Kultur in der Coronakrise

Neue Ideen nach der ersten "Schockstarre"

05:21 Minuten
Ein Mann sitzt im Zuschauersaal der Semperoper in Dresden und wartet auf das Antrittskonzert von Christian Thielemann.
Bisher sind die Zuschauersäle der Theater und Konzerthäuser geschlossen, aber die Hoffnung auf vorsichtige Öffnung bleibt. © picture-alliance/dpa/Martin Förster
Christina Weiss im Gespräch mit Andreas Müller  · 23.04.2020
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Auf viel Fantasie und neue Präsentationsformen setzt Ex-Kulturstaatsministerin Christina Weiss in der Coronakrise. Eine "Schockstarre" habe die Kultureinrichtungen zunächst getroffen, aber viele entwickelten bereits Online gute Projekte.
Während Geschäfte wieder öffnen und auch die Schulen bald wieder Unterricht in einigen Klassenräumen anbieten, fühlen sich die Kultureinrichtungen eher vergessen. Nur in Brandenburg dürfen bislang die Museen wieder öffnen. Theater, Opernhäuser und Konzertsäle bleiben weiter zu und alle Festivals fallen im Sommer aus. Von einer "Schockstarre" spricht die Publizistin und frühere Bundeskulturbeauftragte Christina Weiss. Erst jetzt setze sich in den Häusern die Erkenntnis durch, dass alles länger geschlossen bleibe als ursprünglich gedacht.
Porträt von Christina Weiss in einem Hörfunkstudio
Um auf der Bühne großen Abstand zu halten, sei jedes Beckett-Stück geeignet, sagt Christina Weiss.© Deutschlandradio Kultur
Einige Theater hätten sich schon sehr gute Online-Angebote ausgedacht, so Weiss. So liefere das Augsburger Theater Virtual-Reality-Brillen nach Hause und hole sie zwei Stunden später wieder ab, damit Zuschauer ein komplettes Theaterstück zu Hause ansehen könnten. Das Wiener Burgtheater biete Lesungen an, viele Musiker zeigten Darbietungen auf ihren Webseiten.

Vorsichtige Öffnung

"Aber was mich beschäftigt ist, dass man diese Häuser teilweise wieder öffnen muss", sagt Weiss und erinnert an das nur dort entstehende Gemeinschaftsgefühl. Aber sie hält Teilöffnungen für denkbar: "Man muss auf der Bühne dann großen Abstand halten, das ist durchaus möglich." Da sei jedes Beckett-Stück geeignet. Vorstellbar sei auch, die Bühnen auf mehreren Ebenen zu verteilen. Denkbar wäre auch, weniger Zuschauer in den Saal einzulassen. "Man würde dann etwas ganz Exklusives schaffen", sagt sie. Vielleicht bekämen so innovative, jüngere Projekte und Künstler ihre Chance. Gerade im Konzertbetrieb seien neue Präsentationsformen denkbar, die ein anderes und neues Publikum anlocken könnten.
"Dann wäre die Neugier auch wieder so groß, dass die Leute ins Theater gehen mit aller Vorsicht und ihren Eintritt bezahlen als gedachte Hilfe für die Künstlerinnen und Künstler", so Weiss. Sie hoffe da noch auf viel Fantasie.
(gem)

Christina Weiss ist Publizistin, Beraterin und Hochschullehrerin. Die Literaturwissenschaftlerin war von 2002 bis 2005 Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Davor war sie zehn Jahre lang Kultursenatorin in Hamburg, zeitweise im Senat auch für die Gleichstellung zuständig. Weiss engagiert sich in verschiedenen Stiftungen und ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

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