Kritik an Tech-Elite

Demokratie ist nicht einfach eine veraltete Technologie

05:25 Minuten
Moderatorin Anke Schaefer im Gespräch mit Bijan Moini auf der Republica in Berlin.
Die ambivalenten gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie im Blick: Deutschlandradio-Moderatorin Anke Schaefer und der Autor und Jurist Bijan Moini. © Deutschlandradio
Bijan Moini im Gespräch mit Anke Schaefer · 08.05.2019
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Alle gesellschaftlichen Probleme können mit Technik gelöst werden. Dieses Denken sei in den Chefetagen der Tech-Elite "weit verbreitet", sagt Bijan Moini. Doch selbst wenn es solche Lösungen geben würde: sie hätten einen hohen Preis.
Gibt es für jedes Problem eine technische Lösung - und eine viel bessere, als sie in mühsamen politischen Prozessen erzielt werden könnte? Davon scheinen jedenfalls in der Tech-Community viele überzeugt zu sein.
"Solutionismus" und "Tech-Religion" nannte der Soziologe Oliver Nachtwey diese Haltung im Rahmen eines Vortrags auf der Republica in Berlin. "Deshalb fokussiert man auch auf das Konzept der Smart Cities, in denen die kommunale Infrastruktur und Verwaltung in die Hände von Technologieunternehmen gelegt werden soll. Die parlamentarische Demokratie als Ganzes wird dementsprechend auch oft als 'veraltete Technologie' betrachtet."

"So was kann einem ja auch zu Kopf steigen"

Der Glaube, Politik lasse sich durch Technologie ersetzen, sei in den Chefetagen der Tech-Elite "schon sehr weit verbreitet", findet auch der Jurist und Romanautor Bijan Moini. "Wenn man sich ansieht, welchen Einfluss Google und Facebook auf die Welt haben, da kann einem so was ja auch ein bisschen zu Kopf steigen: 2,3 Milliarden monatliche Nutzer bei Facebook, kein Staat hat so viele Menschen unter Kontrolle – vielleicht nur in Anführungszeichen, vielleicht auch nicht."
Moini räumt ein, dass es durchaus verlockend sei, einige Bereiche von Algorithmen regeln zu lassen, zum Beispiel den Verkehrssektor. Vor der Vorstellung von Smart Cities warnt er hingegen: "Das Problem ist, dass das alles nicht mehr demokratisch rückangebunden ist, dass es keine Kontrollinstanzen mehr gibt." Gleichzeitig beriefen sich Technologiekonzerne, wenn es um die Offenlegung ihrer Algorithmen geht, auf Geschäftsgeheimnisse. Insofern gebe es auch keine effektive Möglichkeit, ihnen auf die Finger zu schauen.

Die Freiheit bleibt auf der Strecke

Wie eine Welt aussehen könnte, in der Algorithmen das Ruder übernommen haben, beschreibt Moini in seinem Roman "Der Würfel". Dieser Algorithmus zahlt jedem ein Grundeinkommen und ermöglicht allen ein sorgenfreies Leben. Er bestimmt die Zusammensetzung des Parlaments und verhindert durch intensives Datensammeln, dass Kriminalität überhaupt erst entsteht. Auf der Strecke bleibt die Freiheit.
(uko)

Bijan Moini ist Jurist, Bürgerrechtler, Autor und digital native mit deutsch-iranischen Wurzeln. Nach beruflichen Stationen im Ausland, u.a. in Hongkong, arbeitete er als Anwalt für eine Berliner Wirtschaftskanzlei. Er kündigte, um seinen in diesem Jahr erschienenen Debütroman "Der Würfel" zu schreiben, in dem eine künstliche Intelligenz die Geschicke der Menschen steuert. Derzeit koordiniert Moini die Verfassungsbeschwerden der Gesellschaft für Freiheitsrechte und schreibt und spricht über die Themen Digitalisierung, Überwachung und Datenschutz. Moini ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen.

Die ganze Sendung "Der Tag mit Bijan Moini" können Sie hier nachhören:
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