Kubin: China soll Gastland bleiben

13.07.2009
Der Lyriker und Sinologie-Professor Wolfgang Kubin hat sich vehement dagegen ausgesprochen, China wegen seines blutigen Vorgehens gegen die Uiguren als Gastland von der Frankfurter Buchmesse wieder auszuladen. Das würde die falschen Leute treffen, sagte Kubin. Man müsse jede Situation nutzen, um ins Gespräch zu kommen. Die Politik, "sich voneinander fernzuhalten, wenn man nicht miteinander übereinstimmt", sei überaltert, so der Bonner Professor.
Zugleich betonte Kubin, dass in Frankfurt kein chinesischer Autor von Weltrang vertreten sein werde. Zwar würden alle großen chinesischen Verlage vor Ort sein und ihre international erfolgreichen Erzähler präsentieren. Diese erzählten aber alle "im Stile des 19. Jahrhunderts". Er könne sich unter deutschen Intellektuellen und Schriftstellern niemanden vorstellen, der diese chinesischen Autoren überhaupt lese. "Sie spielen intellektuell in der deutschen Diskussion über China so gut wie (…) keine Rolle", sagte Kubin.

Die großen Vertreter der chinesischen Weltliteratur - vor allem die Dichter - würden hingegen nicht nach Frankfurt kommen. Einige dieser Dichter hätten inzwischen eine zweite Staatsbürgerschaft, andere seien nicht im chinesischen Schriftstellerverband. "Wir bekommen (…) auf der Buchmesse nur eine Literatur aus China präsentiert, wie sie offiziös gesehen und verstanden wird", betonte Kubin.

Seit den ersten marktwirtschaftlichen Reformen in China Anfang der 90er Jahre hätten sich die chinesischen Schriftsteller dem Markt angepasst, sagte Kubin. Die Dichter seien hingegen an den gesellschaftlichen Rand gedrängt worden. Das Subversive habe in der chinesischen Literatur keinen Raum mehr. Die mittlere und ältere Generation, sofern sie im schriftstellerischen Bereich oder an den Hochschulen tätig sei, werde heutzutage vom Staat hofiert.

"Da gibt es vom Staat Zuwendungen. Wenn sich nun ein solcher Intellektueller nicht staatskonform verhält, sich kritisch äußert, so werden ihm diese Zuwendungen entzogen und damit ist sein Leben dann nicht mehr so schön wie vorher."

Die jüngere Generation sei hingegen ohne politisches und historisches Bewusstsein in den 90er Jahren aufgewachsen. Sie habe "überhaupt keine Vorstellung" davon, was sich 1989 bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung ereignet habe. "Sie empfindet sogar unsere Rede über den vierten Juli 1989 (…) als eine provokante Fiktion", sagte der Professor. Zwar habe es seit 1949 niemals so viel Freiheit wie heute in China gegeben: Es würden inzwischen sogar Werke von regimekritischen Autoren verlegt. Deren Sprache verstehe in China aber niemand mehr, sagte Kubin.

Das vollständige Gespräch mit Wolfgang Kubin können Sie in unserem Audio-on-Demand-Angebot bis mindestens 13. November 2009 nachhören. MP3-Audio