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EU-Außenminister
"Wir müssen die Dinge beim Namen nennen"

Die Vermutung, dass Wladimir Putin für Russland über die Ostukraine eine Landverbindung zur Krim zu schaffen möchte, scheint sich zu bewahrheiten. Ob und wie kann er jenseits von militärischem Eingreifen davon noch abgehalten werden? Dieser Frage gingen die EU-Außenminister in Mailand nach - mit einer gewissen Hilflosigkeit.

Von Annette Riedel | 30.08.2014
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beim informellen Gespräch mit seinen EU-Amtskollegen in Mailand
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beim informellen Gespräch mit seinen EU-Amtskollegen in Mailand (dpa / picture alliance / Pawel Supernak)
    Nach ausgeprägtem Ärger über Putin, nach Enttäuschung über das Verhalten Russlands und nach dem erklärten Willen der EU, Moskau das Missverhältnis zwischen kooperierendem Wort und destabilisierender Tat nicht durchgehen zu lassen, sowie nach der Sorge, dass die Situation in der Ostukraine außer Kontrolle geraten könnte – so klangen die Äußerungen der EU-Außenminister bei ihrem informellen Treffen in Mailand. Bundesaußenminister Steinmeier.
    "Die Grenzverletzungen, die wir jetzt beobachten, die lassen befürchten, dass die Lage zunehmend außer Kontrolle gerät."
    Der niederländische Außenminister Timmermans.
    "Wir haben vorher schon mal gesagt, dass wenn Russland seine Haltung nicht ändert, dann kann Europa nichts anderes, als weitere Maßnahmen zu ergreifen. Wir sehen keine Änderung in der russischen Haltung."
    Der luxemburgische Außenminister Asselborn
    "Ich will nicht von Krieg reden, aber es gibt Anzeichen, dass wir hier zu tun haben mit einer Aggression. Das ist bewiesen, von russischen Soldaten auf ukrainischem Boden.
    Der schwedische Außenminister Bildt.
    "Putin opfert sein eigenes Volk. Er verwehrt ihm Nahrungsmittel und europäische Partner."
    Bildt war es auch, der das Wort von der "Invasion" Russlands in der Ostukraine ungeschminkt aussprach.
    "Wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Wir erleben nach der Krim die 2. russische Invasion der Ukraine in einem Jahr."
    An den Grenzen der Diplomatie
    Auch wenn der Bundesaußenminister das Wort von der Invasion nicht in den Mund nehmen wollte, so sprach er doch von einer neuen Dimension und den Grenzen, an die Diplomatie stößt.
    "Das Ganze hat nur Sinn, wenn Russland mit offenen Karten spielt und wenn Vernebelungen von Sachverhalten endlich ein Ende finden."
    Die Stimmung in der Runde der EU-Außenminister beschreibt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, Elmar Brok, der bei den Diskussionen dabei war, so.
    "Es war schon eine tiefgreifende Diskussion bei vielen, weil man sieht, dass aufgrund der Entwicklung in dieser Woche für die meisten dieser Traum, über Gespräche Dinge zu ändern, zu diplomatischen Lösungen zu kommen, zu Ende gegangen ist."
    Die Vermutung, dass Putin darauf aus ist, für Russland über die Ost-Ukraine eine Landverbindung zur Krim zu schaffen, scheint sich durchzusetzen. Und eine gewisse Hilflosigkeit bei der Frage, ob und wie er jenseits von militärischem Eingreifen, was die EU ausschließt, davon noch abzuhalten ist.
    Und doch - es scheint unter den 28 EU-Ländern allgemeine Einigkeit zu herrschen, dass die EU reagieren muss – mit verschärften Sanktionen gegen Russland einerseits und mehr Unterstützung für die Ukraine andererseits. Das wird auch Thema sein beim Treffen des ukrainischen Präsidenten Poroschenko mit den EU-Spitzen und beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Wochenende in Brüssel.
    Der luxemburgische Außenminister Asselborn spricht für seine Kollegen, wenn er sagt:
    "Ich glaube, dass alle Optionen, was Sanktionen angeht, leider zur Debatte stehen. Ich weiß, dass man damit den Konflikt nicht lösen wird, aber man muss noch mehr vielleicht verdeutlichen, auf welchem falschen Weg Russland sich befindet."
    Eigentlich hätten die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel mit der komplizierten Besetzung diverser EU-Spitzenposten genug zu tun. Aber, sie werden darüber hinaus auch einen Beschluss zur Lage in der Ukraine fassen. Wahrscheinlich ist, dass sie die EU-Kommission mit der Folgenabschätzung weiterer Wirtschaftssanktionen beauftragen. Die könnten den Finanzmarkt stärker ins Visier nehmen, Hedgefonds in der EU und in den USA etwa, über die sich Russland refinanziert.