Länderspiel der Schriftsteller

Von Martin Sander · 15.05.2012
Vor sieben Jahren wurde die Fußball-Nationalmannschaft der Schriftsteller gegründet. Sie ist amtierender Europameister und misst sich derzeit mit Autoren aus Polen und der Ukraine. Ein EM-Boykott kommt für sie nicht in Frage.
"Mein Name ist Falko Hennig. Ich bin 42 und seit 2005, seit der Gründung in der Mannschaft. Ich bin Schriftsteller, Schrägstrich Journalist, Schrägstrich Vortragsreisender, also die irgendwie mehr oder weniger übliche Mischung da als Freiberufler."

Falko Hennig spielt in der Fußballnationalmannschaft der deutschen Schriftsteller. Vor sieben Jahren wurde sie gegründet:

"Thomas Brussig telefonierte herum. Der hatte von italienischen Kollegen die Anfrage bekommen und hat das letztlich organisiert, in dem Dorf, wo der Brussig ein Häuschen hat – in der Uckermark. Immerhin sind wir dann auch Vizeweltmeister geworden, in Italien dann."

Inzwischen sind die Deutschen amtierender Europameister, auch ohne Gründervater Thomas Brussig, der den fußballerischen Ansprüchen nicht mehr genügt. Wer ins Team kommen möchte, muss mindestens zwei literarische Publikationen vorweisen. Er muss aber auch konditionell und balltechnisch auf der Höhe sein. Im Vorfeld der wahren Europameisterschaft 2012 treffen in diesen Tagen die deutschen Schriftsteller mit ihren polnischen und ukrainischen Kollegen zusammen. Diese haben ihre eigenen Mannschaften erst vor kurzem aufgestellt. Von Berlin nach Lemberg geht die gemeinsame polnisch-deutsch-ukrainische Turnierreise. Es wird gelesen, debattiert und gekickt.

Zwischenstation: das polnische Krakau. Im kleinen Stadion unter dem Wawel, der alten Königsburg, scheppern die Hymnen aus den Lautsprechern.

"Wir sind ja schon hier, um zu gewinnen. Wir nehmen das nach unseren Möglichkeiten doch ernst. Und unseren Europameistertitel tragen wir mit Stolz und Würde."

… sagt Klaus Cäsar Zehrer, Autor, Literaturwissenschaftler und Satireexperte, der beim Spiel Polen-Deutschland eingewechselt wird, während sein Kollege auf der Bank verharrt.

"Ich bin Martin Scharfe, bin aus Berlin, mache Volkslesen-TV, bin, naja, Ergänzungsspieler, heißt das, es gibt die erste Elf, ich bin eher die zweite."

O-Ton Fußballspiel: "Sehr schön, Klaus!"

Martin Scharfe: "Also ich find' diese Idee großartig, mit den Jungs mal’n paar Tage unterwegs zu sein. Das ist nicht so trocken akademisch. Sondern man rennt, man sieht sich in guten und schlechten Momenten. Man hat’n bisschen Zeit zusammen."

Es geht um Fußball und Literatur. Aber nicht nur. Die aktuelle Politik schwebt über den Autorenfußballern – vor allem über denen aus der Ukraine.

Wolodymyr Sergijenko: "Es ist blöd einfach, dass man versucht, die Sportfest irgendwie in Politik einzumischen."

Der in Berlin lebende ukrainische Erzähler Wolodymyr Sergijenko ärgert sich über den Versuch von EU-Politikern, durch die Androhung eines EM-Boykotts Einfluss auf den ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch auszuüben, ihn zu einer besseren Behandlung seiner politischen Gegenspielerin Julija Tymoschenko zu bewegen:

"Es sieht aus wie eine Art Erpressung kurz vor den Euro 2012. Es bringt gar nichts. Man soll tatsächlich wahrnehmen, dass Janukowytsch hat auch Unterstützung unter Bevölkerung, und wenn Jule Tymoschenko hat genug Macht, sie wird natürlich auch so gnadenlos mit Gegner umgehen."

Auch Roman Kołtoń aus dem polnischen Schriftstellerteam sieht die Boykottdrohungen skeptisch. Kołtoń schreibt Bücher über Fußball und ist unter anderem Autor des deutschen Fußballblatts "Kicker":

"Ich verstehe das nicht. Ich bin immer für Freiheit. Man muss um Freiheit kämpfen und die Debatte führen. Aber warum jetzt? Julia Tymoschenko ist nicht seit einer Woche oder einem Monat im Gefängnis. Wir haben darüber geträumt, das organisieren so ein großes Ereignis, nicht nur für Europa, für ganzen Welt. Darum für mich ist das ein zynisches Spiel von Politiker. Warum haben sie nicht große Diskussion vor halbes Jahr oder einem Jahr gemacht?"

In der Boykottfrage scheinen sich die Autoren aller drei Länder einig zu sein. Auch Falko Hennig, Veteran der deutschen Autorennationalmannschaft, ist gegen das Auftreten der EU-Politiker:

"Natürlich ist Folter abzulehnen im Gefängnis, und das tun wir auch alle. Ob die Frau Tymoschenko da nun sonderlich unschuldig ist, da hab' ich meine großen Zweifel. Die gehört da seit Jahrzehnten zur Oligarchie. Und dass da irgendjemand seine Millionen oder Milliarden quasi rechtmäßig erworben hat, das wage ich sehr anzuzweifeln. Sie ist ja nun auch nicht die Unschuld vom Lande, was aber nicht heißt, dass man sie foltern dürfte, nicht."

O-Ton Fußballspiel: "Ach, verdammte Hölle, das war knapp!"