Kritik an Medien

"Das pufft zusammen wie ein Soufflé"

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Aus Zeitungsbuchstaben wurde das Wort Wahl gebildet.
Die Rolle der Medien in der Wahlberichterstattung wurde von "Welt"-Chef Ulf Poschardt scharf kritisiert. Das findet auch Widerspruch. © picture alliance / ZB | Sascha Steinach
Michael Koß im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 27.09.2021
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Die Medienschelte von Ulf Poschardt hält der Politologe Michael Koß für übertrieben. Er widerspricht Äußerungen des "Welt"-Chefs: Die Berichterstattung habe nicht etwa dabei geholfen, die Grünen ins Kanzleramt zu bringen.
Nach der Bundestagswahl wird auch die Berichterstattung während des Wahlkampfes nochmal kritisch beleuchtet. Der "Welt"-Chef Ulf Poschardt bescheinigte vielen Medien eine "unfassbare Parteilichkeit" für die Klimabewegung. Er sprach von einem "Sündenfall für die Medien". Die "grünen Narrative" würden durchgeprügelt.

Medien und Aktivismus

"Manche Leitartikler einst liberaler Wochenzeitungen müssen sich fragen, ob sie mit ihrem aktivistischen Stuss nicht den Leuten so sehr auf den Senkel gegangen sind", sagt Poschardt. Er nannte ARD-Themenwochen und Extras über die Klimabewegung, warf aber auch Hamburger Publikationen vor, sich offen zum Aktivismus bekannt zu haben. Die Medien stünden nun vor der Aufgabe, dies aufzuarbeiten oder sie machten so weiter und würden an weiten Teilen der Bevölkerung vorbeirennen.


Zu mehr Gelassenheit mahnt dagegen der Politologe Michael Koß. "Einige konservative Redakteure müssen sich fragen, ob sie ihre überschüssige Energie nicht ein bisschen anders kanalisieren sollten", sagt Koß. Es werde hier ein 40 Jahre alter Reflex bedient, die Annahme einer "Schweigespirale", als gäbe es Themen, die von einer Mehrheit so oder so gesehen würden, aber die Medien würden immer nur "progressiv" berichten und deswegen die Wahlergebnisse verzerren. "Das pufft zusammen wie ein Soufflé, wenn man da reinpiekst."
Der Politologe Michael Koß.
Der Politologe Michael Koß versteht die Aufregung über die Berichterstattung nicht. © Hans Panichen

Klimathemen waren relevant

Wenn man sich das Wahlergebnis ansehe, scheine diese Berichterstattung die Grünen nicht ins Kanzleramt getragen zu haben, sagt der Politologe. Vielmehr sei es bei den Klimathemen um relevante Fragen gegangen, die auch von Wissenschaftlern einhellig vertreten würden. Wenn über diese Themen berichtet werde, würden sie in den Bereich der Politik hineingezogen. "Dort gelten ganz andere Rationalitäten - und das ist auch gut so." Da könne man auch dagegen sein und widersprechen." Genau das spiegelt das Wahlergebnis wider", sagt Koß.


Natürlich hätten auch einige Debattenbücher ungeschrieben bleiben können, wie beispielsweise das Buch "Generationengespräch" des Zeit-Redakteurs Bernd Ullrich zusammen mit der Klima-Aktivistin Luisa Neubauer. Das sei ihm auch zu viel gewesen und polarisiere eben. Die FDP habe davon auch profitiert, wie beispielsweise bei der grünen Forderung nach dem staatlich geförderten Lastenrad. Deshalb sollte man sich im Mitte-rechts-Spektrum nicht beschweren.

Michael Koß ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine thematischen Schwerpunkte sind Demokratieforschung sowie das politische System Deutschlands und der EU. Zuletzt erschien sein Buch: "Demokratie ohne Mehrheit? Die Volksparteien von gestern und der Parlamentarismus von morgen".

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