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Zinspolitik
"Sparer nutzen Spielräume nicht"

Die US-Notenbank Fed hat entschieden, den Leitzins anzuheben, zum ersten Mal seit Jahren. "Eine Art Ära ist zu Ende gegangen," sagte der Chefredakteur des Verbrauchermagazins Finanztip, Hermann-Josef Tenhagen, im DLF. Für die deutschen Sparer werde sich aber erst einmal wenig ändern. Sie sollten lieber ihr Glück selbst in die Hand nehmen.

Hermann-Josef Tenhagen im Gespräch mit Jasper Barenberg | 17.12.2015
    Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Magazins "Finanztip".
    Finanzexperte Tenhagen erwartet nach Anhebung der Zinsen in den USA nicht, dass die EZB bald nachzieht. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Nach Einschätzung Tenhagens werden die Zinsen in Europa nicht so bald steigen. Das hänge auch mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt zusammen. In den USA liege die Arbeitslosenquote bei fünf Prozent. Europa sei davon weit entfernt. Dennoch habe die Zinswende möglicherweise positive Folgen für den Arbeitsmarkt, weil europäische Firmen nun besser in die USA exportieren könnten.
    Die EZB werde abwarten und sich anschauen, was jetzt in den USA passiere: "Wenn die US-Wirtschaft das gut verkraftet, werden die Zinsen irgendwann auch in Europa raufgehen". Allerdings nicht in den nächsten zwölf Monaten.
    Bis dahin könne es sein, dass Banken bei der Baufinanzierung die Zinsen anhöben. Den Sparern rät Tenhagen, ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen: "Man muss die besten Angebote nehmen, die man kriegen kann." Verbraucher nutzten die Spielräume nicht und gingen nicht dorthin, wo es die besten Zinsen gebe.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Anders als etwa die Europäische Zentralbank, die EZB, hat die amerikanische Notenbank ein doppeltes Mandat. Darauf hat die Frau an ihrer Spitze, hat Janet Yellen in den letzten Monaten immer wieder einmal hingewiesen. Denn die Fed soll sich nicht nur um Preisstabilität kümmern, sondern auch um so etwas wie Vollbeschäftigung. Gerade in diesem Punkt aber zeigt die Wirtschaft in den USA noch immer gewisse Schwächen, hat die Erholung nach der schweren Wirtschaftskrise etwas an Tempo und Kraft eingebüßt. Wohl auch deshalb hat Janet Yellen die lange anvisierte Zinswende immer wieder mal aufgeschoben. Jetzt aber hat sie geliefert, wie erwartet mit einer moderaten Anhebung der Zinsen und der Andeutung, dass weitere dieser Trippelschritte folgen könnten im nächsten Jahr. Wir wollen über die absehbaren Folgen dieser Entscheidung sprechen. In Berlin sind wir mit Hermann-Josef Tenhagen verbunden, dem Chefredakteur des Verbrauchermagazins "Finanztip". Schönen guten Morgen, Herr Tenhagen.
    Hermann-Josef Tenhagen: Guten Morgen!
    Barenberg: Verdient denn der Kurswechsel das Prädikat historisch aus Ihrer Sicht?
    Tenhagen: Na ja, es ist jedenfalls eine Art Ära zu Ende gegangen. Das letzte Mal hat die Fed die Zinsen erhöht 2006 und den Tiefstand, den wir jetzt hatten, gab es seit Dezember 2008. Das ist eine ewig lange Zeit für die amerikanische Notenbank, die sonst mit den Zinsen relativ viel agiert, rauf oder auch runter.
    "Der USA-Urlaub wird ein bisschen teurer"
    Barenberg: Diese Entscheidung ist ja zum einen lange vorbereitet worden; sie wurde aber auch ebenso lange diskutiert, ja durchaus auch kontrovers, was den Zeitpunkt angeht, an dem man die Richtung ändert. Ist der richtige Zeitpunkt getroffen?
    Tenhagen: Die Amerikaner haben jetzt eine Arbeitslosigkeit von fünf Prozent offiziell. Da sind wir in Europa weit von entfernt. Und da hat Frau Yellen gesagt, jetzt reicht es. Das hatte sie auch vorher schon so angekündigt. Wenn es bei fünf Prozent ankommt, dann könnte sie wegen ihrem Mandat auch die Zinsen wieder erhöhen, was ja immer das Risiko birgt, dass die Wirtschaft ein bisschen langsamer wird, weil das Geld nicht so preiswert zur Verfügung steht.
    Barenberg: Nun haben wir heute Morgen auch schon viel gesprochen und gelernt über die Folgen, die das für die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft haben könnte. Aber wir wissen ja alle, dass das auch Folgen weit über die USA hinaus hat. Hat das auch unmittelbare Folgen, sage ich jetzt mal, für Anleger und Sparer hier in Deutschland?
    Tenhagen: Unmittelbar so ganz schnell nicht, weil bei uns sind die Zinsen niedrig und die werden vor allen Dingen von der Europäischen Zentralbank bestimmt. Und die einzige Reaktion, die man als normaler Kunde heute hat, ist, das beste Tagesgeld zu suchen, was ein Prozent oder mehr bringt und nicht bei 0,01 oder 0,05 Prozent zu bleiben. Das gleiche gilt für Festgeld. Daran wird sich vorläufig auch nichts ändern. Unmittelbare Folgen hat es natürlich. Wenn der Dollar steigen sollte, was angenommen wird, dann wird der USA-Urlaub ein bisschen teurer. Das Öl, der Sprit an der Tankstelle wird was teurer. Dafür können deutsche Firmen besser exportieren. Das heißt, bei den Arbeitsplätzen ist es eher sogar ein Gewinn für Europa und insbesondere für Deutschland als Exportnation.
    "Man kann sich nur wehren, indem man die besten Angebote nimmt"
    Barenberg: Das heißt, bei der EZB knallen jetzt gewissermaßen die Sektkorken?
    Tenhagen: Bei der EZB knallen noch nicht die Sektkorken, aber die gucken sich das jetzt an, weil die haben ja gerade vor zwei Wochen den entgegengesetzten Schritt noch mal gemacht, noch mal mehr Geld in den Markt gepumpt, weil sie gesagt haben, in Europa, insbesondere in Südeuropa läuft die Wirtschaft noch nicht. Die haben zwar nicht das Mandat, aber die gucken natürlich auch auf den Arbeitsmarkt und auf die wirtschaftliche Situation. Wir sind von den fünf Prozent europaweit meilenweit entfernt. Von daher gucken die natürlich, was da jetzt passiert, und wenn die US-Wirtschaft das gut verkraftet, dann wird möglicherweise irgendwann in Europa das auch wieder raufgehen. Das aber irgendwann und eher weiter in die Zukunft, vielleicht Ende nächsten Jahres, Anfang übernächsten Jahres. Ich glaube eher mal nicht in den nächsten zwölf Monaten. Für uns tut sich von daher erst mal nichts. Möglicherweise bei der Baufinanzierung. Wenn Sie jetzt eine ganz lange Baufinanzierung laufen haben, dass da die Bank sagt, das ist jetzt doch eine Trendwende und da könnten die Zinsen am Ende wieder raufgehen und die wird dann nicht mehr anderthalb oder 1,7 Prozent kosten, sondern 2,3 oder zwei Prozent.
    Barenberg: In den USA soll ja - das kann man den Andeutungen von Janet Yellen entnehmen - das in diese Richtung weitergehen. Was Sie sagen ist aber, hier in Deutschland oder, sagen wir mal, in Europa kommt es vor allem auf die EZB an, und die hat sich ja, wenn ich das richtig einschätze, festgelegt auf erst mal den weiteren Kurs dieses billigen Geldes.
    Tenhagen: Die hat sich festgelegt, weil sie sagt, wir sind für die europäische Wirtschaft, für die Preisstabilität verantwortlich, wir haben eine Inflation, die nahe bei null ist, und wenn wir uns das angucken, wie das im Augenblick aussieht, können wir von der Politik des billigen Geldes nicht abrücken, solange da nicht mehr Dynamik reinkommt, weil mehr Dynamik würde immer auch heißen, dass die Preise dann doch wieder anziehen, und dann hätte die EZB ja auch von ihrem Inflationsmandat her eine Möglichkeit, die Zinsen raufzusetzen.
    Barenberg: Nun hat man ja immer gesagt, dass die Politik des billigen Geldes, die auch die EZB im Moment fährt, zur Folge hat, dass im Grunde der Sparer die Zeche zahlt. Nun ist Deutschland ein Land, wo viele viel sparen. Es bleibt also bei dieser, sagen wir, fatalen Nebenwirkung für einen Teil jedenfalls der Menschen?
    Tenhagen: Es bleibt bei dieser fatalen Nebenwirkung und es bleibt dabei, dass man sich dagegen nur wehrt, wenn man die besten Angebote nimmt. Ein Prozent fürs Tagesgeld gibt es. Ich habe mir letztens in Ostdeutschland das angeguckt. Da liegen bei den Sparkassen 80 Milliarden kurzfristige Spargelder herum. Die sind im Schnitt mit unter 0,1 Prozent verzinst. Wenn die über ein Prozent verzinst werden, hätten die ostdeutschen Sparer 800 Millionen Euro mehr in der Tasche in einem Jahr.
    "Es geht darum, dass es für uns Verbraucher gut ist"
    Barenberg: Spielraum gibt es, verschiedene Möglichkeiten gibt es, aber die Verbraucher nutzen sie nicht?
    Tenhagen: Die Verbraucher nutzen sie noch nicht. Die gehen nicht dahin, wo es den maximalen Zins gibt. Sie müssten es aber tun, weil es nützt ja nichts. Die EZB fragt mich nicht, was sie tun soll, sondern sie macht etwas und ich muss darauf reagieren, indem ich meine Möglichkeiten ausnutze, um möglichst viel für mein Erspartes zu bekommen und natürlich auch nach einem möglichst preiswerten Kredit zu suchen, wenn ich denn ein Haus bauen oder kaufen will oder ein Auto. Da muss man als Verbraucher so reagieren, dass man selber die Optimierung in die Hand nimmt und schaut, selbst wenn es der eigenen Bank oder der einen oder anderen Bank dabei schlechter geht. Das ist nicht so schlimm. Denn es geht darum, dass es für uns Verbraucher gut ist. Die Wirtschaft ist für uns da, nicht wir für die Wirtschaft und schon gar nicht für die Banken.
    Barenberg: Würden Sie denn empfehlen, die Entwicklung auch, was die USA angeht, ein wenig im Blick zu behalten, weil es dann über kurz oder lang doch Folgen für uns haben kann und auch für jeden von uns, der Geldanlagen hat oder in die Pensionskasse einzahlt?
    Tenhagen: Wenn es jetzt sozusagen viele Trippelschritte im nächsten Jahr gibt, dann hat das natürlich möglicherweise auch Folgen insbesondere für die Leute, die eine Lebensversicherung haben oder in eine Pensionskasse einzahlen. Die investieren ja international und dann wird auch Geld möglicherweise in die USA rübergeschafft und das wird dann auch Auswirkungen haben auf die Renditen, oder es könnte Auswirkungen haben. Da kann man mal draufgucken. Aber kurzfristig tut sich da nichts und für eine Strategieänderung des Einzelnen, ich suche mir das beste Angebot, weil die geben mir nicht viel im Augenblick, gibt es eigentlich keinen Anlass. Da sollte man dabei bleiben. Selber das beste Angebot suchen ist das einzige, wie man sich gegen solche Zeiten wehrt.
    Barenberg: Sagt Hermann-Josef Tenhagen, der Chefredakteur des Verbrauchermagazins "Finanztip". Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Tenhagen: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.