Kunstvermarktung als Familientradition

Von Anne Kretzschmar · 17.04.2007
An keinem anderen Ort der Welt gibt es so viele Galerien wie in Berlin, schrieb kürzlich der "Spiegel" - 400 sollen es sein. Da ist es nicht leicht, sich zu profilieren. Lena Brüning hat das mit ihrer Galerie geschafft. In nur anderthalb Jahren hat sie sich in Berlin etabliert. Und konnte schon im letzten Jahr die Aufmerksamkeit der Kritiker auf der Art Cologne auf sich ziehen.
"Ja, das ist wirklich mein Traumberuf und ich glaub, das bisschen Erfolg, das ich jetzt schon hatte, hat das auch wirklich bestätigt, dass ich das auch gut machen kann."

Lena Brüning ist überzeugt von ihrem Beruf; voll Selbstvertrauen sitzt sie zufrieden hinter der großen Schreibtischplatte im Hinterzimmer ihrer kleinen Galerie. Unweit vom Künstlerviertel um den Rosa-Luxemburg Platz hat sie hier vor anderthalb Jahren ihre Galerie eröffnet. Und inzwischen präsentiert sie ihre 11. Ausstellung. Die Kritiker loben, die Sammler kaufen - die 26-Jährige ist auf Erfolgskurs. Das Rezept?

"Ich hab bis jetzt eigentlich immer Glück gehabt und kann jetzt nur sagen, dass anscheinend meine Intuition mit dem Verkaufspotential übereinstimmt, meistens."

Das richtige Gespür für Erfolg versprechende Künstler hatte schon Lena Brünings Großvater Alfred Schmela. Der berühmte Galerist aus Düsseldorf hat in den 60er Jahren unter anderem Joseph Beuys entdeckt.

Alfred Schmela stirbt 1980, da ist Lena Brüning gerade zwei Monate alt. Ihre Mutter übernimmt die Galerie in Düsseldorf. Als für Lena Brüning aber die Berufswahl ansteht, hat sie mit der Familientradition nichts im Sinn. Sie beginnt ein Literaturstudium in ihrer Heimatstadt. Aber schon nach wenigen Semestern interessiert sie sich doch für bildende Kunst.

"Ich hab mich dann plötzlich auf Künstlerpartys wieder getroffen, hatte einen Freund, der Student an der Künstlerakademie war."

Obwohl sie mit Künstlern befreundet ist und selbst auch gerne zeichnet, sucht Lena Brüning den Zugang zur Kunst aus einer anderen Perspektive.

"Ich hab auch sehr schnell gemerkt, dass ich eher in der Position des Kritikers, des Betrachters, dass da meine Stärken viel mehr liegen als in der eigenen Produktivität. Aber ich hab immer sehr viel Spaß daran gehabt, an der Produktivität von anderen teilzunehmen."

Ihr neuer Berufswunsch: Galeristin. Die Tradition hat gesiegt. Lena Brüning beendet zwar ihr literaturwissenschaftliches Studium, macht aber Praktika in der Düsseldorfer Kunsthalle, einer Pariser Galerie und reist viel.

"Ich war dann in Venedig zur Biennale, in Miami, bin nach New York gefahren. Und dann bin ich nach dem Studium eben nach Berlin gezogen, habe eine zeitlang in der Galerie Nagel gearbeitet, und hab dann gemerkt, dass es mir wirklich so viel Spaß macht, wie ich gehofft hatte, und ich hab dann in der Nähe der Volksbühne Räume gefunden, und bin einfach ins kalte Wasser gesprungen."

Ganz eiskalt war das Wasser allerdings nicht, in das Lena Brüning mit 25 Jahren gesprungen ist. Denn die finanzielle und emotionale Unterstützung ihrer Düsseldorfer Galeristenfamilie ist ihr sicher.

Aber Berlin tickt anders als das Rheinland - und so sammelt sie ihre eigenen Erfahrungen.

"Am Wichtigsten ist, sich nicht verbiegen zu lassen. Dann wird man sich auf jeden Fall von den anderen unterscheiden schon dadurch, dass man auch 'ne andere Persönlichkeit ist."

Schwarzer Blazer, Jeans und schwarze Absatzschuhe, die brünetten langen Haare offen, die Augen neugierig - mit ihren 26 Jahren wirkt Lena Brüning seriös und zielstrebig - und passt in das Ambiente ihrer Galerie, das schon eher arriviert als alternativ anmutet. Derzeit hängen in den 55m² Ausstellungsfläche, ganz klassisch, an den weißen Wänden in weißen Rahmen Fotografien von Albrecht Fuchs: Er hat Künstler verschiedener Nationalitäten und Altersgruppen portraitiert.

"Besonders schön finde ich an der Ausstellung, dass sie so ein Spiegel ist von der Kunstszene heute, was hier so passiert, wer die Akteure sind, die eben nicht nur den Albrecht Fuchs interessieren, sondern allgemein die Kunstszene interessieren."

Die Kunstszene, von der Lena Brüning spricht, ist jung: ihre Künstler sind fast alle kaum älter als sie selbst. Die Arbeiten reichen von Ellipsen aus Rundrohrstahl über vergoldete Kohleskulpturen bis hin zu zarten Bleichstiftzeichnungen unbekannter Objekte. Das Profil der Galerie Lena Brüning: Offenheit, kein Festlegen auf eine Stilrichtung. Und doch gibt es einen roten Faden.

"Mir geht es schon darum, dass die Sachen so eine gewisse Sinnlichkeit haben müssen, vielleicht auch ein bisschen geheimnisvoll, ich mag Arbeiten, die den Betrachter herausfordern, die ihn animieren selbst nach Lösungen, nach Assoziationen zu suchen, deswegen auch in alle Richtungen ein bisschen offen sind, und ich glaube, dass das meine Künstler auch alle schaffen."

Lena Brüning steht uneingeschränkt hinter ihren Künstlern: auch ein Erfolgsrezept. Aus vielen seien inzwischen sogar gute Freunde geworden, erzählt die Mittzwanzigerin, die auch privat ihren Beruf nicht vergessen kann.

"Ich laufe auch oft rum und denke mir, das könnte jetzt ein Bild von Mirijam Wanja sein oder Alisja Kwade. Ich seh' schon mit den Augen meiner Künstler."

Zu Beginn ihrer Arbeit als Galeristin hat Lena Brüning vier Berliner Künstler vertreten, heute sind es neun, die Galerie ist in der Berliner Szene bekannt, die Ausstellungseröffnungen stets gut besucht. Da bleibt Lena Brüning nur wenig zu wünschen übrig.

"Ich würde gerne noch etwas internationaler werden, auch auf internationalen Messen noch auftreten, aber wenn man bedenkt, dass ich erst seit anderthalb Jahren dabei bin ... und im Grunde bin ich eigentlich relativ wunschlos glücklich mit meiner Galerie."