Kultur in der DDR

Theaterstück mit politischer Brisanz

Der Saal des Staatsschauspiels Dresden.
Sah vor 25 Jahren noch ganz anders aus: Das Staatschauspiel Dresden. Es wurde nach der Restauration 2007 wiedereröffnet. © picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger
Von Eberhard Spreng · 12.04.2014
Es galt als ein brisantes Theaterstück in der DDR, von dem manche dachten, dass es verboten werden könnte: Vor 25 Jahren wurde "Die Ritter der Tafelrunde" von Christoph Hein am Staatsschauspiel in Dresden uraufgeführt.
Frühjahr 1989. Fast überall in den Ländern des Warschauer Paktes sind im Zeichen von Glasnost und Perestroika gewaltige gesellschaftliche Veränderungen im Gange. In der DDR beschäftigt sich der Regisseur Klaus Dieter Kirst am Staatsschauspiel Dresden mit dem neuen Stück von Christoph Hein, "Die Ritter der Tafelrunde", das erst nach einer Serie von Voraufführungen am 12. April 1989 seine Premiere erleben sollte.
"Ich hab's gelesen und hatte eine schlaflose Nacht, weil ich wusste: Das ist jetzt der Offenbarungseid des Systems; das ist etwas, was wir noch nie gemacht haben. Ich muss das schaffen, ich muss das schaffen, das muss sein, denn dafür haben wir alles eigentlich bisher gemacht, dass wir an einen solchen Punkt kommen, wo die Wahrheit auf den Tisch kommt."
Tafelrunde als Parabel
Christoph Hein hatte die Artus-Sage und seine in Alter und Dekadenz versinkende Tafelrunde als Parabel benutzt, um hinter der historischen Maske die Zersetzung der DDR-Führung und ihrer Ideale zu thematisieren. Die Ritter der Tafelrunde wollen an einen Gral glauben, dessen Existenz immer stärker bezweifelt wird. Als Ritter Lancelot nach langer Suche an die Tafel zurückkehrt, wird der Konflikt offenbar.
"Ich habe gesucht und gesucht. Wenn der Gral auf der Welt wäre, ich hätte ihn finden
müssen.
- Er ist nicht leicht zu finden, ja.
- Er ist überhaupt nicht vorhanden.
- Unsinn Lancelot, der Gral ist unvergänglich.
- Oder, er ist wirklich nur eine Idee. "
Im Vorfeld der Aufführungen kamen Gerüchte in Umlauf, das Stück könne aufgrund seiner politischen Brisanz verboten werden, weil der Dramatiker Christoph Hein hier die gerade erst moderat erweiterten Grenzen des Sagbaren überschritten habe.
Atomsphäre war gespenstig
"Keiner wollte die Entscheidung treffen, sie hatten nicht die Kraft Nein zu sagen und sie hatten auch nicht den Mut ja zu sagen, also sodass sie sich dann immer gegenseitig die Verantwortung hinschoben und es endete mit einer Pattsituation. "
Aufgrund dieser Pattsituation zwischen Befürwortern und Gegnern innerhalb des Machtapparates wurden die zunächst annoncierte Uraufführung sowie einige weitere Aufführungen des Stücks zu Voraufführungen erklärt.
"Die Atmosphäre war gespenstig: Es gab bis zur Pause keine Reaktionen, die Schauspieler waren außer sich, weil sie ins Leere spielten, und erst am Ende der ersten Voraufführung gab es einen Beifall, den wir also hier nicht kannten in dieser Weise. "
Ganz augenfällig hatte der Uraufführungsregisseur der Figur des Keie, dem verbohrtesten der Tafelritter, das Antlitz und die Frisur Stalins gegeben. Und ganz offensichtlich war in dem Streit zwischen Artus und seinem Sohn Mordret der Generationenkonflikt aufgehoben, der die DDR zerriss. Das ZK der alten Männer schaffte es nicht, sich zu verjüngen. Die DDR blieb machtgeschichtlich eine Ein-Generationen-Veranstaltung und scheiterte daran. Mit abenteuerlich eingeschränktem Sehfeld blickte die DDR-Kritik auf die Aufführung. Rainer-Kurt Langner gelang es tatsächlich in seiner DDR-Hörfunkkritik, Gegenwartsbezüge völlig auszuklammern.
"'Die Ritter der Tafelrunde', Christoph Heins neues Theaterstück, versetzt das Publikum achthundert Jahre zurück ins zwölfte Jahrhundert. Das ist ein groß angelegter und groß auch gedachter Zugriff des Dramatikers auf einen Stoff, der zudem ein Stück Funktionsgeschichte abendländischer Kultur und Literatur transportiert."
Abgesang auf eine untergegangene Epoche
Die DDR-Korrespondentin der Wochenzeitung "Die Zeit" Marlies Menge konstatierte dagegen nüchtern, was jeder normale Zuschauer auf der Bühne mit ihrem spiegelnd polierten Boden und ihrem großen runden Tisch erblickte: Eine Metapher für den ideologischen Zerfall der Herrschaft im Ost-Block.
"Heins Stück wird in Moskau ebensogut verstanden werden wie (in) Warschau oder Budapest. Es erzählt vom Zweifel an alten Werten, wie er im Augenblick in allen sozialistischen Ländern zu beobachten ist, vom Verlust der Ideale, vom Bröckeln der großen Idee."
Schneller aber als jeder Beteiligte dies im April '89 ahnen konnte, sollte die Geschichte der Straße die Kunst ein- und überholen. Damit wurden "Die Ritter der Tafelrunde" zu einem theatralischen Requiem, einem Abgesang auf eine untergegangene Epoche und für den Regisseur ein Abenteuer beim Streiten an den Grenzmarken der Kunstfreiheit.
"Theater war so wichtig geworden, es hat - ja, man kann es von heute aus so sehen – sagen, es hat ein bisschen Weltgeschichte mitgemacht und das ist so einmalig und so unwiederholbar aufregend, dass ich sagen muss: Diese Zeit ist mir das Kostbarste was ich erlebt habe. "
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