L wie Ludwig

    Von Jürgen Liebing · 13.05.2013
    König Ludwig II. war ein glühender Wagner-Verehrer. Die erste Amtshandlung des erst 18-jährigen Königs bestand darin, nach Richard Wagner suchen zu lassen und ihn zum Hof zu bringen.
    "Ein Licht muß sich zeigen: ein Mensch muß mir erstehen, der jetzt energisch hilft – dann habe ich noch Kraft, die Hilfe zu vergelten; sonst nicht, das fühle ich!"

    Das schreibt Richard Wagner Ende April 1864 in einem Brief. Der 51-jährige Komponist scheint am Ende. Doch die Rettung naht und hat einen Namen: Ludwig II., gerade mit erst 18 Jahren Nachfolger seines Vaters, dem Bayern-König Maximilian geworden.

    Der junge Ludwig, der zwei Jahre zuvor erstmals den "Lohengrin" gesehen hat und danach den "Tannhäuser", ist begeistert von der Musik Wagners, die ihn regelrecht in Ekstase versetzt. Und eine seiner ersten Amtshandlungen besteht darin, seinen Kabinettssekretär Franz Seraph von Pfistermeister auszuschicken mit dem Auftrag, Richard Wagner zu suchen und zum Hof zu bringen. Ausgerechnet dieser Kabinettssekretär wird zwei Jahre später entlassen, weil er gegen die kostspielige Förderung des Komponisten durch den König protestiert.

    Am 5. Mai 1864 kommt es zur ersten Begegnung zwischen Ludwig II. und Richard Wagner.

    "Mein treu geliebter Freund! – Mein Alles!"

    "Mein geliebter, holder Freund!"

    So schreiben sich jetzt die beiden ungleichen Persönlichkeiten, die sich anfänglich gerieren wie ein Liebespaar.

    "Täglich schickt er ein- oder zweimal. Ich fliege dann immer wie zur Geliebten, so sitzen wir oft Stunden da, Einer in den Anblick des Andren verloren."

    Ein Huldigungsmarsch, ursprünglich für Militärkapelle gedacht, ein musikalisches Geburtstagsgeschenk Wagners für den 19-jährigen Ludwig.

    Es hat immer wieder große Mäzene in der Kultur- und Kunstgeschichte gegeben, aber keine Liaison war wohl so folgenreich wie die zwischen dem Märchenkönig und dem Komponisten. Ohne Ludwig wären die "Meistersinger von Nürnberg" nicht komponiert worden, wäre der "Ring des Nibelungen" unvollendet geblieben, das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth nicht gebaut worden, und der "Parsifal", die einzige Oper, die für das Festspielhaus komponiert wurde, ungeschrieben geblieben.

    Wie in jeder Beziehung gab es auch hier Krisen und Spannungen, zum Teil provoziert von der neidischen Außenwelt.

    Denn die Entourage des Königs schaute durchaus misstrauisch, auch missgünstig auf den protegierten Günstling. Als Wagner gar direkt in die Politik eingriff, da hatte er, so schien es, den Bogen überspannt. Er wich aus nach Luzern am Vierwaldstätter See, mietete sich eine geräumige Villa, empfing den König inkognito und lebte mit Cosima, der Noch-Gattin von Hans von Bülow in wilder Ehe. Weiterhin großzügig unterstützt vom freigiebigen König, der allerdings lange Zeit nichts wusste von der ungesetzlichen Beziehung.

    Ludwig war sogar bereit abzudanken, um seinem Idol immer nahe sein zu können. Das aber vermochte Wagner, der genug Realitätssinn besaß, dem König auszureden, denn damit wäre die Geldquelle wohl versiegt.

    Als sich Wagner in Bayreuth niederließ und den Bau des Festspielhauses plante, war der König zunächst nicht glücklich, denn eigentlich hätte er das Festspielhaus am liebsten in München gehabt, ganz in seiner Nähe. Wagner wiederum war verstimmt, dass Ludwig das "Rheingold" und die "Walküre" in München uraufführen ließ.

    Trotz aller Spannungen, allem Auf und Ab blieb die Beziehung zwischen den beiden bestehen. Wagner wusste zu gut um die existenzielle Bedeutung, und der König verspann sich immer mehr in seine wagnerische Opernwelt. In Schloss Linderhof ließ er eine Venusgrotte errichten, das Schloss Neuschwanstein, das Wagner nie betreten hat, war mit Motiven aus Wagneropern ausgemalt.

    Übrigens hat der König Wagner mit 562914 Mark unterstützt. Zum Vergleich: allein das Schlafzimmer in dem unvollendet gebliebenen Schloss Herrenchiemsee verschlang 652000 Mark.

    Zum letzten Mal begegneten sich die beiden 1880 in München. Wagner dirigierte zweimal das Vorspiel zum "Parsifal", dessen Uraufführung Ludwig zwei Jahre später in Bayreuth fernblieb.