Kultphänomen "Fortnite"

Der Tanz, der aus dem Computer kam

Verschiedene Leute stehen auf einem Messegelände unter einem Fortnite-Schild
Kult: Das Computerspiel "Fortnite" - hier vertreten auf der Computerspielemesse in Los Angeles. © imago/Ariana Ruiz
Von Mike Herbstreuth · 21.07.2018
Wenn Menschen plötzlich wie Marionetten zu tanzen beginnen und andere dabei verwirrt aus der Wäsche schauen, dann hat "Fortnite" wieder zugeschlagen: Immer mehr Menschen imitieren die Tänze aus dem populären Computerspiel – auch berühmte Fußballer.
Fußball-Weltmeister Antoine Griezmann macht es. Der englische Fußballer Dele Alli macht es auch. Und sogar die Spieler des Karlsruher SC machen es:

"Was ist das denn bitteschön für ein Torjubel", fragt sich der Sport-Kommentator und ist offensichtlich kein Fortnite-Spieler. Sonst wäre ihm der Jubel der KSC-Spieler bekannt vorgekommen: Es ist – genau wie bei Griezmann, Alli und vielen anderen Sportlern – ein Tanz aus dem Videospiel Fortnite.

Der Tanz mit dem "L"

Wobei Tanz vielleicht ein bisschen zu viel gesagt ist. Viel mehr sind es ein paar Sekunden kurze, simple, choreografierte Bewegungen. Griezmanns Favorit namens "Take The L" zum Beispiel:

Dieser Tanz besteht im Prinzip nur daraus, sich mit einer Hand ein L auf der Stirn zu formen und abwechselnd mit dem linken und rechten Bein zur Seite auszutreten.
Mit solchen Tänzen können sich die Spielerinnen und Spieler im Videospiel "Fortnite: Battle Royale" die Zeit vertreiben und vor allem feiern, wenn Sie einen Gegner erledigt haben. Und Gegner erledigen ist das Hauptziel von Fortnite: Zusammen mit 99 anderen wird man auf einem comichaften Schlachtfeld ausgesetzt – der letzte Überlebende gewinnt.

Popkultur im Alltag

Damit beschäftigen sich also weltweit über 125 Millionen Menschen in ihrer Freizeit – egal ob Fußballprofi oder Schulkinder. Die tanzen diese kurzen Choreografien gerne auf Schulhöfen oder versuchen sich in der Kantine an Fortnite-Dance-Battles mit anschließender Abstimmung, wer denn nun gewonnen hat.

"Erstmal ist es ja nicht ungewöhnlich, dass bestimmte Phänomene aus der Popkultur ihren Weg in den Alltag finden", sagt der Kulturwissenschaftler und Games-Experte Christian Huberts. "Auf dem Schulhof meiner Kindheit haben wir auch die Hero Turtles nachgespielt. Sobald etwas anschlussfähig ist und nachgemacht werden kann, passiert das."
Mit ihren kurzen Choreografien in perfekter Gif-Länge sind die Tänze aus Fortnite wie gemacht dafür, viral zu gehen. Und folgen damit dem Beispiel von Tänzen wie dem Harlem Shake, dem Gangnam Style oder vielleicht der Mutter aller viralen Tänze: dem Macarena.

Aus der Subkultur in den Mainstream

Was allerdings neu ist: Zum ersten Mal geht ein Element aus einem Computerspiel viral. Kulturwissenschaftler Christian Huberts sagt, zwar wurden Computerspiele schon früher aufgegriffen, aber...
"... in diesem Ausmaß wie bei Fortnite ist es schon sehr ungewöhnlich, dass ein Element eines Computerspiels so sichtbar wird und auf so vielen Ebenen im Alltag auftaucht. Und dass plötzlich auch Menschen, die keinerlei Berührung mit der Computerspielkultur haben, das auch mitkriegen."
Raus aus der Subkultur also, rein in die Populärkultur – auch wenn die Tänze in Fortnite selbst popkulturelle Referenzen auf Tänze oder Bewegungen aus Fernsehserien, Filmen, Musikvideos oder anderen Medien darstellen. Meta-Tänze, wenn man so will. Dank denen sich der Fortnite-Hype auch auf das allgemeine Bild von Computerspielen auswirken könnte.

Eine eingeschworene Gemeinschaft

"Tanz ist ja etwas, das allgemein als positiv in der Gesellschaft wahrgenommen wird", erklärt Christian Huberts. "Und hier wird ein Computerspiel jetzt mal nicht öffentichkeitswirksam sichtbar über Gewalt oder Suchtpotenziale, sondern über eine performative Geste, die Menschen untereinander durchführen, die sich untereinander wiedererkennen und die sich mitmachen lässt."
Vom Kind auf dem Schulhof bis hin zum Fußballprofi.
Soll noch einer sagen, dass Computerspielen nicht verbindet.
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