Kunstmuseen in der Provinz

Lichtkunst in Celle, die ganze Nacht

Otto Pienes Licht-Skulptur "Feuerwerk für Celle" vor dem Kunstmuseum in Celle; Aufnahme vom November 2007
Otto Pienes Licht-Skulptur "Feuerwerk für Celle" vor dem Kunstmuseum in Celle; Aufnahme vom November 2007 © picture-alliance/ dpa
Von Volkhard App · 06.01.2015
Celle, Emden, Goslar: Unser Autor hat drei ambitionierte Kunstmuseen besucht - abseits der kulturtouristischen Hauptrouten. Ihn beeindruckte vor allem ein Kurator, der ganz auf Lichtkunst setzt und sein Haus auch in der Dunkelheit strahlen lässt.
Das gegenüber vom Celler Schloss gelegene Kunstmuseum leuchtet des abends in Rot, Grün und Blau - und ist so eine einzige Lichtskulptur in dieser früheren Residenzstadt, in der mancher Zeitgenosse moderne Kunst nicht vermutet.
Lichtkunst zählt überhaupt zu den Vorlieben des künstlerischen Leiters Robert Simon, der seine eigene Sammlung in diesem Museum zeigt. Doch das Spektrum der präsentierten Werke ist weitaus größer, umfasst serielle Objekte von Joseph Beuys, heftige Malerei von Dieter Krieg und verspielte Werke von Timm Ulrichs. Robert Simon hat das von ihm ehrenamtlich geleitete Haus geschickt zum "Ersten 24-Stunden-Museum der Welt" erklärt:
"Wir sind für die Bürger und Besucher dieser Stadt bei Tag und bei Nacht da. Das bedeutet nicht, dass man 24 Stunden lang durch eine Tür geht, sondern man kommt tagsüber in dieses Haus, sieht Bilder, Skulpturen und Objekte aus meiner Sammlung oder eine Sonderausstellung, und geht des abends, wenn das Haus geschlossen ist, um das Gebäude herum, und sieht die ganze Nacht durch internationale Lichtkunst.“

Der Pionier Otto Piene, der mit einem "Lichtballett" in Simons Sammlung vertreten ist, wurde in Celle vor einem Jahr mit dem neu geschaffenen Deutschen Lichtkunstpreis ausgezeichnet - es war einer der letzten Auftritte dieses renommierten Künstlers:

"Unsere Welt ist ja dunkel genug und zu lange dunkel gewesen, so dass wir das Licht wirklich brauchen.“

Unter dem Titel “Scheinwerfer" hat sich Robert Simon zuletzt in gleich zwei Sonderausstellungen mit der Lichtkunst des 21. Jahrhunderts beschäftigt.
Henri Nannen wollte ein Museum in Emden
Für die öffentliche Aufmerksamkeit ist es hilfreich, wenn eine Kunsthalle von einer bekannten Persönlichkeit geprägt wird. So wünschte sich der langjährige “Stern"-Chefredakteur und Sammler Henri Nannen nach seiner Pensionierung ein Haus für seine expressionistischen und neusachlichen Bilder - und das sollte nicht in Hamburg stehen, wo moderne Kunst schon reich vertreten war, sondern in seiner Heimatstadt Emden.
Auch für die damalige aktuelle Kunst interessierte sich Nannen, zog im Zeitalter von Glasnost durch russische Ateliers und kaufte ausdrucksstarke Gemälde. Viel hat sich seither getan: Die Sammlung des Münchner Galeristen Otto van de Loo ist hinzugekommen, und durch Umbauten ist aus dem Klinkerbau für Nannens Bilder ein modernes Museum mit mehr Fläche, Komfort und mit einer einladenden Fassade geworden - das nun im Wettbewerb um Kulturtouristen steht. Geschäftsführerin Eske Nannen:

"Wir haben Befragungen gemacht und erfahren, dass viele Kunstfreunde 250 km weit fahren, um zu uns zu kommen – natürlich auch Touristen aus der Region. Und zunehmend auch Holländer, die einen Anteil von über zehn Prozent ausmachen. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass wir eine holländische Audioführung haben, das hat sich herumgesprochen.“

Ehrgeizig zeigt man sich gerade bei Sonderausstellungen - und präsentiert mithilfe von Leihgaben klassische und zeitgenössische Moderne,von Emil Nolde und Lyonel Feininger bis zu Niki de Saint Phalle und Gerhard Richter. Doch ist es offenbar schwierig, das gewachsene Museum zu finanzieren: eine Benefiz-Auktion mußte kürzlich dabei helfen. Im ganzen kann dieses Haus eine Erfolgsgeschichte vorweisen - hier begegnen sich Bürger und Bilder.
Die Lage in der Provinz als Markenzeichen
Und die Lage abseits der gewohnten Routen kann sogar zu einem Vorteil, zu einem Markenzeichen werden, denn die ostfriesische Landschaft ist attraktiv. Ilka Erdwiens, Sprecherin des Museums:

"Die Gäste, die zu uns kommen, wissen schon, dass sie nicht in eine Metropole kommen und ein dickes Programm mit Oper und Schauspiel vor sich haben. Man fährt im Zug oder im Auto durch eine immer offener werdende Landschaft. Das Ganze hat so etwas von Entschleunigung, man bekommt den Kopf frei, geht auf dem Deich, lässt sich den Wind um die Ohren pusten. Und bekommt auch den Kopf frei für Kunst.“

Es ist kein Geheimnis mehr, dass auf den Besucher in Emden herausragende, moderne Kunst und ambitionierte Ausstellungen warten. Qualität bietet auch das Mönchehaus Museum in Goslar - das mit einer Besonderheit lockt: denn viele der prominenten Künstlerinnen und Künstler, die vor Ort mit dem Kaiserring ausgezeichnet wurden, haben dauerhaft ihre Spuren hinterlassen: so hat Verpackungskünstler Christo eine der letzten Loren aus dem ehemaligen Bergwerk eingewickelt und verschnürt, und Joseph Beuys hat hinter dem Museum drei Eichen gepflanzt. Während der international gerühmte Anselm Kiefer in einem Gewölbe auf allerlei Mythen anspielt - mit Farn, einer nachgebildeten Schlange und mit Puppenkleidern. Kiefer hat, als er den Kaiserring erhielt, nach geeigneten Räumen für seine Werke gesucht und ist dabei auf diese Höhle gestoßen. Museumsdirektorin Bettina Ruhrberg:

"Das ist herausragend, weil es die erste Installation ist, die er je in einem Museum gemacht hat. Er hat uns diese Installation dann überlassen. Wir sind sehr froh, vier Räume von Anselm Kiefer zu haben.“

Gespannt geht man durch dieses von einem Bürgerverein getragene alte Fachwerkhaus, das gerade grundlegend saniert wurde. Allerdings reicht der Platz noch immer nicht, um genug Werke aus der eigenen Sammlung zu zeigen oder Sonderausstellungen mit raumgreifenden Installationen zu präsentieren. Und sicher könnten landauf landab mehr Kunstfreunde darauf hingewiesen werden, dass ein Besuch des Mönchehaus Museums lohnt:

"Die Stadt allgemein überlegt, wie sie den Kulturtourismus im Harz fördern kann. Da ist durchaus noch Potenzial, weil es eine Gegend ist, die als Kulturregion noch nicht so im Bewusstsein der Deutschen verankert ist. Vor allem nicht als eine für zeitgenössische Kunst.“

Moderne Kunst nicht in einer Metropole, sondern in einer traditionsreichen Stadt des Harzes: Auch hier kann der Tourist, fern der medial hofierten Ausstellungshallen, die schönsten Entdeckungen machen.
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