Kunstbiennale Palermo

Ein alternativer Atlas als Kunstkonzept

Ein Graffito auf einer Backsteinwand mit der Aufschrift "Il arte rinnova i popoli"
Ein Graffito an einer Hauswand in Palermo. Die Manifesta will der Stadt mit Kunst eine neue Perpektive geben. © Foto: Vladimir Balzer
Mirjam Varadinis im Gespräch mit Vladimir Balzer · 15.06.2018
Mit einer urbanistischen Studie hat Manifesta-Kuratorin Mirjam Varadinis unbekannte Facetten von Paleromo beleuchtet und damit einen ganz eigenen Atlas der Stadt geschaffen. Das Ergebnis: Orte, deren Geschichte zu den Kunstwerken passen.
Der Palermo-Atlas sei ein Werk, das ganz viele Informationen zu dieser Stadt bereitstelle, die man nicht so einfach finden könne, sagt Kuratorin Mirjam Varadinis im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Die Grundlage für dieses Verzeichnis hätten verschiedene Bewohner Palermos - etwa ein Schriftsteller und ein afghanischer Koch - beim Rundgang durch die Stadt geschaffen, die so ihr ganz persönliches Wissen um die Stadt weitergegeben hätten.
"Das Modell des mündlichen Erzählens wurde wie zu einem Leitmotiv für die Methode, wie wir an die Stadt herangegangen sind für das kuratorische Konzept".

Suche nach Orten mit Vergangenheit

Ein Aspekt für den Atlas sei auch gewesen, wie sich Menschen und Touristen in der Stadt bewegten und wie sich das im Laufe der letzten 100 Jahre verändert habe. "Durch die ganze 'Unesco-ifizierung' der Stadt beschränkt sich auch der Besuch der Touristen wirklich nur noch vom Hafen zur Kathedrale."
Für das Kuratorium sie es wichtig gewesen das zu durchbrechen und an Orten zu arbeiten, die nicht institutionelle Kunstorte sind.
Mehr als 1000 Gebäude stünden in Palermo leer: "Wir haben immer geschaut, dass die Hauptthemen, die wir mit dem Konzept ansprechen, dass die auch in der Geschichte des Ortes schon mit präsent sind und als Echoraum zu den Werken funktioniert."
Gelbe Netze hängen über Bäumen auf einem Platz in Palermo
Marcello Maloberti "Circus"© Foto: Vladimir Balzer

Eine Stimme für die Schwachen

Ein anderer Aspekt des Atlasses sei die Religion. Dabei habe man nicht den Katholizismus mit den typischen Prozessionen durch die Stadt erfassen wollen, sondern die nicht-religiösen Kulte, die in der Stadt zu finden sind, eine Art Prozession für die Zivilgesllschaft. Und dabei habe man eine italienische Künstlerin entdeckt:
"Erstaunlicherweise hat sie das geschafft. Beispielsweise mit ehemaligen Prostituierten aus Nigeria. Das ist ein großes Thema hier in der Stadt, dass die nigerianische Mafia die ganze Prostitution dominiert. Und es wird eine riesige Parade sein in der Stadt, die denen eine Stimme gibt, die sonst keine haben."

Kunst als soziales Projekt

Man habe mit den Initiativen und den Menschen vor Ort arbeiten wollen, die in der Zusammenarbeit mit Künstlern von außen bleibende Spuren hinterlassen - also Kunst als soziales Projekt. Wie die Perspektive aus dem Süden auf Europa ist, das sei ein Kerngedanke der Manifesta.
"Wenn man an die Flüchtlingsströme denkt, die übers Mittelmeer kommen - Wir sind mitten im Mittelmeer, wir sind in der Nähe von Afrika. Das hat eine Dringlichkeit, was wir da diskutieren möchten."
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