Kurzkritiken

Viel Krisenstimmung, ein bisschen eitel Sonnenschein

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"Bösartige" Vorwürfe gegen Wulf attestiert ARD-Mann Ulrich Deppendorf seiner Zunft © Julian Stratenschulte/dpa
Von Christian Rabhansl · 16.05.2015
Wieviel Qualität steckt im Qualitäts-Journalismus? Liegt die Zukunft der Zeitung wirklich im Internet? Drei Bücher beschäftigen sich mit dem Zustand und der Zukunft der Presselandschaft. Aufschlussreiche, teils streitbare Lektüre.
Lässt sich die Welt neutral abbilden? Können Worte, Bilder, Töne gänzlich objektiv sein? Es wäre naiv, das zu glauben. Sich darum bemühen sollten Journalisten dennoch. Wie es ihnen gelingt, untersucht Janis Brinkmann am Beispiel der Arabischen Revolution und der Berichterstattung überregionaler deutscher Medien. Sein Ergebnis: Zunächst erweitern sie ihre zuvor schmale Islamberichterstattung. Die Themenvielfalt wächst, Religion und Kultur werden differenzierter dargestellt. Doch schon ein Jahr später geht das Interesse der Redaktionen wieder zurück. Die Stereotype häufen sich. Kulturelle Ereignisse? Wirtschaftsthemen? Nichts dergleichen. Nur politische Krisen und Krawalle schaffen es noch in die deutschen Medien. Mit ständigen Berichten zum "Feindbild Islam" sieht Brinkmann schließlich den Beleg für eine islamophobe Presse erbracht. Penibel hat er Meldungen und Berichte ausgezählt, Worte gesucht, Bewertungen sortiert, Kategorien aufgestellt, verworfen und modifiziert. Entstanden ist ein Buch, das eher in Universitätsbibliotheken als auf Nachttischen zu finden sein wird – aber auch in Redaktionen gut aufgehoben wäre.
Janis Brinkmann: „Ein Hauch von Jasmin. Die deutsche Islamberichterstattung vor, während und nach der Arabischen Revolution – eine quantitative und qualitative Medieninhaltsanalyse."
"Ein Hauch von Jasmin" von Janis Brinkmann© Herbert von Halem Verlag

Janis Brinkmann: Ein Hauch von Jasmin. Die deutsche Islamberichterstattung vor, während und nach der Arabischen Revolution – eine quantitative und qualitative Medieninhaltsanalyse.
Herbert von Halem Verlag, Köln 2015
Gut 300 Seiten, 30 Euro

"Gnadenlos" nennt Ulrich Deppendorf diese Republik – und meint damit auch das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten. In einem Sammelband blickt der langjährige Leiter des ARD-Hauptstadtstudios auf jene letzten Monate zurück, in denen Christian Wulff noch Bundespräsident war. In der Rückschau nennt Deppendorf manchen Vorwurf gegen Wulff "lächerlich" und "bösartig", attestiert der eigenen Zunft einen Herdentrieb, der vor allem in eine Richtung führte: über die Grenze einer seriösen Berichterstattung. In diesem Buch sind zehn streitbare Stimmen versammelt, Essays und Reden der vergangenen Jahre. Der Enthüllungsjournalist Hans Leyendecker erklärt, warum sein Reporterteam nicht gemeinsam mit der "Bild"-Zeitung ausgezeichnet werden wollte – mit Argumenten, die über bloßen Ekel weit hinausgehen. Die Medienforscherin und Journalistin Miriam Meckel erläutert in wissenschaftlicher Klarheit, warum der schon so oft totgesagte Journalismus doch eine Zukunft habe. Der Publizist Roger Willemsen erörtert vergnüglich die eigentlich gar nicht amüsante Frage, ob im Fernsehen überhaupt noch Inhalt zähle. Matthias Döpfner in seiner Funktion als Digital-Prediger des Springer Verlags schwärmt reichlich euphorisch von einer glänzenden Zukunft des Qualitätsjournalismus – und meint tatsächlich auch die "Bild"-Zeitung. Nur vorsichtigen Optimismus kann demselben Thema dagegen Frank Schirrmacher abgewinnen, der im vergangenen Jahr verstorbene FAZ-Herausgeber. Ein aufschlussreicher Band.
Bernhard Pörksen und Andreas Narr (Hrg.): „Die Idee des Mediums."
"Die Idee des Mediums" von Bernhard Pörksen und Andreas Narr (Hrg.)© Edition Medienpraxis im Herbert von Halem Verlag

Bernhard Pörksen und Andreas Narr (Hrg.): "Die Idee des Mediums"
Edition Medienpraxis im Herbert von Halem Verlag, Köln 2015
Gut 220 Seiten, 19,80 Euro

Das Internet: Hort der ewigen Versprechen und der ewigen Enttäuschung. Neue Heimat des unabhängigen Qualitätsjournalismus? Auch dies uneingelöst bis heute, denn Qualität scheint niemand bezahlen zu wollen. Und was sollte das Internet nicht noch alles schaffen: Demokratie, Vielfalt, Wohlstand! Das gängige Loblied sei eine Lüge, stellt Andrew Keen in seinem Buch "Das digitale Debakel" klar. Nur ein paar smarte Unternehmer würden reich und mächtig. Glaubt man Keen, so zertrümmern sie dabei lustvoll so ziemlich jede kulturelle Errungenschaft der Neuzeit. Neu ist solche Kritik nicht. Manchmal auch überzogen. Aber gut geschrieben.
Andrew Keen: „Das digitale Debakel. Warum das Internet gescheitert ist - und wie wir es retten können".
"Das digitale Debakel“ von Andrew Keen © Deutsche Verlagsanstalt

Andrew Keen: "Das digitale Debakel. Warum das Internet gescheitert ist – und wie wir es retten können"
Deutsche Verlagsanstalt, München 2015
320 Seiten, 19,99 Euro

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