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Pro-Erdogan-Demo in Köln
"Auch Erdogan-Befürworter dürfen ihre Meinung kundtun"

Am Sonntag wollen in Köln Tausende Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan demonstrieren. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), hat ihr Recht darauf grundsätzlich verteidigt. Auch die DiTiB, der türkisch geprägte größte Islamverband in Deutschland, habe ein Recht auf Meinungsäußerung.

Stephan Mayer im Gespräch mit Christoph Heinemann | 29.07.2016
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    2014 holte die UETD Erdogan nach Köln - Tausende Fans kamen. Mit Blick auf die Kundgebung am Sonntag verteidigte der CSU-Politiker Mayer im DLF das Demonstrationsrecht von Erdogan-Anhängern in Deutschland. (dpa/ Oliver Berg)
    "Wir haben in Deutschland ein sehr hochstehendes Demonstrations- und Meinungsfreiheitsrecht", sagte der CSU-Politiker im DLF. Deswegen dürften auch die Erdogan-Befürworter ihre Meinung zum Ausdruck bringen, solange sie sich an die Gepflogenheiten und das Demonstrationsrecht in Deutschland hielten. Es ändere nichts dann, wenn uns das, was an Sympathie bekundet werde, hierzulande missfalle. Allerdings müsse man den Demonstranten und Initiatoren der Kölner Demonstration klar zum Ausdruck bringen, dass sie es unterlassen müssten, die Erdogan-Gegner zu provozieren. Denn: "Es ist nicht hinnehmbar, dass wir innenpolitische Konflikte aus der Türkei nach Deutschland importieren." Morddrohungen gegen türkischstämmige Bundestagsabgeordnete seien allerdings in keiner Weise akzeptabal, betonte Mayer.
    Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte jüngst, wer den größten Islamverband in Deutschland, die aus Ankara maßgeblich beeinflusste DiTiB mit Hauptsitz in Köln, in die deutsche Schulen lasse, lasse Erdogan in die Klassenzimmer. Dem stimmte der CSU-Politiker Mayer zwar zu: Es sei schwer verdaulich, dass die türkische Religionsbehörde Ditib Imame nach Deutschland entsende, die einen klaren Auftrag in Bezug auf ihre Predigten hätten. Aber hier gelte ebenfalls: Man müsse sich damit auseinandersetzen, dass es in Deutschland Meinungsfreiheit gebe.

    Das Interview in vollständiger Länge:
    Christoph Heinemann: Wir schaffen das, historische Bewährungsaufgabe, in den letzten elf Monaten wurde bereits sehr viel geschafft – das sagte die Kanzlerin gestern zu ihrer Migrationspolitik. Die war vor einem Jahr deutlich weniger umstritten als eine Silvesternacht und mindestens zwei Terrorangriffe später. Angela Merkel weiß, dass dieses "Wir schaffen das!" auf Teile der Bevölkerung, auch auf Teile der Union wie ein rotes Tuch wirkt.
    Und am Telefon ist Stephan Mayer, CSU, der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Guten Morgen!
    Stephan Mayer: Einen schönen guten Morgen, Herr Heinemann, guten Morgen!
    Heinemann: Herr Mayer, wir haben viel geschafft und sie sei überzeugt davon, wir schaffen es, das hat die Kanzlerin – wir haben es gerade noch mal gehört – gestern gesagt. Reicht das?
    Mayer: Ja, aus meiner Sicht war die Aussage authentisch, weil die Kanzlerin doch, finde ich, sehr glaubhaft zum Ausdruck gebracht hat, dass wir wirklich schon viel geschafft haben, aber dass auch noch sehr viel an Herausforderung vor uns liegt. Und dass die Bewältigung dieser epochalen Herausforderung der Flüchtlingskrise nicht einfach ist, das hat sie auch sehr deutlich dargestellt. Und vor dem Hintergrund war dies aus meiner Sicht gestern eine sehr authentische, aber letzten Endes auch eine sehr glaubwürdige Pressekonferenz.
    Heinemann: Eine andere Schlussfolgerung zieht der CDU-Innenexperte Armin Schuster: Er fordert eine Abschiedskultur. Wie passt das zu "Wir schaffen das!"?
    Mayer: Ja, das eine schließt das andere nicht aus. Wir müssen natürlich effektiver die Personen abschieben, die kein Bleiberecht haben, da hat der Kollege Armin Schuster recht. Wir müssen noch mehr dafür tun, dass wir die Kapazitäten freihalten für die Personen, die wirklich schutzbedürftig sind, und einfach konsequenter und effektiver die Personen außer Landes bringen, die kein Recht auf Verbleib in unserem Land haben.
    Heinemann: Wie denn?
    Mayer: Na ja, wir haben schon einiges gemacht. Wir haben im Asylpaket II die Hürden deutlich gesenkt, insbesondere bei den Personen, die vorgeben, aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben werden zu können.
    Es bedarf in Zukunft einer substanziierten Begründung, wenn die Reiseunfähigkeit aufgrund gesundheitlicher Erwägungen festgestellt wird, es reicht nicht mehr, lapidar festzustellen, dass jemand aufgrund einer Traumatisierung reiseunfähig ist. Es reicht auch nicht mehr der Verweis darauf, dass im Heimatland nicht die gleichen gesundheitlichen Versorgungsstrukturen vorherrschen wie in Deutschland. Also, wir haben hier schon einiges getan in den letzten Monaten, aber wir müssen uns gerade auch im Lichte der aktuellen Anschläge aus meiner Sicht auch das Ausweisungsrecht und das Abschieberecht noch mal intensiv vornehmen und darauf hin prüfen, ob es nicht an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungsbedarf gibt.
    Heinemann: Bisher hat das nicht geklappt, warum sollte das jetzt funktionieren?
    Mayer: Ja, weil natürlich die Notlage jetzt sehr groß ist. Wir sehen natürlich, dass Personen bei uns sind wie bei dem Ansbacher Selbstmordattentäter, die an sich Deutschland verlassen müssten, die auch aufgefordert werden, Deutschland zu verlassen, aber aus unterschiedlichen Gründen – beispielsweise wie bei dem Ansbacher Selbstmordattentäter – aus vorgegebenen gesundheitlichen Erwägungen dann doch in Deutschland verbleiben. Und hier muss einfach in Zukunft noch konsequenter und effektiver vorgegangen werden.
    Heinemann: Auch in Bayern.
    Mayer: Auch in Bayern, da nehme ich kein Bundesland aus. Also, auch in Bayern, was die Abschiebungen anbelangend an der Spitze der 16 Bundesländer stand im vergangenen Jahr, dann kann hier jedes Bundesland noch besser werden.
    "Das ist eine rein populistische und wirklich verwerfliche Forderung"
    Heinemann: Herr Mayer, die AfD fordert, Einwanderung für Moslems zu stoppen beziehungsweise die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Sollten weniger Menschen mit islamischem Hintergrund nach Deutschland gelangen?
    Mayer: Ja, das ist natürlich eine rein populistische und aus meiner Sicht auch deshalb wirklich verwerfliche Forderung. Der Herr Gauland, der diese Forderung aufgestellt hat, weiß ja auch ganz genau, auch selbst als Jurist, dass er diese Forderung nie in die Realität umsetzen könnte. Und umso bedenklicher ist natürlich diese Forderung. Also, wir müssen natürlich konsequenter werden, wenn es darum geht, die Personen außer Landes zu bringen, die kein Bleiberecht haben, wir müssen noch intensiver die Personen kontrollieren und registrieren, die zu uns kommen.
    Aber so eine pauschale Forderung aufzustellen, dass Muslimen generell der Zugang nach Deutschland verwehrt wird oder dass muslimische Flüchtlinge kein Asylrecht mehr bekommen, das halte ich wirklich für unbotmäßig, das ist in keiner Weise verfassungsrechtlich möglich und auch nicht europarechtlich darstellbar.
    Heinemann: Aber verunsichert die weitere Zuwanderung von islamisch geprägten Menschen die Bürgerinnen und Bürger nicht?
    Mayer: Also, zum einen muss man feststellen, die Bürger sind verunsichert, natürlich, die Bürger haben insbesondere aufgrund der jüngsten Anschlagserie eine hohe Nervosität und sie zweifeln natürlich auch daran, dass der Staat überhaupt in der Lage ist, Sicherheit zu gewährleisten. Aber davon abgesehen muss man natürlich auch deutlich differenzieren zwischen den Personen, die schon bei uns sind und die jetzt neu zu uns kommen.
    Der Flüchtlingszustrom ist relativ gering, es kommen täglich zwischen 100 und 200 Personen zu uns, und auch die Attentäter jetzt der letzten Woche oder der letzten zwölf Tage waren Personen, die schon seit Langem sich bei uns aufgehalten haben, die also nicht erst im Zuge des großen Flüchtlingsstroms von September an zu uns kamen, sondern die sich schon wesentlich länger in unserem Land aufgehalten haben. Und hier muss einfach in Zukunft noch konsequenter vorgegangen werden, wenn es darum geht, die Personen, die kein Bleiberecht haben, außer Landes zu bringen beziehungsweise die Personen auch entsprechend zu registrieren, die schon bei uns sind. Also, jetzt die Anschlagsserie in unmittelbaren Zusammenhang zu stellen zu der aktuellen Flüchtlingskrise, ist natürlich auch etwas differenzierter zu betrachten.
    Heinemann: Herr Mayer, in der Türkei schafft Erdogan gerade den demokratischen Rechtsstaat ab. Am Wochenende wollen Befürworter dieser Demontage in Köln demonstrieren, mutige deutsche Bundestagsabgeordnete türkischer Herkunft werden von einem türkischen Mob an Leib und Leben gedroht. Ist in Deutschland Platz für Erdogans Unterstützer?
    Mayer: Also, in Deutschland ist Platz für jeden, der bereit ist, seine Meinung friedlich und ohne Waffen kundzutun. Und deshalb dürfen natürlich auch Erdogan-Befürworter – ob es uns jetzt im Einzelnen recht ist oder nicht – ihre Meinung zum Besten tragen. Und die Morddrohungen, die es gegenüber türkischstämmigen Bundestagskollegen gab, die sind in keiner Weise akzeptabel, um das hier auch ganz deutlich zu sagen, das ist schon auch ein besonderes Kapitel auch des Parlamentarismus, dass mittlerweile wieder deutsche Abgeordnete sich Morddrohungen ausgesetzt sehen aufgrund ihres Abstimmungsverhaltens im Deutschen Bundestag. Das ist wirklich in keiner Weise hinnehmbar.
    Gleichwohl ist es so, dass wir in Deutschland ein sehr hoch stehendes Demonstrations- und Meinungsfreiheitsrecht haben, deswegen steht vom Grundsatz her auch dieser Demonstration von Erdogan-Befürwortern nichts entgegen. Ich möchte nur klar zum Ausdruck bringen: Aus meiner Sicht müssen diese Demonstranten sich an die Gepflogenheiten in Deutschland halten, vor allem auch an den Rechtsstaat halten, sprich ihre Demonstration friedlich und ohne Waffen abhalten, und aus meiner Sicht folglich ...
    "Es wäre rechtlich nicht haltbar, diese Demonstration per se im Vorfeld zu verbieten"
    Heinemann: Auch wenn sie quasi als Feinde der Demokratie demonstrieren oder eben dem Beifall spenden, diesem Abbau des Rechtsstaats?
    Mayer: Ja, also, wie gesagt, das mag uns im Einzelnen alles missfallen, was da an Sympathie und an Unterstützung zum Ausdruck gebracht wird. Aber es wäre aus meiner Sicht rechtlich nicht haltbar, diese Demonstration per se im Vorfeld zu verbieten.
    Wichtig ist aus meiner Sicht nur, dass man den Demonstranten und vor allem den Initiatoren der Versammlung, der Demonstration in Köln auch deutlich gegenüber zum Ausdruck bringt, dass sie es wirklich unterlassen sollten, die Erdogan-Gegner zu provozieren, weil natürlich eines nicht hinnehmbar ist: dass wir die innenpolitischen Spannungen, die innenpolitischen Konflikte, die es derzeit offenkundig in der Türkei gibt, nach Deutschland importieren.
    Heinemann: Und die gibt es ja sogar in Form von einer Behörde: Wieso darf Erdogans Religionsbehörde DiTiB in Deutschland offiziell arbeiten?
    Mayer: Ja, das ist natürlich schwer verdaulich, dass DiTiB, also eine staatliche Kulturorganisation Imame nach Deutschland entsendet, die auch den klaren Auftrag haben, was ihre Predigten in den Moscheen in Deutschland anbelangt. Man muss ehrlicherweise dazu sagen, dass sich DiTiB bislang, was die Radikalisierung anbelangt, noch relativ oder sehr stark zurückgehalten hat, also ...
    Heinemann: Also, Cem Özdemir sagt: Wer DiTiB in die Schulen lässt, lässt Erdogan in die Schulen.
    Mayer: Ja, dem ist aus meiner Sicht gar nichts entgegenzuhalten. DiTiB ist eine Organisation, die sehr stark von der AKP-Regierung und damit natürlich auch vom türkischen Präsidenten Erdogan abhängig ist. Das ist natürlich auch kritisch zu sehen. Aber wir müssen uns einfach auch damit auseinandersetzen, dass wir eine Meinungsfreiheit haben in Deutschland, die auch zum Inhalt hat, dass Meinungen zum Besten gegeben werden, die nicht unbedingt dem entsprechen, was an freiheitlich-demokratischer Grundordnung in Deutschland vom Grundsatz her zum Ausdruck gebracht wird.
    Ich möchte gar nicht die entscheidende Kritik an DiTiB äußern. Aus meiner Sicht gibt es Imame, die wesentlich verwerflicher, wesentlich hasserfüllter in Deutschland predigen, die jetzt nichts mit DiTiB zu tun haben, sondern die in irgendwelchen Hinterhofmoscheen predigen, weit entfernt von DiTiB, und über die Ungläubigen und über die Christen ganz anders wettern als die Imame, die von DiTiB gesandt werden.
    Heinemann: Stephan Mayer, CSU, innenpolitischer Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Mayer: Bitte schön, alles Gute, Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.