Kritik an Medienberichterstattung

Schwieriger Umgang mit dem Attentäter von Halle

09:05 Minuten
Der Tatverdächtige von Halle wird zur Außenstelle des Bundesgerichtshofs gebracht. Zu sehen ist ein kahler Hinterkopf von hinten mit Ohrenschützern.
Zeigen oder nicht zeigen? Der Tatverdächtige von Halle, hier in Begleitung von Polizisten. © picture alliance/dpa/Silas Stein
Nikolaus Blome und Thilo Kößler im Gespräch mit Anke Schaefer · 10.10.2019
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Eine Kamera am Helm, ein Live-Stream im Netz: Der Attentäter von Halle wollte Aufmerksamkeit. Die bekam er von Medien wie der "Bild", die sein Foto veröffentlichte. Der stellvertretende Chefredakteur Nikolaus Blome verteidigt das.
Nach Anschlägen wie dem gestrigen in Halle müssen sich Medien jedes Mal aufs Neue fragen, wie eine angemessene Berichterstattung aussehen kann. Sollte man den Namen des Täters veröffentlichen? Ein Foto von ihm? Und spricht man so nicht viel zu viel über den Täter, anstatt die Opfer in den Fokus zu rücken?
Nikolaus Blome, stellvertretender Chefredakteur der Bild-Zeitung, verteidigt die Entscheidung seiner Redaktion, ein Foto vom Täter zu zeigen und ihm die prominente zweite Seite zu widmen: "Das ist das letztlich Weiterführende, denn es führt uns über die Person in all die Fragen, die sich jetzt stellen. Angefangen bei der Frage: Warum kam die Polizei so spät, bis hin zur großen Frage: Ist das ein weltweites Netzwerk von Rechtsextremen?"

Moralische Verantwortung der Medien

In einem gewöhnlichen Prozess sei es natürlich angemessen, die Identität eines potentiellen Täters nicht offenzulegen, weil man nie wisse, wie das Urteil ausgehen werde. "In diesem Fall habe ich aber nicht das Gefühl, dass wir die Identität dieses Mannes schützen müssen. Von diesem Mann existiert ein 35-minütiges Video der Tat, dazu ein Bekennerschreiben. Da gibt es keinen Zweifel über Motivlage und Ablauf der Tat", so Blome.
Thilo Kößler, Washington-Korrespondent des Deutschlandradios, warnt hingegen vor einem Nachahmer-Effekt, wenn sich Medien zu sehr auf den Täter fokussierten: "Geht es nicht vielmehr um strukturelle Fragen? Was ist der politische Hintergrund des Täters und welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Die mediale Aufmerksamkeit spielt eine große Rolle für Nachahmer. Da haben wir Medien eine moralische Verantwortung."

Durchleuchten und Entlarven

Trotz der Gefahr von Nachahmern müssten Journalisten dieses "Propagandaspiel" des Täters mitspielen, es "zu nehmen, zu durchleuchten und als solches zu entlarven, anstatt den Leuten zu sagen 'gehen sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen'", hält Blome dagegen. Dies könne zwar auch im Einzelfall zu weit gehen. Aber was diesen Täter angeht, hat Blome keinerlei Vorbehalte. Man müsse "das minutiös durchgehen. Was hat er gemacht, warum hat er das gemacht, etc. Und dazu gehören auch bestimmte Bilder."

Nikolaus Blome, Jahrgang 1963, ist ein deutscher Journalist, Autor und regelmäßiger Gast in politischen Talkshows. Blome war Mitglied der Chefredaktion des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" und leitete unter anderen das Hauptstadtstudio des Magazins. Seit 2013 verantwortet er bei der Bild-Zeitung das Wirtschaftsressort sowie das Politikressort und fungiert außerdem als stellvertretender Chefredakteur des Blatts.

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