Kurz und kritisch

Mit scharfem theologischen Verstand

Dietrich Bonhoeffer
Dietrich Bonhoeffer © dpa / picture alliance
Von Ernst Rommeney · 03.04.2015
Charles Marsh porträtiert Dietrich Bonhoeffer, einen deutschen Theologen und NS-Widerstandskämpfer. Er verfolgte Bonhoeffers Spuren in Berlin und durch Europa. Und Heinz-Werner Kubitza legt dar, warum Theologie keine Wissenschaft ist und rechnet mit den Religionsgelehrten von einst und heute ab - beide Bücher kurz & kritisch rezensiert.
Die Judenfrage hat Dietrich Bonhoeffer gefordert, seinen politischen und theologischen Verstand geschärft. Sie ließ ihn misstrauisch auf Distanz gehen, erst zu einer evangelischen Kirche, die sich als nationalsozialistische Volkskirche deutscher Christen selbst aufgab, dann auch zu einer oppositionellen Bekennenden Kirche, die er mitgründete, die sich aber ob ihrer Halbherzigkeit allmählich auflöste. Weshalb er sich schließlich - außerhalb der Kirche - dem Widerstand gegen das Dritte Reich anschloss.
Charles Marsh erzählt von einem jungen Theologen, dessen Solidarität frühzeitig hellwach war, als mit Hilfe des Arier-Paragraphen jüdische Christen ausgegrenzt wurden. Von einem Mann, der ansonsten auf der Suche war, von gutbetuchtem Elternhaus her konservativ eingestellt, im Streit um eine liberale Theologie eher hin und her gerissen, sehr intelligent, aber auch wenig bescheiden.
Tief beeindruckt von der kraftvollen Spiritualität
Marsh beschreibt eine 1,87 Meter große Erscheinung mit breiten Schultern, athletischem Körper und der Gesichtsfarbe eines Skilehrers, der sich wie ein Bonvivant kleidete. Und dann reiste er ins Ausland, wechselte dadurch die Sichtweise von einer nationalen in eine weltweit-ökumenische.
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Charles Marsh: Dietrich Bonhoeffer. Der verklärte Fremde© Promo
Bonhoeffers Biograph ist amerikanischer Professor an der Universität von Virginia. Dorthin, in die USA, war auch Dietrich Bonhoeffer als Stipendiat eingeladen. Einerseits empfand er die wissenschaftlichen Methoden seiner New Yorker Kollegen als oberflächlich. Andererseits ließ er sich tief beeindrucken von der kraftvollen Spiritualität schwarzer und sozialengagierter Kirchengemeinden.
Nach dieser Erfahrung entschied er sich, neben akademischen Aufgaben stets immer auch pastorale zu übernehmen. Und weil Charles Marsh den Austausch von wissenschaftlichem Denken mit religiöser Praxis erforscht, interessierte ihn seinerseits das Erbe Bonhoeffers. So verfolgte er dessen Spuren in Berlin und durch Europa. Entsprechend soll diese Biographie jetzt die Gesamtausgabe der Schriften Bonhoeffers ergänzen.

Dietrich Bonhoeffer. Eine Biografie von Charles Marsh über den verklärten Fremden
Gütersloher Verlagshaus
592 Seiten, 29,99 Euro

Er spricht der Theologie ab, eine Wissenschaft zu sein. Zur Welterklärung habe sie bis heute keinen Beitrag geleistet. Mittlerweile sei das "Alte Testament" von der Archäologie und das "Neue Testament" von der historisch-kritischen Forschung demontiert worden. Es fehlte noch, das Außerirdische auf der Erde erscheinen würden, dann wäre die Zunft mit ihrem Latein restlos am Ende.
Heinz-Werner Kubitza ist seit 20 Jahren Verleger, aber sein Studienfach lässt ihn nicht los. Lediglich vom christlichen Gottesbild hat er sich verabschiedet. Ihm ist unverständlich, wie Jahwe, wie ein unbedeutender Kriegs- und Wettergott aus der Provinz des Alten Orients, zur allwissenden, allmächtigen, einzig wahren Gottheit hochgeschrieben werden konnte.
Warum Theologie keine Wissenschaft sein kann
Ein Gott, der in 3000 Jahren nichts von dem gehalten habe, was er den Menschen versprach, der sich zudem widersprüchlich und ethisch fragwürdig äußere, der es nicht einmal fertiggebracht habe, sich so eindeutig zu offenbaren, dass an seiner Existenz nicht zu zweifeln sei.
Heinz-Werner Kubitza: Der Dogmenwahn. Scheinprobleme der Theologie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft
Heinz-Werner Kubitza: Der Dogmenwahn. Scheinprobleme der Theologie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft © Promo
Genau genommen kritisiert er nicht Gott, auch nicht, dass die Götterwelt in den Erzählungen der Menschen ein lohnender Forschungsgegenstand sein könnte. Nein, er hat ausschließlich die Religionsgelehrten von einst und heute im Visier, die den Gott Abrahams erfunden und überliefert hätten.
Theologie könne keine Wissenschaft sein, weil sie lediglich felsenfest glaube, dass der Gegenstand ihrer Forschung existiere, dies aber nicht beweise, ja nicht einmal dem "Phänomen Gott" in aller Breite verpflichtet sei wie die Philosophen, sondern sich je nach Glaubensrichtung in viele religiös abhängige Spezialdisziplinen aufspalte.

Der Dogmenwahn. Heinz-Werner Kubitza über Scheinprobleme der Theologie. Holzwege einer angemaßten Wissenschaft
Tectum Verlag Marburg
400 Seiten, 19,95 Euro.

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