Landraub

Agrarinvestoren auf der Jagd

Blick aus einem Heissluftballon auf Getreidefelde
Blick aus einem Heissluftballon auf Getreidefelde © picture-alliance / dpa / Thomas Muncke
Von Ernst Rommeney · 12.09.2015
Kurt Langbein hat zwei Jahre lang die globale Jagd auf Ackerland verfolgt und gefilmt. Er sprach mit Bankern, Unternehmern und Landwirten in Osteuropa, Asien und Afrika. Die Bauern fürchten Vertreibung, während regionale Fürsten auf neue Geschäfte spekulieren.
Narendra Modi, seit einem Jahr Indiens Ministerpräsident, hatte sich als wirtschaftlicher Reformer empfohlen. Nun aber bremsen die Wähler seinen Elan. Seine Bodenreform beispielsweise ist er nun bereit zu überarbeiten. Er wollte es den Unternehmen und dem Staat erleichtern, Bauland zu kaufen, damit sie in eine moderne Industrie investieren. Doch die Bauern fürchten, erst nicht ausreichend entschädigt zu werden und später Einkommen zu verlieren, wenn die landwirtschaftlichen Anbaufläche knapper werden oder nicht genügend neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollten.
Solch einen Protest des Landvolks gegen die Politik, einen Protest, der so einflussreich wäre wie auf dem indischen Subkontinent, gibt es anderswo nicht.
Deshalb begleitete der österreichische Dokumentarfilmer Kurt Langbein zwei Jahre lang einen deutschen Biobauern dorthin, wo die weltweite Jagd auf Ackerland zum Landraub, zum land grabbing wird, aber auch dorthin, wo die eigene Scholle verteidigt wird.
"Ich will hier im Norden Äthiopiens, in Tigray, ein Projekt mit eigenen Augen sehen, von dem ich schon seit Jahren weiß..."
Bauern schaffen es auf kleinen Flächen
Felix zu Löwenstein lässt sich während einer Autofahrt auf staubiger Landstraße ein ambitioniertes Projekt erklären. Er war selbst einmal Entwicklungshelfer, hat anschließend aus einem Familiengut in Südhessen einen Ökobetrieb gemacht und sitzt derzeit dem Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft vor.
"Die Bauern wirtschaften hier oft mit großen Familien auf ganz kleinen Flächen und schaffen es dann trotzdem, über ihre eigene Ernährung hinaus den Markt zu beliefern."
Sie haben wenig Geld. Unterstützt von Experten kombinieren sie deshalb traditionelles Wissen mit verbesserten Anbaumethoden. Sie pflanzen mit eigenem Saatgut Mischkulturen, die sich auf natürliche Weise sogar vor Schädlingen schützen.
"Die Idylle hier kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Bauern hier ein sehr hartes Leben haben. Und trotzdem ist das sehr Mut machend."
Denn dieses Projekt führt beispielhaft vor, wofür sich der Öko-Wirt und sein journalistischer Begleiter in Film und Buch einsetzen: Weltweit soll das Herstellen von Nahrungsmitteln in den Händen kleiner regionaler Betriebe bleiben.
"Und das ist in einem Kontinent wie Afrika furchtbar wichtig. Hier gibt es 400 Millionen Bauern und gleichzeitig 400 Millionen Arbeitslose. Wer sollte auf die Idee kommen, dass man diese Kleinbauern wegen angeblich mangelnder Produktivität wegscheucht, um an ihrer Stelle eine großindustrielle Landwirtschaft zu platzieren."
Großes Kapital bedrängt kleine Landwirte
Cover Kurt Langbein "Landraub"
© Ecowin Verlag
Das, was sie verhindern wollen, haben sie auf ihrer Reise nach Afrika und Asien, nach Äthiopien, Mosambik und Sierra Leone, nach Malaysia, Indonesien und Kambodscha dokumentiert und dramaturgisch in Szene gesetzt.
"Es wird investiert weltweit in Ackerflächen, denn Land wird knapp, Nahrung knapp wird. Das große Kapital hat die Sache entdeckt."
Kapitalkräftige Investoren liefern sich einen Wettlauf um große Agrarflächen im ertragreichen Äquatorgürtel. Sie setzen auf niedrige Kosten. Die Regierungen versprechen sich von ihnen Devisen und technologisches Know-how. Und für jeden Deal fließen Provisionen an die Mittler in der Hauptstadt und in den Regionen bis hin zu den Bürgermeistern.
Die ortsansässigen Bauern dagegen können nicht mithalten. Ihnen fehlt das Geld, Felder zu vergrößern, Land zu kaufen oder auch nur zu pachten. Gerade in ehemals kommunistischen und staatswirtschaftlichen Ländern besitzen sie wenig Eigentum und erhalten als lokale Bevölkerung auch keinerlei Vorkaufsrecht.
Düster prophezeit Felix zu Löwenstein deshalb am Ende der Reise einen neuen Kolonialismus 2.0: "Für mich ist das eine neue Welle des Kolonialismus, der uns eines Tages teuer zu stehen kommen wird."

Kurt Langbein: Landraub. Die globale Jagd auf Ackerland
Ecowin Verlag, Salzburg 2015
192 Seiten, 21,95 Euro, auch als e-Book

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