Kulturpolitische Vorstellungen der AfD

Die Kunst ist frei - oder nicht?

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© Deutschlandradio
Von Stephan Schulz · 30.03.2017
In Magdeburg haben die Theatermacher Tobias Wellemeyer und Ulrich Khuon mit dem AfD-Kulturpolitiker Hans-Thomas Tillschneider diskutiert. Man blieb freundlich und gelassen - die Standpunkte könnten allerdings kaum unterschiedlicher sein.
Im Foyer kurz vor 19 Uhr. Die ersten Gäste haben die Einlasskontrolle hinter sich gebracht. Jetzt geben sie ihre Jacken an der Garderobe ab und kaufen sich ihr erstes Glas Rotwein. Sie blicken mit gemischten Gefühlen auf den bevorstehenden Abend. Zum ersten Mal wird ein AfD-Landtagsabgeordneter mit drei bekannten Theatermachern über das Thema "Wieviel kulturelle Vielfacht braucht das Land" diskutieren. Die Erwartungen sind entsprechend groß:
"Die AfD ist da. Ausgrenzen ist an sich gut, aber ich finde es sehr schön, ein toll besetztes Podium, da kann man über Kultur reden und mal tatsächlich die kulturpolitischen Erwägungen der AfD nicht auseinandernehmen, aber erkennen und hören. Und ich denke, das könnte sinnstiftend, vernünftig und gut sein."
"Ich hoffe sehr, dass es nicht irgendwie zu dem gemacht wird, was die Sicherheitsleute hier schon vermitteln wollen scheinbar, dass es Ausschreitungen geben wird oder so."

Friedliche Diskussion im Puppentheater

Die Befürchtung der jungen Frau wird sich nicht bewahrheiten. Im Gegenteil: Das Puppentheater erlebt eine kontroverse, aber friedliche Diskussion.
Der Moderator des Abends, Rüdiger Koch, einst Bürgermeister in Magdeburg, richtet sich gleich zu Beginn an den AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und zitiert dessen Sicht auf die Zukunft der Theater:
"In Zukunft wird die AfD ganz genau auf die Programmatik der Bühnen schauen, Intendanten, die ein zu buntes Agitprop-Repertoire mit Regenbogen-Willkommens-Trallala auf die Bühne bringen, denen muss man die öffentlichen Subventionen komplett streichen. Wenn ein Theater nur solche Stücke spielt, ansonsten nichts Sinnvolles macht, dann sehen wir keinen Sinn mehr darin, das zu fördern, dann werden wir natürlich sagen, dass das Ding zugemacht werden muss."
Will die AfD die Freiheit der Kunst abschaffen? Mit dieser Frage sah sich der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider konfrontiert. Seine Antwort:
"Es ging mir dabei keineswegs darum, in den Kanon einzugreifen und gewünschte und unerwünschte Werke zu sortieren, sondern, dass man sich wieder zurückbesinnt auf den deutschen Kanon, auf den Theaterkanon, der alles umfasst von Kleist bis Brecht."
Hans-Thomas Tillschneider, der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt, glaubt, dass in den Theatern nur noch - Zitat: "linksliberale Vielfaltsideologien" - Platz haben. Als Beispiel nennt er das deutsch-syrische Tanztheaterprojekt "Das Fremde so nah", das in der Bauhausstadt Dessau aufgeführt wurde.

Für "Agitprop" will die AfD kein Geld ausgeben

"Immer wenn man die Frage 'Was will uns der Dichter damit sagen' mit einem Satz beantworten kann - man findet die Masseneinwanderung gut, bitteschön, dann ist das keine Kunst mehr, dann fehlt mir eine gewisse Nachdenklichkeit, eine Offenheit, deshalb habe ich das Agitprop genannt und in der Tat, für sowas wollen wir kein Geld ausgeben."
Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats*, hört dem AfD-Mann aufmerksam zu. Er lässt ihn ausreden, fällt ihm nicht ins Wort. Dann schlägt er vor, eine Wertediskussion zu führen, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht:
"Da stehen ganz viele Sachen drin, an die wir uns einfach halten müssen. Zum Beispiel, die Kunst ist frei. Punkt, Aus und Schluss! Da steht nicht drin, die Kunst ist frei, wenn die AfD sie gut findet. Sondern da steht drin, die Kunst ist frei und da müssen sie sich einfach dran halten und deswegen können sie auch nicht sagen, ich entscheide, was politische Kunst ist, was Propaganda ist oder Ähnliches. Das ist nicht ihre Aufgabe."
Tillschneider, der promovierte Islamwissenschaftler, betont immer wieder, dass es ihm um das Deutsch-Sein gehe, um den Erhalt der deutschen Kultur.

Eine "reine" Kultur gibt es nicht

Er klingt ein wenig, als sei er aus der Zeit gefallen. So jedenfalls empfindet es Ulrich Khuon, der Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Er sagt, es habe nie eine reine Kultur gegeben:
"Deswegen ist es mir ein völliges Rätsel, dass sie den Eindruck erwecken, als gebe es sowas wie eine deutsche Nationalkultur, die man praktisch wie in so einem Vorgarten einhegen könnte, und da wird die gewissermaßen gepflegt wie so eine Blume. Kulturen sind immer Teil voneinander."
Deshalb sei Abschottung immer der falsche Weg. Es gehe um Austausch, um das miteinander reden, um das voneinander lernen.
Das Publikum applaudiert, nach zwei Stunden verlassen die 100 Zuschauer das Magdeburger Puppentheater so wie sie gekommen waren - mit gemischten Gefühlen:
"Demokratie heißt ja auch Meinungsfreiheit und auch kritische Meinungen aushalten und das haben die Teilnehmer auch gut hinbekommen."
"So eine Denke ist mir sowas von fremd, also es war sehr erschreckend."
Korrektur: (*) In der ersten Version des Textes stand eine falsche Funktionsbezeichnung von Olaf Zimmermann (er ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates), die wir hier korrigiert haben.
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