Kurdische Künstler

Im Widerstand gegen die türkische Regierung

Ein kurdischer Protestierender in Diyarbakir in der Türkei.
Ein kurdischer Demonstrant in Diyarbakir: Die türkische Regierung missbrauche die Kurdenfrage, sagt der Künstler Mahmut Çelayır © Sedat Suna, dpa picture-alliance
Von Sabine Küper-Busch · 29.03.2016
Die Türkei stellt sich international als Terror-Opfer dar: Künstler und Journalisten des Landes beklagen diese Propaganda-Politik der AKP-Regierung. Kurdische Kulturschaffende sehen den Staat als mitverantwortlich für Mord, Totschlag und Sklavenhandel.
Spuren auf den Steinen oder Land des Schweigens. So nennt Mahmut Çelayır seine Bilder. Der Maler beschäftigt sich intensiv mit seiner Heimat. Er wuchs in den Bergen von Bingöl in einem kurdischen Dorf in Ostanatoliens auf. Durch eine energische Pinselführung entstehen abstrakte, kraftvolle Bilder. Gleichzeitig fließen viele Emotionen auf die Leinwand.
"Mein Thema war immer Landschaften und meine Heimat. Es geht um Identität, also künstlerische Identität. Existenzraum, als symbolischen Raum in dem ich meine Motive sammle und was sagen kann in künstlerischer Form. Ich male Landschaften, aber die sind klar politisch. Meine Malerei wird jedes Jahr noch schwärzer: mehr Kontrast und aggressiver, um meiner Wut Ausdruck zu verleihen."

Polizeikontrollen und Vernehmungen

Der kurdisch-deutsche Künstler zog in den 80er Jahren nach Deutschland. Doch jeden Sommer fuhr er in sein Dorf, um zu malen. Vor sechs Jahren kehrte er in die Türkei zurück. Heute lebt er in Istanbul. Die Wut, die Mahmut Çelayırs Bilder so ausdrucksvoll machen, wird vor allem durch die schwierige politische Situation genährt?
"In den 90er-Jahren war es ganz schlimm. Wenn jemand von außen kommt, oder anders ist, dann ist man für die Polizei und das Militär dort eine potentielle Gefahr. Sie hätten gehört es gibt einen Mann, der Mahmut Çelayır heißt, der auf den Berg geht und Fotos macht. Er komme aus Deutschland um Fotos für die PKK zu sammeln und geht dann wieder."
Polizeikontrollen und Vernehmungen gehörten in den 90er-Jahren zum Alltag in den Kurdengebieten. Fast drei Jahre lang führte die türkische Regierung ab 2013 Friedensgespräche mit der PKK. Mahmut Çelayır atmete auf. Endlich konnte er ungestört malen. Vergangenes Jahr, als die pro-kurdische Partei bei den Parlamentswahlen plötzlich auch in der Westtürkei viele Stimmen bekam, brach die türkische Regierung die Verhandlungen ab. Präsident Erdoğan schimpfte die kurdischen Abgeordneten Unterstützer des Terrors. Für Mahmut Çelayır ist das Augenwischerei:
"Ich denke, da gibt es eine absichtliche Linie der Türkei, die versuchen immer die Kurden mit den anderen Terroristen gleichzusetzen. Die PKK hat viele Fehler gemacht, das ist eine andere Sache. Aber normalerweise hat die PKK nie direkt zivilistische terroristische Anschläge verübt."

Die Türkei als Mitverursacher

Ortswechsel nach Gaziantep. Das liegt 20 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Die Stadt liegt im direkten Einzugsgebiet der Kämpfe im Nachbarland. Und obwohl kaum Kurden hier leben, solidarisieren sich viele Oppositionelle entschieden mit ihnen. Die Autorin Fatma Keskintimur arbeitet in der Frauenbewegung. Für sie ist die Türkei ganz klar ein zentraler Mitverursacher der Gewalteskalation:
"Drei kurdische Politikerinnen wurden im Krisengebiet Cizre getötet. Das waren Kurdinnen aus der Frauenbewegung. Damit wurde signalisiert, das passiert, wenn ihr Euch politisch engagiert. In diesem Krieg wird der nackte Körper von ermordeten Frauen ausgestellt. Über die nackten Körper der Frauen demonstrieren die Männer die Wiederherstellung ihrer Macht."
Im Internet kursieren Bilder von verstümmelten Frauenkörpern getöteter PKK-Kämpferinnen. Wo sie getötet wurden, ob in der Türkei oder in Syrien, ist oft nicht ersichtlich. Diese Bilder können aber nur die Täter gemacht haben. Für Fatma Keskintimur besteht kein Zweifel daran, wer dahintersteckt:
"All das sind nicht die Taten von ein paar versprengten Perversen, sondern eine systematische Tendenz. In den Kurdengebieten ist das alles brutaler und was da passiert, wird von Leuten, die den Staat repräsentieren, gemacht. Das sind Polizisten und Soldaten."

Auf der Spur von Menschenhändlern in Syrien

Fatma Keskintimur reiste als erste Journalistin nach Syrien, um nachzuweisen, dass auf türkischem Bodern ein Büro existiert, das vom Islamischen Staat geraubte Jesidinnen an ihre Familien zurückverkauft und damit Rendite macht. Ein ARD-Fernsehteam berichtete ebenfalls darüber. Die Menschenhändler wurden daraufhin festgenommen, doch bestraft wurden sie nicht:
"In Antep wurden gegen Sklavenhändler juristische Schritte eingeleitet. Die lokalen Frauenverbände haben sich dafür eingesetzt, die Anwaltskammer nahm sich der Thematik an. Sie haben gefordert, dass das Büro, das mit Jesidinnen handelt, geschlossen und die Hintergründe ermittelt werden. Weiterhin, dass alle involvierten polizeilichen Kräfte wegen Vernachlässigung der Amtspflicht angeklagt werden müssen. Es wurde ein Verfahren eröffnet, der Ort wurde geschlossen, sieben Leute wurden festgenommen. Innerhalb von 15 Tagen wurden sie allerdings freigesprochen."
Die Türkei ist derzeit massiv von Terroranschlägen betroffen. Am meisten treffen diese momentan allerdings die Opposition, wie die prokurdische Partei HDP. Der türkische Staat versucht gerade, sie juristisch verbieten zu lassen. Für Mahmut Çelayır benutzt die türkische Regierung die Kurdenfrage zum eigenen Machterhalt.
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