Kurz und kritisch

Von Ulrich Baron · 10.11.2013
Der Ullstein Verlag vor 1945, das Deutsche Rote Kreuz und Amazon-Macher Jeff Bezos sind die Themen dreier neuer Sachbücher.
Für viele Unternehmen begann 1933 eine dunkle Periode ihrer Geschichte. Für das führende Verlagshaus Ullstein, in dem die "Vossische Zeitung" erschien und für das ein Brecht und ein Tucholsky arbeiteten, kam damals die Enteignung. Hermann Ullstein, ein Sohn des Verlagsgründers Leopold, hat die Geschichte als "The Rise and Fall of the House of Ullstein" 1943 kurz vor seinem Tod im amerikanischen Exil veröffentlicht. Auf die Erinnerungen des Autors gestützt, ist dieses jetzt erstmals auf Deutsch erscheinende Werk im Detail nicht immer zuverlässig. Als zeit- und kulturgeschichtliches Dokument aber ist es eine wahre Fundgrube voller Anekdoten und Porträts aus Kaiserreich und Weimarer Republik. Besonders erschreckend darin dann Ullsteins Beschreibung des Berliner Presseballs am Vorabend von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. Die Gäste sind voll banger und manche auch voll freudiger Erwartung, aber selbst erfahrene Politikjournalisten wagen nicht, sich auszumalen, was Deutschland bevorstehen könnte. Wer sich immer noch fragt, warum es damals so weit hat kommen können, findet hier eine Antwort.

Cover Hermann Ullstein: "Das Haus Ullstein"
Cover Hermann Ullstein: "Das Haus Ullstein"© Ullstein Verlag
Hermann Ullstein: "Das Haus Ullstein", Ullstein Verlag, 304 Seiten, 22,99 Euro


Seit seiner Gründung vor 150 Jahren hat sich das Rote Kreuz zum Markenzeichen entwickelt. In seinem Buch über Geschichte und Gegenwart seines deutschen Ablegers verfolgt Stefan Schomann nun dessen Entwicklung vom Sanitätsdienst auf den Schlachtfeldern des 19. Jahrhunderts bis zur Katastrophenhilfe in der chinesischen Provinz Sichuan im Jahre 2008. Der Autor liefert viele Beispiele für kompetentes, effizientes und uneigennütziges humanitäres Engagement, doch er zeigt auch, wie leicht sich das DRK von den Nationalsozialisten gleichschalten ließ. Leider hat Schomann seine Darstellung als sprachlich recht saloppe Langzeit-Frontberichterstattung angelegt. Wenn er dem Roten Kreuz so einen maßgeblichen Anteil an einer "Mobilmachung der Menschlichkeit" zuspricht, hätte man gerne Genaueres über dessen Verwaltungs- und Führungsstruktur, über Logistik und Finanzierung erfahren. Auch eine detaillierte Manöverkritik und der Vergleich mit konkurrierenden Hilfsorganisationen wären erhellend gewesen. "Im Zeichen der Menschlichkeit" Gutes zu tun, versprechen viele – aber ob und warum dem Roten Kreuz dies am besten gelingt, erfährt man hier nicht.

Cover Stefan Schomann: "Im Zeichen der Menschlichkeit"
Cover Stefan Schomann: "Im Zeichen der Menschlichkeit"© DVA
Stefan Schomann: "Im Zeichen der Menschlichkeit. Geschichte und Gegenwart des Deutschen Roten Kreuzes", Deutsche Verlagsanstalt. 384 Seiten, 24,99 Euro


"Es ist nicht etwa so, dass Amazon der Buchbranche passiert", sagt dessen Gründer Jeff Bezos gerne: "Was der Buchbranche da passiert, ist die Zukunft." Seit der Gründung im Jahre 1994 ist der Umsatz des Internethändlers auf über 61 Milliarden Dollar gewachsen. Und Amazon scheint vom Marktteilnehmer zum Markt schlechthin werden zu wollen. Brad Stone portraitiert das Wunderkind Bezos als einen so mitreißenden wie unheimlichen Maniker, der das Märchen vom Tischlein-deck-dich zu verwirklichen scheint. E-Books gibt es längst auf Knopfdruck, und 500-Kilo-Tresore werden binnen weniger Tage angeliefert. Der Umsatzriese Amazon aber, dessen forciertes Wachstum seine Einnahmen immer wieder auffrisst, steht nicht nur auf tönernen Füßen, sondern lastet auch auf den Rücken zahlloser Mitarbeiter. Die müssen für Billiglöhne erfüllen, was Bezos seinen Kunden verspricht. Nachdem Stone die Geschichte des "Allesverkäufers" über fast 400 Seiten hinweg fasziniert verfolgt hat, kommt er zu einem sybillinischen Urteil: Jeff Bezos werde versuchen, noch an Tempo zuzulegen, denn Amazon sei "womöglich das betörendste Unternehmen, das es je gegeben hat".

Cover Brad Stone: "Der Allesverkäufer"
Cover Brad Stone: "Der Allesverkäufer"© Campus Verlag
Brad Stone: "Der Allesverkäufer. Jeff Bezos und das Imperium von Amazon", Campus Verlag, 400 Seiten, 24,99 Euro