Ladino statt Latino

Von Camilla Hildebrandt · 01.04.2008
Als die spanischen Juden, die Sepharden, Ende des 15. Jahrhunderts nach Nordafrika und in die Türkei vertrieben wurden, entstanden dabei viele Lieder. Aus dem Spanischen und diversen Dialekten der neuen Heimat wurde die Sprache Ladino geboren. Noch heute existiert sie, und Sängerin Yasmin Levy, geboren in Israel, lässt die ein halbes Jahrtausend alten Lieder wieder neu aufleben.
"Die Leute fragen mich: Wie willst du uns davon überzeugen, diese alten Lieder anzuhören? Und ich antworte ihnen: Es ist egal, wann sie entstanden sind, es geht um Liebe und Leidenschaft, das ist immer aktuell."

"Wenn ich heute nicht singen würde, wäre ich der traurigste Mensch der Welt! Ich singe, was ich liebe und kann die Menschen noch dazu damit glücklich machen!"

Ihr Leben ist heute die Musik, sagt die junge zierliche Frau mit den dunkelbraunen Augen und der langen, braunen Haarmähne ganz selbstverständlich. Zu dieser Überzeugung kam sie aber erst mit Anfang 20. Als Jugendliche begleitete sie zwar regelmäßig ihre Mutter - eine Sängerin - auf dem Klavier, aber selbst dort oben zu stehen, nein, das kam Yasmin Levy nie in den Sinn. Tierärztin wollte sie werden.

"Aber als ich 17 war, reiste ich dann nach Spanien, zu einer Freundin meiner Mutter, der Sängerin Julia Leon. Sie wollte sephardische Lieder aufnehmen; und ausgerechnet ich sollte sie singen. Aber ich sagte: Nein, ich weiß gar nicht, wie das geht. Da begann sie mit mir zu diskutieren, legte mir ein Liederbuch meines Vater vor - und ich fing plötzlich an sie zu singen. Alles kam wie von selbst aus mir heraus."

Liedtext: "Eine Stunde lang warte ich am Fenster, eineinhalb Stunden auf deinem Balkon
Deine Schwester, die Schlange, sie wird uns nicht einander lieben lassen
Du liebst sie, ich liebe sie, wir werden uns gegenseitig töten,
wer gewinnt, gewinnt sie..."


Nach dem Abschluss der Schule hieß es für Yasmin Levy aber erst einmal: zwei Jahre Militärdienst.

"Und auch da habe ich immer noch versucht dem Gesang aus dem Weg zu gehen. Aber mit 24 war es soweit, meine erste CD kam heraus. Das ist jetzt erst acht Jahre her!"

Die Lieder der Sepharden, der spanischsprachigen Juden, singen von Liebe, Hoffnung, Verzweiflung und Sehnsucht. Yasmins Vater Jizak Levy - Komponist und Leiter der Ladino-Abteilung im israelischen Staatsradio - war der erste, der sie archivierte, der in Israel von Familie zu Familie zog, um die bis dato nur mündlich überlieferten Songs aufzuschreiben. Es wurde seine Lebensaufgabe.

"Meine Mutter lernte diese Songs von meiner Großmutter, die traditionellen, sephardischen Songs, und sie erzählte mir all das, was ich jetzt weiß. Immer wenn sie kochte, sang sie für mich, und deswegen kenne ich diese Lieder. So haben sie mehr als 500 Jahre überlebt."

Die 32-jährige Yasmin Levy setzt auf ihre Art das Lebenswerk des Vaters fort. Sie interpretiert traditionelle Texte und auch eigene Kompositionen, benutzt zeitgenössische Instrumente und traditionelle, wie das arabische Quanun, eine Art Zither. Sie singt auf Spanisch und in Ladino, einem antiken Spanisch, das die jüdischen Einwohner auf der Halbinsel vor rund 500 Jahren sprachen.

"Was war passiert? Nachdem die jüdischen Spanier aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, ließen sie sich auf der ganzen Welt nieder, vor allem aber in der Türkei und in Nordafrika. Dort mischte sich dann das Spanische mit den verschiedenen Dialekten und Sprachen, je nach Land. Das Resultat ist: Ladino."

Levy mischt auch jüdische Musikstile mit Flamenco und arabischen Klängen. Für manch einen Puristen ein Verstoß gegen die Tradition. Wie zum Beispiel der Titel-Song ihrer aktuellen CD "Mano Suave". Levy interpretiert den alten Beduinen-Song mit der in Marokko geborenen Sängerin Natacha Atlas.

"Man sieht immer nur den Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern - und durch die Zusammenarbeit mit Natacha wollte ich zeigen, dass es auch anders geht, dass man zusammen leben, sich lieben und respektieren kann. 'Mano Suave' - 'sanfte Hand', das ist die Art, wie man den Anderen behandeln sollte."