Künstlerzentrum statt Touristenpilgerstätte

Von Agnes Bührig · 11.01.2010
Über 40 Jahre lebte und arbeitete der schwedische Filmregisseur Ingmar Bergman auf der Insel Fårö. Der Traum seiner Tochter Liv Ullmann, in den Wohnräumen ihres verstorbenen Vaters ein Künstlerzentrum einzurichten, wird nun langsam Wirklichkeit. Die zugehörige Stiftung sucht nur noch einen geeigneten Leiter.
Liv Ullmann und Bibi Andersson am Strand von Fårö. Im Vordergrund nordische Krüppelkiefern, im Hintergrund die Weite der Ostsee. 1965 drehte Ingmar Bergman hier seinen Film "Persona", verliebte sich in dieses Stückchen Erde und wurde sesshaft. Zwei Jahre später bezog er das Haus Hammars, in dem fast 40 Jahre lang Drehbücher und Manuskripte entstanden. Dass dieser Ort nun Sitz eines Künstlerzentrums werden soll, darüber ist Bergmans Tochter Linn Ullmann sehr glücklich:

"Das hier ist ein kulturelles Erbe, nicht nur für Schweden, Norwegen, Dänemark, auch für Europa und die USA. Es ist ein Ort, den viele aus den Filmen meines Vaters wiedererkennen. Und es ist ein Platz zum Arbeiten. Mir war es wichtig, etwas in Ingmar Bergmans Sinne zu machen und dass es in diesen Häusern weiterhin um Kunst geht."

Diesen Traum erfüllt jetzt der norwegische Millionär Hans Gude Gudesen, der die Künstlerstiftung "Bergmangårdarna" finanziert. Derzeit wird nach einer Leitungspersönlichkeit gesucht. Ihre vorderste Aufgabe wird es sein, Kulturschaffende auszuwählen, die auf Ingmar Bergmans einstigem Anwesen in Ruhe arbeiten können, sagt Linn Ullmann. Die norwegische Schriftstellerin hat das Konzept für das Künstlerzentrum im Geiste ihres Vaters entwickelt:

"Wir stellen uns vor, dass Künstler, Forscher und Journalisten aus der ganzen Welt sich bewerben, um hier in den Häusern einige Wochen oder Monate an ihren Projekten zu arbeiten. Dabei ist es uns wichtig, dass von dieser Arbeit etwas zurückkommt auf die Insel, eine Art künstlerischer Zins. Wer ein Filmmanuskript fertig schreibt, komponiert oder fotografiert, muss eine Ausstellung machen oder seinen Film zeigen, wer ein Kinderbuch schreibt, eine Lesung veranstalten."

Hans Gude Gudesen ist es zu verdanken, dass Künstler aus aller Welt zukünftig an Bergmans Originalmöbeln arbeiten können. Neben dem gesamten Anwesen erwarb der studierte Archäologe auch große Teile des Inventars, das gemäß Bergmans Letztem Willen im vorigen Jahr versteigert wurde. Jetzt soll alles wieder zurück nach Fårö, auch die Oscarstatue ihren alten Platz auf dem Klo im Haupthaus Hammars wieder einnehmen, erzählt Inger Harlevi, die Vorsitzende der Stiftung "Bergmangårdarna":

"Er baute das Haus für sich selbst und für Liv Ullmann, die seine Gattin war. Da haben sie zusammengewohnt, mehr als zehn Jahre, er hat danach das Haus vergrößert, verlängert. Bergman liebte die Arbeit, alle sollten sich mit etwas beschäftigen, und er engagierte sich auch in allen Gesprächen, mit Verwandten und Kindern, mit Enkelkindern, wirklich mit allen."

Auch für die Tochter Linn Ullman war Fårö prägend. Die Landschaft, die Menschen, die Geschichten, die man sich hier erzählte, beeinflussten ihr eigenes Schreiben.

Umso wichtiger war es ihr, dass das Anwesen nicht von einer Hotelkette gekauft wird oder Touristengruppen durchs ehemalige Wohnzimmer ihres Vaters laufen. Fast 40 Jahre lang ließ sich Bergman von der Insel inspirieren, auch in Zukunft sollen hier Künstler wirken. Allerdings in moderner Art und Weise, die Beruf und Familie vereint, sagt Linn Ullmann:

"Ich finde, dass die alte Künstlerrolle überholt ist, dass vor allem Männer alles für die Kunst geben. Ich bin damit aufgewachsen. Mein Vater hat seine Familie, seine Kinder, alles geopfert, um der große Künstler zu sein. Ich bin auch Künstlerin, Schriftstellerin, und natürlich sollte man bei der Kunst keine Kompromisse eingehen. Aber auch als Eltern nicht. Deshalb will ich, dass das Künstlerzentrum auf Fårö aktiv mit dem Kindergarten und der Schule zusammenarbeitet."

Touristen und Filmfans, die ihrem Idol nahekommen wollen, verweist sie an das Bergmanzentrum. Diese zweite Stiftung, die zu Teilen von der Kommune Gotland getragen wird, will die alte Schule von Fårö zum Informationszentrum umgestalten, mit Ausstellungen zu Bergmans Leben und Souvenirladen, erklärt der frühere Regierungschef Ingvar Carlsson, der heute Vorsitzender der Stiftung "Bergmanzentrum" ist:

"Ich glaube, das Gebäude wird leicht mit Leben zu füllen sein. Im Sommer gibt es Invasionen von Besuchern auf Fårö. Die Schule liegt nicht weit entfernt von der Kirche, bei der Ingmar Bergman begraben ist. Jetzt ist nur die Frage, wie wir die Voraussetzungen für eine Ausstellung schaffen können, für einen Ort, an dem man länger oder kürzer verweilen kann und seine Filme sehen."

Sechs Spielfilme, zwei Dokumentationen und die Fernsehserie "Szenen einer Ehe" drehte Bergman auf Fårö. Dass sich auch in Zukunft Künstler von der Insel inspirieren lassen werden, darüber wäre er sicher glücklich, meint Inger Harlevi von der Stiftung "Bergmangårdarna":

"Ich glaube, dass er lächelt, und er ist zufrieden in seinem Himmel."