Kult-Jugendserie "Druck"

Kiki, Hanna und die anderen

05:21 Minuten
Das Gruppenfoto zeigt acht junge Darsteller - zwei junge Männer, sechs junge Frauen in Winterkleidung - aus der Serie "Druck", die die Alltagsgeschichten von Jugendlichen auf dem Weg zum Abitur erzählt.
Ganz normale Teenager mit Pickeln und Liebesproblemen: Darsteller der von funk fürs ZDF produzierten Youtube-Serie "Druck". © ZDF/Bantry Bay/Gordon Muehle
Von Yannic Hannebohn · 20.05.2019
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Vor wenigen Tagen lief das Staffelfinale der Youtube-Serie "Druck". Sie hat Millionen junge Zuschauer begeistert und wurde fleißig im Netz kommentiert und diskutiert. Schade, dass es das zu seiner Schulzeit noch nicht gegeben habe, meint unser Autor.
Eine Szene aus "Druck":

– "Ja, Mann, die letzten Schultage ever."
– "Außer wir bleiben hängen."
– "Doch."
– "Nein."
– "Wenn du meinst."
– "Diggi, wo ist mein Gras?"
– "Ja, ich krieg‘s gleich, aber ich geb‘s dir nicht wieder."
– "Was, warum?"
– "Weil ihr alle mit zur Abistreich-AG wolltet und mich alleine gelassen habt und ich irgendwelchen Scheiss-Vertrauenskreis machen musste."
– "Ey, Digga war Kiki auch da?"
– "Ja, war sie."
– "Und war sie normal?"
– "Keine Ahnung, so normal wie Kiki halt sein kann."

Online-Kommentare dazu:
"Die Jungs teilen sich echt eine Gehirnzelle, wie die immer reden."
"Ja, aber die ist auch schon zur Hälfte gestorben."
"Ist halt schon realistisch, in meinem Gymnasium sprechen viele Jungs auch nicht anders - haha."

Abiturienten-Probleme in Filmhappen

Die Probleme der Generation Z als Serie – das verfilmt "Druck". Die Filme verhandeln Konflikte wie: "Liebt er mich?", "Schaffe ich das Abitur?" Aber auch Zeitgeistiges, etwa: "Ist es okay, die App Grindr, auf der sich schwule Menschen daten, zu installieren?", "Was mache ich, wenn meine beste Freundin hungert um ein paar Kilo abzunehmen?"
Und das zieht. Seit etwas mehr als zwei Monaten diskutieren wieder Zehntausende junge Menschen über die Probleme der fiktiven Abiklasse, in Kommentarspalten auf YouTube, Instagram und in WhatsApp-Gruppen – überall da, wo die Serie ausgespielt wird. Die dritte Staffel der Serie "Druck" ist nach den ersten beiden Staffeln schon wieder ein gigantischer Erfolg. Sie basiert auf der norwegischen Serie "Skam". Als die Regisseurin Pola Beck zum ersten Mal mit dem Original in Berührung kam, war sie völlig begeistert:
"Und ich weiß, dass ich die dritte Staffel speziell – da saß ich in einem Bus von München nach Berlin oder so, und hab das alles, die ganze Staffel, in dieser Busfahrt durchgebingt und habe mich überhaupt nicht bewegt, nicht getrunken, und war so völlig fertig, als ich ausgestiegen bin. Und ich war danach so: Oh Gott, es gibt nichts Besseres als das."

Matteo, der schluffige Kiffer

Hauptfigur der dritten Staffel ist Matteo, ein schluffiger Kiffer, der nun endlich eine Freundin gefunden hat. Leider eine Beziehung bei der wir Zuschauer vor Fremdscham zusammenzucken, Sara steht auf Matteo, Matteo aber nicht auf Sara. Matteo steht auf Jungs. Undenkbar, dass seiner Jungsgruppe zu stecken:

– "Du erzählst nichts davon, was gerade bei dir abgeht…"
– "Muss ich ja auch nicht, oder?"
– "Na doch, ich find schon eigentlich. Ich mein, ich bin dein bester Freund und den Jungs kannst du auch vertrauen."
– "Alles was ihr immer wissen wolltet, war nur, ob ich sie gefickt hab."
– "Das stimmt einfach nicht."
– "Na doch, klar. Hast du Sara schon kathetert? Als wärt ihr irgendwelche notgeilen Hunde oder so."
– "Alter, wie redest du mit uns?"
– "Alter, wir kommen hierher weil wir dich bespaßen wollen, weil du den ganzen Tag so ne Fresse ziehst."
– "Ja, habt ihr falsch gedacht."
– "Digga, als ob das nur wegen Sara kommt, dass du …"
– "Nein, mein einziges Problem ist, dass meine besten Kumpel nichts anderes im Kopf haben außer Titten."
Nicht immer präsentiert das Drehbuch seine Konflikte so offen wie in dieser Szene. "Druck" arbeitet mit visuellen Elementen und ausgewählter Popmusik, die viele Szenen besser kommentiert als die Dialoge der Jugendlichen.

Probleme der Generation Z, die einen fesseln

Matteo gräbt sich oft in seinem Zimmer ein, starrt an Wände, tippt unsicher Nachrichten in sein Smartphone, die er wieder löscht, dann macht er sich noch einen Joint an.
Vielleicht erkennt man in Matteo seine eigene Lethargie, vielleicht aber sind es aber auch die Selbstwertprobleme von Kiki, Hannas Angst vor Zurückweisung oder die Familienprobleme von Alexander, die einen an den Bildschirm fesseln.
Pola Beck sagt: "Ich glaube, dass man andockt an irgendetwas und wenn es nicht die Hauptfigur ist, dann ist es die Nebenfigur. Ich glaube, dass es doch auch ein bisschen Nostalgie und Sehnsucht ist: Hätte ich doch nur auch solche Freundinnen gehabt."
"Druck" wird zwar als Jugendserie ausgespielt, findet aber genauso ein älteres Publikum. Das ist nicht überraschend, weil "Druck" eine Lücke besetzt, indem es aktuell relevante Themen wie Feminismus, sexuelle Belästigung und Transsexualität in ein zeitgemäßes Setting übersetzt. Ohne Zeigefinger und unaufgeregt.

Was kann man in einer Jugendserie zeigen?

Die Regisseurin weiter: "Zum Beispiel diese Szene wo es um sexuelle Belästigung geht. Man sieht: Er holt sich hinter ihr einen runter, sie merkt es erstmal nicht, weil sie betrunken ist. Da haben wir uns sehr eng mit der Redaktion ausgetauscht, weil es ja eben auch eine Jugendserie ist. Was können wir zeigen? Weil es muss ja auch eine Drastik haben, dass man Nachfühlen kann, was da gerade passiert ist. Wenn das nur behauptet wird, ich das aber nicht erlebe, dann ist das eigene Erleben geschwächt – das wollten wir auch nicht. Wir wollten das erlebbar machen, damit man sich auch ekelt. Dass man denkt: Was hat er denn da gemacht?"
Pola Beck und ihr Team haben das Drehbuch des norwegischen Originals "Skam" so ins Deutsche übersetzt, dass Singles und Pärchen, LGBTQ+ und Heteronormative, Muslime, Christen und Atheisten die Herausforderungen dieser Generation miterleben können.
Ich wünschte so eine Serie hätte es zu meiner Schulzeit gegeben.
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