Kultur als Grundnahrungsmittel

Von Jürgen König, Kulturkorrespondent im Hauptstadtstudio · 23.10.2013
Er sorgte dafür, dass Deutschland als Standort für Filmproduktionen konkurrenzfähig wurde. Weil er über einen wachsenden Kulturetat verfügte, nannten ihn manche den "Geldautomat". Wer immer Bernd Neumann (CDU) nachfolgen wird: Es ist ein großes Erbe anzutreten.
"Kulturellen Stallgeruch" brachte Bernd Neumann - anders als seine Vorgänger - nicht mit ins Amt. Sinnstiftende Reden zu halten, intellektuell aufregende Debatten anzustoßen, was viele für die genuine Aufgabe eines Kulturstaatsministers hielten und halten, war und ist seine Sache nicht. Und doch prägte er dieses Amt wie niemand vor ihm. In seinem Amtsverständnis ist Kultur nichts, was ein reiches Land sich, dem vermeintlich "Wahren, Guten, Schönen" auf der Spur, nebenbei auch noch leisten sollte, sondern: von grundlegender Bedeutung für einen modernen Staat.

Bernd Neumann - der "Geldautomat"

Entsprechend ist für Neumann Kulturpolitik immer auch Gesellschaftspolitik, kann in besonderem Maße auch Wirtschaftspolitik sein: Das von ihm aufgelegte Sonderprogramm von 130 Millionen Euro für den Denkmalschutz etwa bedeutete ja nicht nur einen kulturellen Gewinn, sondern auch Aufträge für Dutzende kleiner und mittelständischer Betriebe in ganz Deutschland. Mit den parlamentarischen Abläufen, Gepflogenheiten, auch den Tricks und Kniffen des Bundestages seit Jahrzehnten vertraut, gelang es ihm, Abgeordnete aller Parteien von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen, insbesondere die des Haushaltsausschusses, manchmal in nächtelangen Sitzungen. Darin unterscheidet er sich wesentlich von seinen Vorgängern: dieser ständigen Pflege guter Beziehungen zu Abgeordneten sind die ständigen Erhöhungen seiner Etats vor allem zu verdanken - Bernd Neumann, der "Geldautomat", so nennen ihn nicht nur die Kulturschaffenden.

Einladung an alle Kultusminister

Er war der Erste, der alle Kultusminister der Länder zu sich ins Kanzleramt einlud – ein simpler Schritt und doch von enormer Wirkung. Denn gerade diese in Folge regelmäßigen Treffen trugen viel dazu bei, das Bund-Länder-Verhältnis zu entkrampfen: Was Bernd Neumann einen "kooperativen Kulturföderalismus" nannte, wurde auch für die Kultusminister der Länder zur praktikablen Arbeitsgrundlage. Indem er die Kulturpolitik des Bundes professionalisierte, machte Neumann das Amt des Kulturstaatsministers zu einem bundesweit wahrgenommenen - und akzeptierten Amt: zur Selbstverständlichkeit wurde, dass im föderalen Deutschland ein Kulturstaatsminister von Berlin aus Verantwortung für die Kulturpolitik ganz Deutschlands trägt.

Reiche Ernte

Auch seine inhaltliche Bilanz kann sich sehen lassen: das Thema "Kulturelle Bildung" machte er populär – zum Ärger anderer Ministerien, die das Thema verschlafen hatten. Neumann brachte die Provenienzforschung zur Restitution von Raubkunst auf den Weg, machte Deutschland als Standort für Filmproduktionen international konkurrenzfähig. Die Entwicklung der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" brachte er mit Einfühlungsvermögen voran, nicht nur im Urheberrechtsstreit machte er sich lautstark die Position der Kreativen zu eigen. Einen "Bundeskulturminister" brauche Deutschland nicht, hat Bernd Neumann immer betont. Doch agierte er stets so, als wäre er es schon. Wer immer ihm nachfolgen wird: Es ist ein großes Erbe anzutreten. Dieses tatsächlich in einem "Bundeskulturministerium" zu tun, das zuständig wäre auch für die auswärtige Kulturpolitik, die Netzpolitik und die Kreativwirtschaft, böte einen idealen Rahmen dafür.

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