Küssende Polizisten als "Schande für Russland"

26.11.2007
Zwei Männer, an ihrer Uniform unschwer als russische Polizisten erkennbar, stehen in einem Schnee bedeckten Birkenwald. Die beiden umarmen sich, die Hand des einen liegt auf dem Po des anderen, und sie küssen sich. Das ist ein Bild des russischen Künstlerduos Blue Noses, Blaue Nasen, und dieses Bild ist eine Schande für Russland - findet der russische Kulturminister Alexander Sokolow. Das Bild, das zu einer Ausstellung nach Paris reisen sollte, wurde an der Grenze beschlagnahmt.
Nicht zum ersten Mal, denn schon im Frühjahr wurden Bilder, die in Dresden in einer Ausstellung mit dem Titel "Learning from Moscow" gezeigt werden sollten, von den Behörden nicht außer Landes gelassen. Und nun streitet sich der russische Kulturminister auch noch mit dem Direktor der Tretjakow-Galerie, einer der wichtigsten des Landes, über die satirische Kunst. Museumsdirektor Walentin Rodionow sieht die Galerie durch den Kulturminister "in den Dreck gezogen" und verlangt eine Entschuldigung. Sokolow hatte Werke der Künstlergruppe Blue Noses, die in der Tretjakow-Galerie zu sehen waren, als Pornografie abgestempelt.

Der Berliner Galerist Volker Diehl, der die "Blue Noses" betreut, zeigt die umstrittenen Bilder noch bis zum 15. Dezember in seiner Berliner Galerie. Er hatte sie einfach auf einer Foto-CD mit nach Deutschland genommen und hier ausgedruckt. Insofern empfindet er die Zensurversuche der russischen Behörden zwar einerseits als "lächerlich", andererseits als bedrohlich.

Merkwürdig sei es, so Diehl im Deutschlandradio Kultur, dass die Werke in Russland selber keine Probleme bereiten würden. Es sei noch keine Ausstellung geschlossen worden. "Sobald die Arbeiten aber ins Ausland gehen sollen, wird genau hingeschaut und dann auch mal, wie jetzt gerade, 23 Arbeiten konfisziert", wundert sich Diehl. Die Werke, die im Rahmen der Ausstellung "Sots Art" in der Maison Rouge in Paris gezeigt werden sollten, wurden zuvor als erste Station im Februar in der Tretjakow-Galerie ausgestellt - ohne Probleme, wie Diehl betont.

Das Verhältnis der Obrigkeit zur Kunst sei äußerst ambivalent, so Diehl weiter. Er arbeite seit elf Jahren in Russland, habe in all der Zeit aber nie von einer Galerieschließung gehört. Es gebe auf der einen Seite so etwas wie Ausstellungsfreiheit, auf der anderen Seite dann so Einzelaktionen wie jetzt, die bedenklich stimmen.

Diehl eröffnet gerade eine eigene Galerie in Moskau. Als erste Ausstellung sollen Werke aus den 80er Jahren unter dem Titel "Glasnost/Perestroika" gezeigt werden. Verwunderlich sei, so Diehl, dass diese Arbeiten jetzt wieder eine erstaunliche Aktualität hätten.

Sie können das vollständige Interview mit Volker Diehl mindestens bis zum 26.4.2008 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
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