Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Feindschaft mit dem Iran
Israels rote Linien in Syrien

Drei rote Linien hat die israelische Regierung im Hinblick auf den Krieg in Syrien gezogen - und sie handelt, wenn diese überschritten werden. Insbesondere eine dauerhafte militärische Präsenz des Irans in Syrien will Israel verhindern. Und riskiert damit, selbst zur Konfliktpartei zu werden.

Von Tim Aßmann | 14.04.2018
    Ein israelisches Militärfahrzeug fährt eine Straße auf den von Israel besetzten Golanhöhen entlang
    Das israelische Militär auf den Golanhöhen ist in erhöhter Alarmbereitschaft: Israel befürchtet eine Antwort des Iran auf seinen jüngsten Angriff auf einen Militärflughafen nahe dem syrischen Homs, bei dem auch iranische Militärangehörige starben (AFP/ Jalaa Marey)
    Das Windspiel auf der Terrasse von Yossi Srour dreht sich leicht. Yossi lebt im Kibbuz Ein Ziwan – einer israelischen Siedlung auf den besetzten Golanhöhen. Der Krieg in Syrien – von Ein Ziwan ist er nur ein paar Kilometer entfernt. Regelmäßig hören die Menschen im Kibbuz den Gefechtslärm aus dem Nachbarland. Die Bedrohung durch den iranischen Einfluss in Syrien – für die Einwohner von Ein Ziwan ist sie sehr konkret. Auch Yossi Srour ist der Ansicht, dass Israel eine dauerhafte militärische Präsenz der Iraner in Syrien unbedingt verhindern muss.
    "Meine rote Linie ist, wenn der Iran dort auch nur ein Zelt aufschlägt. Iran muss dort nicht sein. Das ist nicht Iran. Sie haben ein Ziel und deshalb sind sie dort und dieses Ziel ist nicht Frieden zu schaffen oder die Bedürftigen mit Essen zu versorgen. Sie haben einen Grund - und was ist ihr Grund? Als nächstes kommt Israel. Also schützt Israel sich selbst."
    Von roten Linien ist in Israel häufig die Rede, wenn es um den Krieg in Syrien geht. Drei solcher Linien hat die Regierung in Jerusalem gezogen. Zum einen lässt Israel keinen Angriff auf die eigenen Grenzen und das eigene Staatsgebiet zu. Wenn Geschosse aus dem syrischen Bürgerkrieg in Israel einschlugen, schoss die Armee häufig zurück. Rote Linie Nummer zwei sind Waffenlieferungen über Syrien an die schiitische Hisbollah-Miliz – Israels Erzfeind im Libanon. Rund 100 Einsätze habe man in den vergangenen Jahren geflogen, um solche Lieferungen zu verhindern, erklärte der damals scheidende Kommandeur der israelischen Luftwaffe im vergangenen Sommer. Die dritte rote Linie ist, dass Israel nicht zulassen will, dass sich der Iran mit eigenen Truppen oder mit verbündeten schiitischen Milizen dauerhaft in Syrien festsetzt.
    Blick von den von Israel besetzten Golanhöhen auf die syrische Seite der Grenze, wo nach einem Luftangriff Rauch aufsteigt
    Blick von den von Israel besetzten Golanhöhen auf die syrische Seite der Grenze, wo nach einem Luftangriff Rauch aufsteigt: Wenn Geschosse aus dem syrischen Bürgerkrieg in Israel einschlagen, schießt die Armee häufig zurück (AFP/ Jalaa Marey)
    Sicherheitspolitischer Albtraum
    Iranische Luftwaffen- und Marinestützpunkte in Syrien - aus israelischer Sicht ein sicherheitspolitischer Albtraum. Der ehemalige Generalmajor Yaakov Amidror leitete den Nachrichtendienst der Armee und war später nationaler Sicherheitsberater seines Landes:
    "Das sind Entwicklungen, die so nahe der israelischen Grenze sind, dass sie eine direkte Bedrohung darstellen. Das ist eine rote Linie. Wir werden nicht zulassen, dass die Iraner so dicht an unserer Grenze ein Sprungbrett für einen Krieg gegen Israel haben."
    Schon in den vergangenen Monaten war ein israelischer Strategiewechsel im Umgang mit Syrien festzustellen. Von den Attacken gegen Waffenkonvois ging die Luftwaffe über zu Angriffen auf feste Einrichtungen in Syrien. Mal wurde ein militärisches Forschungslabor bombardiert, mal eine mutmaßliche Kaserne für schiitische Milizen und mal ein Luftwaffenstützpunkt – so wie vor einigen Tagen. Israel bestätigt diese Angriffe in der Regel nicht, tritt aber auch nicht dem Eindruck entgegen, dass es dafür verantwortlich ist. Nach dem jüngsten Angriff auf einen Militärflughafen nahe dem syrischen Homs, bei dem auch mehrere iranische Militärangehörige starben, erklärte Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman:
    "Zu diesem Angriff kann ich nur sagen, dass ich nicht weiß, was genau geschehen ist oder wer angriff. Ich weiß allerdings eine Sache ganz sicher: Wir werden keine iranische Stationierung in Syrien zulassen. Koste es was es wolle. Wir haben keine andere Wahl."
    Angespannte Lage an der israelisch-syrischen Grenze
    Als Avigdor Liebermann das sagte, besuchte er Bürger und Soldaten auf dem Golan. Die Einheiten in der Region sind in erhöhter Alarmbereitschaft, weil Israel eine Antwort des Iran befürchtet. Es bestehe die Gefahr einer Eskalation, sagt der israelische Journalist und Militäranalyst Alon Ben David:
    "Ich meine, das war eine klare Operation der Luftwaffe gegen den Iran und der Iran kündigt an, diese Tat direkt zu vergelten. Ein hochrangiger israelischer Funktionär sagte mir: Sollte der Iran reagieren, werden wir mit siebenfacher Stärke zurückschlagen. Das heißt: Sollten die Iraner vergelten, werden wir reagieren. Das bringt uns in eine sehr heikle Lage, zumindest in der nächsten Zeit."
    Die Lage an der israelisch-syrischen Grenze ist schon länger angespannt. Im Februar schoss die Armee über dem Golan eine Drohne ab, die angeblich iranischer Herkunft war. Die israelische Luftwaffe griff den syrischen Stützpunkt an, von dem das Flugobjekt gestartet worden sein soll. Es ist der gleiche Militärflughafen, der nun Ziel des jüngsten Angriffs war.
    Attacken wie diese wecken Aufmerksamkeit. Analysten in Israel gehen davon aus, dass die Regierung Netanjahu auch ein Signal an Moskau und Washington senden wollte. Israel fürchtet, dass die eigenen Sicherheitsinteressen nicht berücksichtigt werden, wenn eine Nachkriegsordnung für Syrien ausgehandelt wird. Verteidigungsminister Liebermann sagte mit Blick auf die iranischen Versuche, sich in Syrien militärisch zu etablieren:
    "Übrigens gibt es Mächte die das aufhalten können, ohne dabei militärisch vorgehen zu müssen. Ich hoffe sehr, dass diese Mächte handeln werden, dass sie das Richtige tun und den Iran ohne unnötige Reibungen davon abhalten, sich dort einzurichten."
    Auf dem Weg zur Konfliktpartei in Syrien?
    Während Russland, die Türkei und der Iran miteinander über Einflusszonen in Syrien verhandeln, haben die USA angekündigt, ihre Truppen abzuziehen und zeigen auch ansonsten kein großes Interesse an der Zukunft des Landes. Israels Regierung aber möchte, dass die USA als Anwalt israelischer Sicherheitsinteressen mehr Einfluss nehmen. Um die eigenen roten Linien deutlich zu machen, riskiert die Regierung in Jerusalem auch in Syrien zur Konfliktpartei zu werden. Siedler Yossi Srour in Ein Ziwan auf den Golanhöhen glaubt nicht, dass es soweit kommt:
    "Ehrlich gesagt habe ich dieses Gefühl der Angst nicht. Ich fühle mich sicher. Ich will jetzt nicht als Patriot rüberkommen und irgendwelche Geschichten erzählen. Das ist wirklich so. Ich weiß, dass Israel das auf welche Art auch immer nicht geschehen lassen wird. Seit wir existieren, sind wir von Feinden umzingelt."