber ich denke, fast ein Drittel der Kommunen in Deutschland ist so strukturschwach, dass sie einen Eigenanteil kaum leisten können. Und für diese Kommunen brauchen wir eine Sonderhilfe. Und ich bin, wie gesagt, sicher, dass man diese auch organisieren wird.

Ostermann: Das sind etwa 4000 bis 5000, sehe ich das richtig?

Landsberg: Das kann man nicht ganz so sagen, weil es teilweise kleinere Städte gibt, denen es besser geht, es gibt auch große, denen es gut geht. Aber es ist sicher, es ist eine nennenswerte Summe.

Ostermann: Aber es bleibt festzuhalten, möglicherweise bleiben die reichen Kommunen reich, die armen arm. Welche Alternative könnte es geben, was die Verteilung der Mittel betrifft?

Landsberg: Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative. Man muss gerade den Armen helfen, dort ist der Bedarf am größten. Gleichzeitig muss man die Reichen ermuntern, etwas zu tun, und zwar zusätzlich zu tun, das haben wir als Verband gemacht, das hat auch die Politik gemacht. Es gibt ja viele Investitionsvorhaben, die auch laufen. Und die Städte, die finanzstark sind, sollten das beschleunigen, das werden sie auch tun. Jede Stadt hat ja ein hohes Interesse, dass Arbeitsplätze vor Ort erhalten bleiben, dass die Handwerker ihre Gewerbesteuer bezahlen aus ihren Erträgen. Insofern bin ich eigentlich ganz zuversichtlich, dass ein solches Konjunkturprogramm auch kurzfristig Wirkung entfalten kann.

Ostermann: Nun lehnt Ihr Verband Steuersenkungen ab, weil sie künftige Generationen zu stark belasten. Dieses Investitionsprogramm zahlen doch auch Kinder und Enkel. Wie passt das zusammen?

Landsberg: Das ist ein Unterschied. Die Kinder und Enkel haben etwas von einer guten Schule. Wenn dann dort auch eine bessere Bildung vermittelt wird, ist es sogar noch besser. Sie haben auch was von besseren Straßen. Aber Konsumgutscheine oder etwa höhere Sozialleistungen, die ja teilweise auch diskutiert werden, die werden verpuffen. Und wenn Sie sich die letzten Umfragen anschauen, da ist ja gefragt worden die Bürger, was würdet ihr denn tun, wenn ihr mehr Geld habt. Die Antwort war zu 75 Prozent, wir würden es sparen. Und das ist nachvollziehbar. Die Menschen haben Angst, Angst um ihre Arbeitsplätze. Und deswegen glauben wir, dass man jedenfalls mit kurzfristigen Steuererleichterungen oder Konsumgutscheinen keine Effekte erzielt, aber – und das muss man auch mal als Zahl nennen – die 1,5 Billionen Euro Schulden, die haben Bund, Länder und Gemeinden zusammen, und wir zahlen pro Minute, in der wir hier sprechen, 133.000 Euro Zinsen. Und wir brauchen in Deutschland auch eine Diskussion trotz der Krise, wie geht es mit diesen Schulden weiter und wann sind wir endlich in der Lage, dass jede staatliche Ebene ihre Ausgaben auch aus ihren laufenden Einnahmen finanziert.

Ostermann: Herr Landsberg, was den letzten Teil Ihrer Äußerung betrifft, widerspreche ich Ihnen nicht. Aber zurück zur Schule: Jetzt sitzen Kinder möglicherweise in renovierten Klassenzimmern, der Raum ist aber immer noch überfüllt, das Lehrer-Schüler-Verhältnis katastrophal.

Landsberg: Da bin ich ganz bei Ihnen, ein solches Programm, wenn wir etwas für Schule tun, darf eben nicht nur in Beton und energetische Sanierung, so gut das ist, wir brauchen auch eine Bildungsoffensive. Die Kanzlerin spricht ja von der Bildungsrepublik, das ist gut so. Aber eine Bildungsrepublik ohne mehr und besser ausgebildete Lehrer wird es wahrscheinlich auch nicht geben. Und deswegen gehört auch das in ein Gesamtkonzept.

Ostermann: Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Herr Landsberg, danke schön für heute früh!

Landsberg: Bitte schön!