Kunsthistorikerin Andrea Wulf

Schon Humboldt warnte vor dem Klimawandel

34:59 Minuten
Alexander von Humboldt auf Forschungsreise in Südamerika
Alexander von Humboldt auf Forschungsreise in Südamerika © imago
Moderation: Katrin Heise · 01.04.2019
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Andrea Wulf hat auf den Spuren Alexander von Humboldts den höchsten Berg Südamerikas erklommen. Ihre Biografie über das Universalgenie wurde zum Bestseller. Jetzt hat sie auch noch eine Graphic Novel über Humboldts abenteuerliche Reisen verfasst.
Sie ist durch den Urwald gepaddelt, auf Vulkane geklettert, hat der tropischen Hitze getrotzt. Die Kunsthistorikerin Andrea Wulf ist auf den Spuren Alexander von Humboldts durch Südamerikas Extremregionen gereist.

Dünne Luft auf dem Chimborazo

"Für mich ist das ganz wichtig, die Landschaften, die ich beschreibe, auch selber zu sehen. Dazu gehört, nicht nur die Schönheit zu sehen, sondern auch die Schwierigkeiten zu erleben, auch die heiße Feuchtigkeit im Regenwald, die Moskitos, die einen beißen, aber auch die dünne Luft auf dem Chimborazo zu atmen."
Den ecuadorianischen Vulkan hielt Alexander von Humboldt für den höchsten Berg der Welt. Er erklomm ihn unter schwierigsten Bedingungen mit einer Vielzahl von Messgeräten im Gepäck. Über seine Erkenntnisse schrieb er nicht nur für Experten – im Gegenteil, er wollte sein Wissen an die Allgemeinheit weitergeben, so Andrea Wulf.

Wissenschaft poetisch beschrieben

"Humboldt ist jemand, der mit 42 Instrumenten durch Lateinamerika gereist ist, immer wieder alles gemessen hat. Aber anstatt die Zahlen nur in Tabellen und Zahlen darzustellen, hat er sie als Infographics dargestellt, weil er daran geglaubt hat, dass Wissen Macht ist. Und Humboldt hat wirklich das Wissen demokratisiert. Wie hat er das getan? Einmal dadurch, dass er das visuell ausgedrückt hat, das kann jeder verstehen, und er hat seine Wissenschaft oft auch sehr poetisch beschrieben."

Literarisch, zuweilen auch poetisch lesen sich auch die Texte von Andrea Wulf. Sie wurde als Tochter von Entwicklungshelfern in Indien geboren und verbrachte dort ihre Kindheit. Zurück in Deutschland demonstrierte sie bereits als Kind an der Seite ihrer Eltern für Frieden und gegen Atomkraft. Später studierte sie Kulturwissenschaften.
Portrait der Kunsthistorikerin Andrea Wulf
Die Kunsthistorikerin Andrea Wulf© Antonina Gern

Die Welt ganzheitlich betrachten

Ein Praktikum im Victoria& Albert-Museum führte sie nach London, wo sie inzwischen seit mehr als 25 Jahren lebt und ihre Bücher in englischer Sprache verfasst. In England entdeckte sie zunächst ihre Leidenschaft für Gärten und schrieb darüber. Aber sie interessierte sich weniger für die englische Gartenkunst als für das Verhältnis Natur-Mensch, ganz im Sinne Alexander von Humboldts.
Die Welt ganzheitlich zu begreifen, ist ihr ein wichtiges Anliegen. Das teilt sie mit dem Naturforscher, der schon vor 200 Jahren angesichts der Umweltzerstörung vor der Gefahr eines Klimawandels warnte.
"Wenn ich an die Debatten im Klimawandel heute denke, dann werden uns Zahlen und Statistiken vor die Füße geknallt. Aber keiner traut sich, über den Zauber der Natur zu reden, keiner traut sich darüber zu reden, dass wir nur das beschützen, was wir lieben. Darum ist für mich zum Beispiel der internationale Klima-Schulstreik der Kinder so wichtig. Weil die Kinder sich trauen, über ihre Ängste und Gefühle zu reden. Das ist das, was an Humboldt wichtig ist und was heute im Klimawandel oder in den Verhandlungen im Klimawandel komplett fehlt."
Das Thema Klimawandel taucht auch in ihrer jüngsten Publikation auf, die Andrea Wulf nochmals Alexander von Humboldt gewidmet hat. "Die Abenteuer des Alexander von Humboldt" ist eine Art Graphic Novel, die auf seinen Tagebüchern fußt. Die Idee dazu kam ihr, nachdem sie die Originale einsehen konnte:
"Als ich diese Tagebücher gesehen habe, war mir klar, dass ich ein Buch machen musste, was Humboldts künstlerische Seite zeigt. Somit wurde Humboldt ein Art 'dritter Mitarbeiter' dieses Buches, also mit mir und der Illustratorin Lillian Melcher."
(so)
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