Kurt Beck

Über die Vorzüge, Ex-Politiker zu sein

Kurt Beck, Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung
Kurt Beck trat 2013 von seinem Amt als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident zurück. © imago stock&people / Michael Gottschalk
Kurt Beck im Gespräch mit Ulrike Timm · 10.11.2017
Kurt Beck war Ministerpräsident und SPD-Parteichef. Er gilt als Prototyp des volksnahen Politikers. Ihm gelang, was kaum einmal gelingt – als Regierungschef geordnet abzutreten. Heute ist er Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.
Wenn mit leichter Süffisanz behauptet wird, Kurt Beck habe wahrscheinlich jedem Menschen in Rheinland-Pfalz irgendwann einmal die Hand geschüttelt, dann zeigt das auch, wie selten der volksnahe Politikertyp à la Beck geworden ist. Aus einer Arbeiterfamilie stammend, absolvierte der heute 68-Jährige zunächst eine Ausbildung zum Elektromechaniker und arbeitete anschließend als Funkelektroniker. Aus dieser Zeit sei ihm "eine Verbindung zu den Menschen" geblieben, sagt Kurt Beck. Sein beruflicher Werdegang ermöglichte es ihm, später im Berliner Politikbetrieb darauf aufmerksam zu machen, dass ein Dachdecker mit 67 aus rein körperlichen Gründen nicht mehr arbeiten könne.
"Wenn man mal Akkord gearbeitet hat. Wenn man weiß, was es bedeutet, den ganzen Tag konzentriert zu arbeiten, weil man nur dann die Normen erfüllt und einen anständigen Lohn nachhause bringt (…), dann entwickelt man auch die Verantwortung dafür zu gucken: Wie geht es denn denen? Wie kommen sie über die Runden? Paar Kinder, die in die Ausbildung sollen, Häuschen gebaut, eine Wohnung kostet viel – und da versucht man dann eben auch, Antworten zu finden, die systematisch Verbesserungen für die Leute bedeuten."
Er selbst holte neben seiner Arbeit in der Abendschule die mittlere Reife nach und gelangte über Gewerkschaftsarbeit in die Politik. Ein Schlüsselerlebnis für sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, das ihn schließlich auf diesen Weg brachte, sei sicherlich die Ausgrenzung gewesen, die ihm als Kind aufgrund einer schweren Neurodermitis in seinem Heimatdorf widerfahren sei.
"Das Ausgrenzen bestand beispielsweise darin, dass – es war ein ganz katholisches Dorf – alle Jungs Messdiener waren. Alles, was in der Freizeit außerhalb der Schule stattfand, lief über die Messdiener. Vom Fußballspielen über Freizeiten und was es da gab. Und da war ich der einzige Junge, der nicht mitmachen durfte, weil er eben nicht dabei war, weil sich Eltern beschwert hatten, durch meine Hautkrankheit könnte das übertragen werden. Inhaltlich war das dummes Zeug, aber es war so, und da fühlt man sich schon sehr ausgegrenzt und man ist es auch de facto. Und da hat sich bei mir, glaube ich, so ein entschlossener Wille zu mehr Gerechtigkeit entwickelt."
Dieser Wille prägt den Politiker bis heute. Neunzehn Jahre lang war Kurt Beck Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und von 2006 bis 2008 Bundesvorsitzender der SPD. Eine Arbeit, die zuweilen auch an den Nerven zehrte, für ihn im Rückblick aber immer die richtige war.
"Es gibt natürlich immer Momente, in denen man sagt: Jetzt bin ich kaputt, ich will einfach nicht mehr. Aber das ist dann nach einem seelischen Durchschnaufen wieder vorbei. Dann weiß man, man hat Verantwortung. Und im Grunde nach hat es mir immer Freude gemacht. Die Leute sagen immer: Hast du Spaß gehabt? Und ich sage dann, Spaß habe ich an Fastnacht gehabt. Aber Freude! Und Freude ist eben mehr als so etwas Vordergründiges, und das trägt auch über die Tiefen und Täler, die man durchschreiten muss, mit."
Eines der tiefsten Täler seiner politischen Laufbahn war wohl der unfreiwillige Rücktritt als Bundesparteivorsitzender der SPD im Herbst 2008. "Für mich persönlich war dieser Rücktritt sicherlich ein ganz, ganz tiefer Einschnitt, weil ich zutiefst geprägt bin von sozialdemokratischen Ideen. Und wenn man dann an der Spitze steht und eine solche Niederlage erlebt, dann ist das schon tief einschneidend."
Heute, sagt Kurt Beck, blickt er ohne Groll zurück. Nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz vor knapp fünf Jahren, befindet er sich im Unruhestand. Er ist Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, in zwanzig Gremien ehrenamtlich tätig, außerdem kümmert er sich im Namen der Bundesregierung um die Opfer des Anschlags vom Berliner Breitscheidplatz.
Über die Vorzüge, die das Ende der aktiven Politikerlaufbahn mit sich bringt, über Ausgrenzung in der Kindheit und was Berlin von der rheinland-pfälzischen Provinz lernen kann – darüber hat Ulrike Timm mit Kurt Beck gesprochen.
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