Kunstfahnder Willi Korte

Der Indiana Jones der Kunstwelt

36:54 Minuten
Der Kunstfahnder Willi Korte
Hat den Quedlinburger Domschatz zurückgeholt: Kunstfahnder Willi Korte. © dpa / picture alliance / Matthias Balk
Moderation: Susanne Führer · 31.12.2020
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Die Zeit der Undercover-Aktionen mit Mikro am Brusthaar ist für Kunstfahnder Willi Korte vorbei. Heute spürt er NS-Raubkunstwerke für die Nachkommen jüdischer Privatsammler auf. Dafür braucht es vor allem Aktenstudium – und manchmal das FBI.
Das Leben des Kunstfahnders Willi Korte ist filmreif: Ohne seine detektivische Spürnase, manch abenteuerliche Undercover-Recherche – und nicht zuletzt seine Hartnäckigkeit – hätte er nie solch wertvolle Kunstwerke gefunden, wie den über 1000 Jahre alten Quedlinburger Domschatz.

Der Krimi von Quedlinburg

Dieser größte mittelalterliche Kirchenschatz verschwand in den Wirren des Zweiten Weltkrieges. Auch bei diesem Fall spielt der Zufall eine Rolle: Willi Korte sucht in den 80er-Jahren für ein West-Berliner Museum nach Spuren des ebenfalls berühmten Schatzes des Priamos. Bei der Recherche stößt er auf Hinweise zum Quedlinburger Fall; der Tippgeber ist ein Museumskurator aus Ost-Berlin.
"Und so habe ich dann mal mit dem West-Berliner Kurator den Ost-Berliner Kurator besucht, damals ein Tagesausflug von West- nach Ost-Berlin. Und er hat mir diese Unterlagen gegeben. Und so habe ich dann sozusagen in einer geheimen Recherche – weil es war ja noch die DDR, und ich konnte ja schlecht für die DDR tätig werden – auf Kosten der West-Berliner den Quedlinburger Domschatz in der DDR recherchiert und da auch eine Spur aufgetan."

"Die größte Anspannung meines Lebens"

Die Spur führt zu einer US-Militäreinheit in den USA, die nach dem Krieg in Quedlinburg stationiert war. Korte durchkämmt in jahrelanger Kleinarbeit Akten, macht den mittlerweile verstorbenen Soldaten ausfindig, der Teile des von den Nazis in einer Höhle versteckten Domschatzes mitgehen ließ und per Feldpost nach Hause schickte. Und bringt letztlich einen texanischen Bankdirektor dazu, ihm ein Bankschließfach zu öffnen.
"Dieser Moment war die größte Anspannung meines Lebens." Korte gelingt es, zehn der zwölf vermissten Teile zu finden. Nach 48 Jahren kehrt der Quedlinburger Domschatz 1993 in die Stiftskirche St. Servatius zurück. Korte schafft es mit diesem Krimi bis in die New York Times.

Der "Kortische Schatz"

Willi Korte wird 1954 in München geboren; der Vater betreibt eine Gold- und Silberscheide-Anstalt, die Mutter einen Juwelierladen. Der elterliche Plan: Der Sohn soll einmal die Firma übernehmen. "Nachdem ich das abgelehnt habe, hätte ich Medizin studieren sollen. Das passte mir auch nicht so richtig. Und dann habe ich mich zwar für Jura breitschlagen lassen, habe aber nebenbei, sozusagen im Geheimen, auch Geschichte studiert."
Und dann ist da noch die Sache mit dem Familienschatz: Der Vater erzählt von einer Ladung Gold und Silber, die er am Kriegsende im Garten ihres Hauses in Dresden eingebuddelt habe. Er hinterlässt eine Schatzkarte.
"Die Schatzkarte und das Thema des verbuddelten Gold- und Silberschatzes war eine Geschichte, mit der ich sozusagen großgezogen wurde. Mein Vater hat also dafür gesorgt, dass wir in der Familie für den Tag X, nämlich den Tag der Wiedervereinigung, Gewehr bei Fuß stehen sollten und dann den Gold- und Silberschatz wieder in Dresden ausbuddeln."

Schatzsuche bei Mondlicht

Das macht Willi Korte, der längst in den USA lebt, tatsächlich:
"Und dann bin ich mit Schatzkarte und Metalldetektor nach Dresden gefahren, habe dieses Grundstück ausfindig gemacht. Ich bin dabei um Mitternacht bei sternenklarem Himmel über den Zaun gestiegen. Und Gottseidank, also der Mond schien helle, konnte ich das Grundstück absuchen und habe an einer Stelle auch etwas Metallenes ausfindig machen können und habe dann auch entsprechend gebuddelt. Es waren aber nur noch Blechdosen in einem Loch übrig."

Die Suche nach NS-Raubkunst

Auch Undercover-Aktionen sind Korte vertraut: Bei der Suche nach einem Rembrandt-Bild trug er während der angeblichen Verhandlungen ein Mikro angeklebt am Brusthaar, die US-Sicherheitsbehörden hörten mit.
In den letzten 20 Jahren hat sich Willi Korte auf die Suche nach NS-Raubkunst spezialisiert. Seine Hauptauftraggeber sind die Erben von jüdischen Privatsammlern, wie zum Beispiel beim "Max Stern Restitution Project". Max Stern war ein deutscher jüdischer Kunsthändler und Galerist, der von den Nazis beraubt und ins Exil gedrängt wurde. Hier zählt für Korte nicht so sehr der Wert des Kunstwerks, sondern die Geschichte, die damit verbunden ist.
"Da gibt es natürlich in Verbindung mit so manchem Kunstwerk einfach grausame Schicksale. Und das ist das, was mich dann schon tief berührt; oft ich muss mich ja tief in die Biografie und die Verfolgungsgeschichte und Leidensgeschichte dieser Leute einarbeiten, um eben die Chronologie des Verlustes auch zu rekonstruieren. Und da kommt dann manchmal schon Ungeheuerliches zusammen."
Wenn Willi Korte ein NS-Raubkunstwerk ausfindig gemacht hat, zum Beispiel auf einer Kunstmesse – und es sich in den USA befindet –, gibt er dem FBI einen Hinweis. "Und dann kommt ein Agent und holt ihr Bild aus dem Stand ab und leitet ein Verfahren zur Einziehung des Bildes ein. Und nach Abschluss des Verfahrens wird mir dann das Bild ausgehändigt, so dass ich nicht mal großen Aufwand betreiben muss."
(sus)
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