Kunst zum Anfassen

Von Stefan Keim · 23.08.2013
Die Installationen auf der Ruhrtriennale animieren den Besucher zum Mitmachen, so etwa das audiovisuelle Werk des japanischen Künstlers Ryoji Ikeda: Auf einer Landschaft aus flackernden Strichcodes können die Besucher laufen, tanzen oder liegen.
Strichcodes, Rechtecke, andere geometrische Formen flackern in Schwarzweiß auf einer hundert Meter langen Fläche. Manche Besucher laufen oder tanzen darauf, andere sitzen oder liegen. Auf dem Bauch mit der Nase knapp über dem Boden wirken die oft rasant wechselnden Projektionen besonders stark. Wer keine Lust hat, Teil der Installation zu sein, schaut von einem Balkon aus zu. Jeder kann sich aussuchen, ob er Performer oder Zuschauer sein will. Natürlich geht auch beides.

Der japanische Allroundkünstler Ryoji Ikeda hat in den vergangenen fünf Jahren einige solcher Installationen geschaffen. Die in der Duisburger Kraftzentrale ist die größte und gewaltigste. Dem Riesenraum zum Trotz hat sie etwas Verspieltes, Offenes, Humorvolles. Es kommt ganz darauf an, was die Besucher anstellen.

Ikeda verweigert jeden Kommentar zu seinem Werk. Es heißt "test pattern [100 m version]". Die oft extremen Töne testen Lautsprecher und Gehör. Gleichzeitig kann das Publikum ausprobieren, wo die eigenen Grenzen liegen. Gut möglich, dass diese Installation von einem jugendlichen Partypublikum erobert wird.

Auch der Choreograph William Forsythe testet die Besucher seiner Ausstellung im Essener Museum Folkwang. "Nowhere and Everywhere at the same time No.2" heißt ein interaktiver Raum, der voll kleiner Metallpendel hängt. Sie bewegen sich an Seilen hin und her. Die Besucher sollen hindurch gehen, ohne sie zu berühren. Das ist nicht leicht, die Pendel ändern manchmal ihre Richtung. Man bewegt sich plötzlich anders als normal, beginnt, die herumfliegenden Teile körperlich wahrzunehmen und sich ihnen anzupassen. So entsteht Tanz.

Ein Ort zum Gruseln
Auch der Turm aus Wasser, den das Kollektiv "rAndom International" direkt vor das Ruhrmuseum auf der Zeche Zollverein gebaut hat, lädt zum Mitmachen ein. Die Zuschauer können hineingehen und sich die herabfallenden Wassermassen von innen betrachten, 800 Liter pro Sekunde. Von außen ist der 19 Meter hohe Tower ein Kommentar zum dahinter stehenden steinernen, wuchtigen Zechenbau.

Ein paar hundert Meter entfernt liegt die Geisterbahn der Ruhrtriennale. In Douglas Gordons Videoinstallation "Silence, Exile, Deceit" (Schweigen, Exil, Täuschung) herrscht die Dunkelheit. Die Mischanlage der Kokerei Zollverein ist der perfekte Ort dafür. Dröhnend laut tönen die Stimme einer manchmal unheimlich lachenden Sängerin und einer Cellistin durch die Räume. Ein Bildschirm zeigt einen Raben, der ein Küken auffrisst. Aus Metallbehältern zischen wispernde Stimmen. Im gruseligsten Ort werden nur die Stäbe eines Gefängnisfensters an die Wand projiziert. Sonst ist alles dunkel, und man schaut in einen gähnenden, schwarzen Schacht.

Die Installationen der Ruhrtriennale sind sehr verschieden. Doch sie verbindet der Geist des Kommunikativen. Besucher werden auf verschiedene Weise zu Teilnehmern an einem kreativen Prozess eingeladen. Jeder gestaltet sich sein Kunsterlebnis selbst.