Kulturelle Unterschiede

Moderation: Nana Brink · 07.03.2006
Es gibt eine Reihe Neuerscheinungen deutsch-türkischer Autoren, die sich mit der Identität einer neuen türkischen Generation in Deutschland beschäftigen. Dazu gehört auch Hilal Szegins neues Buch "Typisch Türkin?". Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur verrät sie, warum das Fragezeichen im Titel für sie bedeutend ist.
Deutschlandradio Kultur: Es gibt eine Reihe von Neuerscheinungen deutsch-türkischer Autoren, die sich mit der Identität einer neuen türkischen Generation in Deutschland beschäftigen - so zum Beispiel das Buch "Typisch Türkin?" der Autorin Hilal Szegin, geboren 1970 in Frankfurt am Main. Sie studierte Philosophie und betreut seit 1999 die Sachbuch-Redaktion der "Frankfurter Rundschau". Ich begrüße sie jetzt im Studio. Frau Szegin, "Typisch Türkin?" - hinter dem Titel haben Sie ein Fragezeichen angemerkt, also gibt es keine eindeutige Antwort?

Hilal Szegin: Auf das Fragezeichen lege ich in der Tat wert, weil es ist ein bisschen ironisch gemeint. "Typisch Türkin?" hat sich für mich als Titel des Buches rauskristallisiert, weil so unheimlich viele Frauen, so unterschiedlich sie sonst waren, erzählt haben, dass sie immer wieder in Situationen geraten sind, wo ihnen jemand gesagt hat 'na ja gut, dann bist du aber auch nicht typisch Türkin'. Ja, oder nicht typisch Muslim oder irgendwie so was in der Art.

Also zum Beispiel, wenn man kein Kopftuch trägt, wenn man bestimmte Gewalterfahrungen in der Familie nicht gemacht hat, wenn einem die Türkei nicht so nahe steht oder nicht wesentlich näher steht als Spanien als Urlaubsland oder was auch immer, wenn man politisch gerne diskutiert. Es gab ganz verschiedene Punkte, wo die Frauen immer wieder erlebt haben, dass jemand sagt, 'na ja gut, dann bist du ja schon praktisch Deutsch'. Das war irgendwie sehr kränkend für die Frauen zu sagen 'wieso bin ich dann jetzt plötzlich nicht mehr typisch. Wo soll denn dann die typische Türkin eigentlich sein.'

(…)

Deutschlandradio Kultur: (…) Der Untertitel Ihres Buches heißt ja "Porträt einer neuen Generation", vielleicht genau genommen einer "neuen Frauengeneration", das heißt ja "Typisch Türkin?". Was zeichnet denn diese Generation aus? Kann man das sagen?

Hilal Szegin: Ja, in der Tat haben wir das "Porträt einer neuen Generation" genannt, um das nicht so eng fassen zu müssen, also um so ein bisschen Platz zu lassen für die Vielfältigkeit und wirklich, die Frauen, ich sage das nicht jetzt nur aus ideologisch-programmatischen Gründen, aber die Frauen, mit denen ich gesprochen habe, also ich habe 19 Frauen für dieses Buch interviewt, zwischen 25 und 45 Jahren. Die waren wirklich ganz unterschiedlich. Aber gut, wenn ich jetzt Gemeinsamkeiten benennen sollte, wäre es, vielleicht das eine, was sexuelle Fragen angeht, glaube ich, wachsen schon die meisten deutsch-türkischen Frauen und Mädchen etwas zurückhaltender auf, etwas behüteter auf als die meisten deutschen Frauen. Das heißt, dass sie vielleicht auch länger ohne Freund bleiben. Das kann sein.

Also ich habe mit ein paar sehr erfolgreichen, also mit Ärztinnen, mit jungen Ärztinnen, gesprochen, die waren Anfang 30 und die lebten auch übrigens, zwei von denen lebten noch bei ihren Eltern. Ich denke, das wäre jetzt für deutsche Frauen eher selten, dass man sozusagen so nah bei der frühen Familie bleibt und nicht zwischendurch mit Freunden wohnt. Was anderes ist: Ja, es gibt natürlich diesen Türkei-Bezug, die meisten fahren nach wie vor mindestens einmal im Jahr die Türkei besuchen - Verwandte oder einfach nur Urlaubsorte, also muss nicht unbedingt zu Verwandten fahren. Es kann auch sein, dass man den Robinson-Club sozusagen als Kulisse benutzt. Das sind vielleicht so, aber das sind auch nur ganz vage Punkte.


Das vollständige Gespräch mit Hilal Szegin können Sie für begrenzte Zeit nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.