Kultur ja, Geld nein

Von Günter Rohleder · 19.08.2012
Der Intendant des Theaters in Dessau ist empört: Kurz vor Beginn der neuen Spielzeit kürzte der Kultusminister die Mittel. Und dass, obwohl das Spielhaus mit seinen 340 Mitarbeitern und dem Orchester schon seit Jahren unterfinanziert ist.
Kann eine Mittelkürzung in Höhe von 205.000 Euro ein großes Theater wie das Anhaltische in Dessau mit einem Etat von rund 16 Millionen Euro wirklich gefährden? Es sterbe sich ja nicht so einfach, sagt André Bücker, Generalintendant seit 2009. Um die Mittelkürzung ins Verhältnis zu setzen, muss man weiter ausholen. Da ist die Stadt Dessau. Dessau ist reich an Kultur: Da ist Bauhaus mit seinen Meisterhäusern, und da ist die Wörlitzer Gartenlandschaft, beide genießen Weltkulturerbe-Status. Und da ist das Anhaltische Theater.

Das große Vierspartentheater mit 340 Mitarbeitern unterhält ein Orchester von 84 Musikern, die anhaltische Philharmonie, es unterhält ein Ballettensemble, ein Musiktheaterensemble und ein Puppentheaterensemble:

"Wir machen halt wirklich Theater in allen Sparten, vom Sinfoniekonzert über den festlichen Opernabend, über die Klassiker der Dramenliteratur bis hin zu Gegenwartsdramatik und Puppentheater sowohl für Erwachsene als auch für kleinste Kinder in den Kindertagesstätten."

Der Intendant André Bücker lobt das Stadttheater als Institution: Es könne mit seiner spartenübergreifenden Vielfalt unterschiedlichste Menschen unterschiedlichster Herkunft erreichen. Bücker will Grenzen aufbrechen und die Künste zusammenbringen. Warum nicht klassische
Sprechtheatergänger, die sich bisher nie für Tanz interessiert haben, zum Tanztheater verführen? Und über den Spielplan hinaus soll das Theater Kulturzentrum und Debattenforum sein.

Der Erfolg dieses Konzepts liegt für Andre Bücker auf der Hand: 180.000 Besucher im Jahr, und das in einer Stadt mit rund 80.000 Einwohnern. Vergleiche mit Magdeburg und Halle brauche man da nicht zu scheuen. Allein über den 'Anhaltischen Besucherring' wurden über 50.000 Bewohner der umliegenden Gemeinden ins Theater gebracht.

Aber der kulturelle Reichtum Dessaus findet keine Entsprechung im städtischen Kulturetat. Dessau ist hoch verschuldet und finanziell überfordert mit seinem großen kulturellen Erbe. Die Einwohnerzahl schrumpft, die Sparbremsen der Politik schreiben die Schuldentilgung fest und nach dem Verteilungsschlüssel des Finanzausgleichsgesetzes, der etwa kinderreiche Städte bevorzugt, fühlt sich Dessau gegenüber Halle und Magdeburg stark benachteiligt.

Trotzdem beschloss der Stadtrat Dessau erst im April 2012, das Anhaltische Theater zu erhalten und auf Mittelkürzungen zu verzichten. 7,5 Millionen Euro bekommt das Theater pro Jahr von der Stadt an Zuschuss und noch einmal 7,5 Millionen vom Land. Bisher war die paritätische Finanzierung der Theater und Orchester die Regel in Sachsen-Anhalt. Wird diese Regel jetzt mit dem Sparbrief des Kultusministers gebrochen?

Nein, sagt der Sprecher des Kultusministeriums. Die Theater und Orchesterverträge des Landes seien ohne Kürzungen um ein weiteres Jahr verlängert worden, das gelte auch für das Theater in Dessau. Die Streichung von 205.000 Euro für 2013 betreffe allein einen Zusatzvertrag mit dem Anhaltischen Theater.

In der Tat kommt das Anhaltische Theater nur durch einen Zusatzvertrag über 1,12 Millionen Euro Landeszuschüsse auf sein Budget von gut 16 Millionen Euro. Intendant André Bücker:

"Wir haben einen sogenannten Vertrag 'Theater der Regionen'. Und dieser Vertrag beinhaltet 1,12 Millionen Euro pro Jahr und aus diesem Vertrag wird diese Summe herausgekürzt. Das ist natürlich eine juristische Spitzfindigkeit, weil dieser Vertrag ist für uns überlebenswichtig. Und der ist mal gemacht worden, weil man vor Jahren gemerkt hat, dass die finanzielle Ausstattung des Anhaltischen Theaters nicht ausreicht und dann wurde das Theater in Wittenberg geschlossen vor zehn Jahren und da hat man gesagt: Okay, da sind Gelder frei geworden, wir müssen den Dessauern mehr geben, damit die überleben können und dann hat man einen Sondervertrag gemacht. Und jetzt zu behaupten, der Theater der Regionen Vertrag ist ja nicht der Theatervertrag, das ist schon ganz schön windig."

Und dann ist da der Kulturkonvent. Dieses Gremium aus Vertretern der Parteien und Kulturinstitutionen, von der Landesregierung im Herbst 2011 eingerichtet, soll ein neues kulturpolitisches Leitbild für Sachsen-Anhalt entwickeln und dazu Finanzierungsvorschläge machen. Aus den Vorschlägen dieses Konvents soll dann ein Landeskulturkonzept entwickelt werden.

Bisher hatte Kultusminister Stefan Dorgerloh stets betont, er wolle die Empfehlungen des Kulturkonvents abwarten, bevor er zur Tat schreiten würde. Muss der Konvent jetzt durch seinen Brief an das Anhaltische Theater als düpiert gelten? Intendant Andre Bücker findet, ja:

"Da muss sich wirklich jeder Teilnehmer fragen, ob er nicht instrumentalisiert wird, um nachträglich eine längst beschlossene Sparpolitik abzusegnen."

Das Geld sei verplant und er sei nicht bereit, den Spielplan kleinzuhacken, sagt der Intendant. Zusammen mit der Stadtkämmerei Dessau will er gegenhalten. Unmittelbar gefährdet sieht er die kommende Spielzeit nicht.

Aber es geht um mehr als um 205.000 Euro. Wie andere Theater auch ist das Anhaltische Theater bereits völlig unterfinanziert. In mit der Gewerkschaft ausgehandelten Haustarifverträgen verzichten die Mitarbeiter schon seit Jahren auf zehn bis 16 Prozent ihres Gehalts. Dieser Verzicht summiert sich im Jahr auf 1,8 Millionen Euro:
"Wenn Sie immer, und das über viele Jahre, genötigt werden, Ihre eigene Existenz zu legitimieren und Sie immer nur mitgeteilt kriegen, dass Sie eigentlich nix wert sind, dann nagt das an einem und das ärgert einen und macht einen wahnsinnig wütend."

Landeskulturkonzept? Gute Ideen gibt es schon seit Jahren. Eine heißt Umlandfinanzierung: Bisher gibt es nämlich in Sachsen-Anhalt kein so genanntes Kulturraumgesetz wie beispielsweise im Nachbarland Sachsen. Mit einem Kulturraumgesetz könnte man die umliegenden Landkreise verpflichten, gezielt in die kulturellen Einrichtungen der Städte zu investieren. Die Themen stehen seit Jahren auf der Agenda, man müsse sie nur, findet André Bücker.
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