Birgit Schlepütz: Schichtwechsel im Bauch der Metropole -
Lesereise Ruhrgebiet
Picus Verlag

Das Ruhrgebiet ist der Osten des Westens - in wohl keiner Region Westdeutschlands sind die industriellen Veränderungen so dramatisch an Landschaft und Städten abzulesen wie im früheren Revier der Zechen und Schlote. Damit das Vergangene nicht vergessen wird, suchte Birgit Schlepütz die kleinen Details, die noch immer den Charakter des Ruhrgebiets ausmachen.

So erzählt sie von Henriette Davidis, die wohl erfolgreichste Autorin hauswirtschaftlicher Literatur in Deutschland, gestorben 1876 in Dortmund. Eine ganze Wirtschafts- und Kulturgeschichte verbindet sich mit der Erinnerung an Frau Davidis und ihr Rezept für die Zubereitung eines Schweinskopfes.

Es geht nicht nur um die Geschichte der Schlotbarone und Dienstmädchen, der Zechen, Stahlwerke, Walzwerke und Formereien, die mittlerweile einer grünen Kulturlandschaft gewichen sind, es geht auch um die aktuellen Orte: die traditionellen Buden, jene kleinen Lädchen, in denen die Erwachsenen Bier, die Kinder Lutscher und Brause holen. Wichtiger als die Kirche im Ort war die Bude an der Ecke, und sie ist es noch immer.

21 Porträts enden in einer Anstiftung zur Reise in die "Metropole Ruhr", und man denkt: Das lohnt sich!


Fritz J.Raddatz: Nizza - mon amour
Arche Verlag

Ist es Nizza – ist es Raddatz? Die Adjektive schäumen vor Begeisterung. "Groß" ist sie, "staunens- wie bewundernswert". Nizza die "Perle". "Charmant" ist die Stadt und "herrlich" das Umland, und das Schmetterlingsmuseum naturgemäß "entzückend". Nach eineinhalb Seiten Zuckerguss ist man froh, wenn eine Weinpresse ganz schlicht nur "hölzern" ist. Fritz J. Raddatz schreibt über Nizza, das eine Frau ist und wie man hört, erstaunlich. Dennoch hat man im Verlauf der Lektüre immer mehr das Gefühl, dass die Schönheiten im Umland zu finden sind und zwar meist in Museen oder Restaurants unterschiedlicher, in der Regel hochpreisiger Provenienz.

Nizza selbst dagegen: die Strände steinig und unbegehbar, die Promenade laut wie eine Autobahn, die protzigen Hotels geschmacklos und bombastisch. Der Friedhof kommt vergleichsweise gut weg. Raddatz ist der belesene Raddatz, also gehen wir zurück in die Dreißigerjahre, als die Cote d’Azur zur kurzzeitigen Fluchtburg deutscher Literaten-Emigranten wurde. Leider beschert uns Raddatz’ Belesenheit auch manch gequälte Überleitung, wenn er vom Reichtum auf Brecht kommt: das liegt nahe!

Das Buch ist wie die Cote - manchmal hübsch, manchmal schlampig, manchmal schnoddrig, und oft etwas aufgeblasen.


Jörg Bertram/Alexander Haiden: Hotels mit Meerblick
Knesebeck Verlag

50 Prozent der Deutschen werden in diesem Jahr in den Urlaub fahren. Sie werden im Durchschnitt zehn Tage unterwegs sein und wie vor fünf Jahren 1038 Euro ausgeben. Die meisten werden sich nicht die Hotels leisten können, die in diesem Band vorgestellt werden. Wir nehmen das Buch also nicht als Prospekt für künftige Touren, sondern als das, was es ist: als Wirklichkeitsersatz.

Das "Normandy Barrière" zum Beispiel: Wenn einer Statusprobleme hätte oder mit dem Übermaß seines Einkommens nicht zurecht käme, dann wäre das Barriére eine gute Wahl - egal, wie größenwahnsinnig einer ist. Das Dekor wird ihn erschlagen. Noch von den Fotos der Stofftapete bekommt man einen Hustenreiz. Schöner ist da schon das "Pastis" in St. Tropez.

Es ist klein, hell und hat eine englische Geschichte: Oft sind es Ausländer, die sich mit ihrem Designhotel einen Lebenstraum erfüllen – und diese Träume reicht das Buch an seine Leser weiter. Wer depressiv gestimmt ist, wird sich in den Bildern des "Hotel Claude" in Marbella verlieren. Ein Luxustempel in Schwarz. Rational gestimmte Romantiker wünschen sich in das venezianische "Ca’Pisani". Glas, Edelstahl, warme dunkle Hölzer. Es ist diese elegante James-Bond-Qualität, die den meisten der 29 Häuser eigen ist.

Wir, aus der Gruppe der 50-Prozent, die zu Hause bleiben, verschafft dieser Band einen preiswerten, edlen, genussreichen Urlaub.