Freitag, 29. März 2024

Archiv

Fotografie der Weimarer Republik
Dokumente einer rasanten Zeit

Travestieshows mit Charleston und Champagner sowie Frauen in Hosen mit Bubiköpfen: Das war die eine Seite der Weimarer Republik. Die andere bestand aus Armut, Klassenkampf, Hunger und erneuter Kriegsfurcht. Das LVR Landesmuseum Bonn zeigt nun Fotos aus der ersten deutschen Demokratie.

Von Sarah Mahlberg | 05.10.2019
Die schwarz-weiß-Aufnahme einer jungen lachenden Frau, die mit einer alten Fotokamera aus einem Schacht herausschaut. Deutsches Reich: Aufnahme: B. Federmeyer - Erschienen in: 'Blatt' 26/1929 Originalaufnahme im Archiv von ullstein bild
Manchmal auch vor der Linse anzutreffen: Eine Pressefotografin bei der Arbeit. (ullstein bild - Federmeyer )
Die "goldenen Zwanziger" sind nur ein Kapitel der Fotoausstellung über die Weimarer Republik. Die Ausstellung ist thematisch angeordnet und behandelt neben Tanz und Mode auch Themen wie Arbeiterfotografie, Technik und Sport. Insgesamt vierzehn Kapitel sind so zusammengekommen, um die vielfältige Geschichte der jungen Republik zu erzählen. Wichtige Aspekte sind die Folgen des ersten Weltkriegs und die Sorge vor einem zweiten, veranschaulicht im Kapitel "Das Ringen um die Republik". An der Wand hängen Fotos von Straßenkämpfen und Naziaufmärschen.
Das Kapitel zeigt, wie fragil die Zeit der Weimarer Republik war. Bemerkenswert ist die Fülle an Fotografien, mit der das Landesmuseum aufwartet, unter anderem ausgeliehen aus Dresden, Hamburg oder Berlin. Vierhundert Bilder präsentiert die Ausstellung. Bei so vielen Fotos gab es selbst für die Kuratorin Adelheid Komenda die eine oder andere Neuentdeckung.
"Zum Beispiel Willi Ruge, der zwar letztes Jahr auch mit ner größeren Ausstellung in Berlin schon zu sehen war aber auch eben wiederentdeckt wurde. Den haben wir jetzt auch gar nicht vom Namen her sondern von seinen Bildmotiven mehr oder weniger zufällig ausgewählt."
Fotografie als Weg aus der Armut
Willi Ruge war schon im ersten Weltkrieg Bildberichterstatter der deutschen Luftwaffe. In Bonn ist er unter anderem mit der Nahaufnahme eines Rennwagens vertreten. Aus diesem Wagen heraus hat Ruge offensichtlich während der Fahrt die Reifen abgelichtet. Die Aufnahme ist durch das hohe Tempo ganz verzerrt - ein Paradebeispiel für das neue Sehen. Im Gegensatz zu dem etablierten Willi Ruge bedeutete die Fotografie für viele Menschen auch einen Neustart, wie Adelheid Komenda berichtet.
"Da gab es ja eben Quereinsteiger aus verschiedensten Berufen aufgrund der großen, hohen Arbeitslosigkeit oder dass man eben andere Felder sich für die Betätigung suchen musste."
Ein prominentes Beispiel dafür ist der Fotojournalist Erich Salomon, der eigentlich Jura studiert hatte, als Fotograf jedoch leichter eine Anstellung fand. Das hing auch mit der erstarkenden Bildpresse zusammen. Die Fotografie war für den Gebrauch bestimmt, was man einigen Abzügen im Museum auch ansieht. Manche Bilder wurden nachträglich geschönt, mit Stiften nachgeschwärzt oder anderweitig zurechtretuschiert. Sie waren häufig für eines der damals erscheinenden 400 Magazine bestimmt.
Keine Kunst, sondern Handwerk
Auch viele Frauen arbeiteten als Fotojournalistinnen. So lösten sie sich von ihrer Rolle als bloßes Objekt und prägten Diskurse über das Bild aktiv mit. Von einer Gleichberechtigung spricht Adelheid Komenda trotzdem nicht.
"Wir haben ja zwar dieses neue Bild oder dieses Bild der modernen Frau. Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind, betraf das die Frauen eher auch, die aus den bürgerlichen Verhältnissen kamen, die sich eben, ich sag jetzt mal sportliche Betätigungen, Freizeitaktivitäten, bestimmte Moden halt anders leisten konnten."
Dass Fotografie von den bildenden Künstlern noch als minderwertige Konkurrenz angesehen wurde und ein junges Medium war, machte es Frauen leichter, in diesem unterschätzten Bereich Fuß zu fassen.
Nebenbei ein bisschen Bauhaus
Die Fotoausstellung findet im Rahmen des Projektes "100 Jahre Bauhaus im Westen" statt. Doch auch dort wurde die Fotografie als Form künstlerischen Ausdrucks erst sehr spät wahrgenommen.
"Das Bauhaus ist ja 19 gegründet und eine reine Fotografieklasse als Einrichtung gab es erst ab 1929 im Bauhaus. Was aber nicht heißt, dass es vorher keine Fotografie gab, aber die wurde eher als abbildende Kunst genommen für die Objekte die im Bauhaus geschaffen worden sind und um die halt einfach wirklich auch zu vermarkten und um die zu zeigen, zu veröffentlichen und dann gab es natürlich auch da das Medium der Fotografie als junges Medium, damit wurde experimentiert, aber eher im kleinen und im privaten Bereich."
Das Bauhaus ist zwar Aufhänger der Ausstellung, tatsächlich aber auch nur in einem Kapitel von ihr Thema - und das teilt es sich mit Fotografien des Dada und Surrealismus. Die Ausstellung lohnt sich, selbst für die, die vom Bauhausjubiläum eigentlich schon genug haben. Es geht vor allem um die Weimarer Republik selbst und die Möglichkeiten, die den Menschen in diesen 14 Jahren auf einmal offenstanden.
Der Zeit haftet aber gleichzeitig auch eine gewisse Tragik an. Die glücklichen Menschen auf den Bildern wissen nicht, dass ihre Freiheit schon bald wieder vorbei sein wird. "Fotografie in der Weimarer Republik" zieht hinein in eine bewegte Zeit und zeigt die vielen Möglichkeiten der Fotokunst. Ein Facettenreichtum, das in dieser Form einzigartig geblieben ist.