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Aktionsbündnis Patientensicherheit
Genügend Baustellen im Gesundheitssystem

Unzureichende Hygiene, Personalmangel und Unaufmerksamkeit sind die Gründe dafür, dass manche Menschen im Krankenhaus erst richtig krank werden. Dagegen kämpft das Aktionsbündnis Patientensicherheit, das in diesen Tagen seinen zehnten Geburtstag feiert.

Von Daniela Siebert | 16.04.2015
    Zehn Jahre gibt es das Aktionsbündnis Patientensicherheit und es gibt auch schon ein paar Erfolge zu verzeichnen. Darunter verbucht die Vorsitzende Hedwig Francois-Kettner zum Beispiel die Aktion "Saubere Hände". Sie soll medizinisches Personal zu regelmäßigem Hände desinfizieren bringen, damit nicht Krankheitserreger durch sie von einem Patienten zum nächsten übertragen werden.
    "Wir haben es geschafft, dass inzwischen 1.700 Einrichtungen Mitglied sind bei dieser Aktion und jedes Jahr zeigen, wie sie ihre Erfolge haben, wir sind ja ein freigemeinütziger Verein, das muss man ja wissen, wir sind alle ehrenamtlich, wir haben auch keine Zwänge, wir können die Leute nicht dazu verdonnern, dass sie irgendwas tun."
    OP-Utensilien im Körper vergessen
    Ein anderer Erfolg ist größere Wachsamkeit bei Operationen. Denn im Klinikalltag kommt es durchaus vor, dass beispielsweise die richtige Operation am falschen Patienten durchgeführt wird oder am richtigen Patienten das falsche Körperteil behandelt wird. Dann ist auf einmal das gesunde Bein amputiert und nicht das Raucherbein. Oder es werden OP-Utensilien im Körper vergessen. Auch gegen solche Fehler im System hatte sich das Aktionsbündnis immer wieder stark gemacht und da habe sich auch etwas verbessert:
    "Auf jeden Fall. Weil auch viel mehr in die Routine überführt wurde: Zum Beispiel nach Check-Listen zu arbeiten, zum Beispiel nach Namensschildern zu gucken, und und und."
    Doch es gibt noch genügend Baustellen im Gesundheitssystem, an denen das Bündnis etwas verändern möchte. Unter den Top 3 findet sich der Klassiker: falscher und zu häufiger Antibiotika-Einsatz. Es gelte:
    "Nach wie vor zu schauen, dass man nicht bei jedem Schnupfen Antibiotika verabreicht, das ist ein Thema, was leider Gottes immer noch vieler intensiver Diskussion bedarf."
    Zu viel Antibiotika verabreicht
    Es brauche auch mehr Anreize für die Pharmaindustrie neue Antibiotika zu entwickeln sagt Hedwig Francois-Kettner und meint damit vor allem die Politik. Das Bundesforschungsministerium sollte hier Schwerpunkte setzen findet sie.
    Ein anderes Problem sei die mangelhafte Personalausstattung.
    "Ein Beispiel: wenn auf einer Intensivstation eine Krankenschwester für vier Patienten zuständig ist. Und sie weiß sehr genau, wie sie sich die Hände zu desinfizieren hat, aber es läutet ein Alarm, dann wird sie sich die Hände nicht desinfizieren bevor sie an diesen Patienten herangeht, sie kann das nicht, das ist nicht mehr machbar, weil meistens ist dann der Alarm wichtiger als die Hygiene."
    Personalmangel
    Andererseits müsse man viele Diskussionen auch wieder auf den Boden bringen findet sie. Es finde zu viel Panikmache statt so die Patientenvertreterin. Nicht nur als ehemalige Mitarbeiterin einer Rettungsstelle fände sie die neuen Zusatzfunktionen der elektronischen Gesundheitskarte durchaus gut so Francois-Kettner. Zu oft habe sie Menschen erlebt, die selbst nicht mehr auskunftsfähig waren. Dann seien die Helfer froh, wenn sie auf der Karte hinterlegte Informationen wie Blutgruppe, Allergien oder verschriebene Medikamente fänden. Deshalb hält sie eine Verteufelung der Karte aus Datenschutzgründen für falsch.
    "Wir sagen bei lebensbedrohlichen Dingen finden wir ist der Datenschutz nicht das vorderste Problem. Es ist so, dass Patienten heute manchmal so ein Schreck eingejagt kriegen, was den Datenschutz anbelangt, der ist aus unserer Sicht auch ein bisschen übertrieben. Wenn es um lebensbedrohliche Dinge geht, dann ist es sicherlich sinnvoll, dass man bestimmte Dinge schneller weiß über den Patienten, z. B. in der Notfallmedizin."
    Hysterische Maserndiskussion
    Auch die Diskussion um Masern und Impfungen findet sie zu hysterisch.
    "Ich bin dafür, dass z. B. Kleinkinder im frühen Alter geimpft werden, weil es eine ganz einfache Angelegenheit ist, so was bei Kinderkrankheiten mitzumachen. Aber dass man im Nachhinein jetzt anfängt und die Leute detektiert, die das alles nicht tun, das finde ich eine übertriebene Art der Aufbereitung."
    Entscheidend sei im Gesundheitswesen immer, dass mit den Patienten gesprochen und nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden werde - so ihr Fazit. Dass Patienteninteressen deutlicher gehört werden, dazu hat das Aktionsbündnis maßgeblich beigetragen. Auf der heutigen Jahrestagung in Berlin wird sich daher auch die ganze Branche ein Stelldichein geben - von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe über die Krankenkassen und Versicherungen bis hin zu Ärzten und Krankenhausvertretern.