Transmutation von Atommüll

Langwierig, teuer und riskant

Fässer mit radioaktiven Abfällen.
Fässer mit radioaktiven Abfällen. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Frank Grotelüschen · 26.04.2016
Mithilfe von Transmutation soll Atommüll weniger lange strahlen, schon länger experimentieren Forscher daran herum. Doch die Methode birgt Risiken.
Karlsruhe, das Institut für Nukleare Entsorgung. Volker Metz trägt Überschuhe und einen Schutzkittel, in der Brusttasche steckt ein Dosimeter. Vor einem Fenster aus 30 Zentimeter starkem Bleiglas hantiert er mit einem Manipulator. Das sind zwei mechanische Arme, die ihm als verlängerte Hände dienen.
"In den Zellen haben wir hohe Radioaktivität. Dort können wir selber nicht arbeiten. Deswegen benutzen wir diese Manipulatoren, um dort Experimente durchzuführen, ohne dass wir Strahlung abbekommen."
In der Bleiglas-Zelle steckt ein abgebrannter Brennstab aus einem Kernreaktor – strahlender Atommüll.
"Sie sehen dort Messvorrichtungen, mit denen wir messen können: Wie ist der Gehalt an Spurenkomponenten, insbesondere Plutonium, Uran und andere Radionuklide."

Die Langlebigkeit soll reduziert werden

Die Experimente zeigen: Mit radioaktivem Müll zu hantieren ist heikel. Man braucht massive Abschirmungen und eine ausgefeilte Fernsteuerung. Ein ähnlicher Aufwand wäre auch für eine Technik nötig, über die die Fachwelt schon länger diskutiert. Sie soll Atommüll, der für Jahrmillionen strahlt, in Stoffe umwandeln, die nur noch für ein paar Jahrhunderte gefährlich sind. Transmutation heißt die Technik.
"Die Transmutation hat das Ziel, für einige Anteile dieses hochradioaktiven Abfalls die Langlebigkeit deutlich zu reduzieren", ...
...sagt Prof. Armin Grunwald vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technologie.
"Das ist ein sehr schönes Ziel, weil man die Gefährdung für Mensch und Umwelt reduziert. Je schneller die radioaktiven Abfälle abgeklungen sind und nicht mehr strahlen, umso sicher ist natürlich die Sache."
Das Prinzip: Zunächst werden die Brennstäbe sorgfältig zerlegt, und zwar in Anlagen ähnlich denen in Karlsruhe. Dabei trennt man die langlebigen Elemente heraus, die sogenannten Transurane wie zum Beispiel Plutonium. Aus diesen Transuranen müssen anschließend neue, spezielle Brennstäbe gefertigt werden.
"Diese neuen Brennelemente müssen dann in Reaktoren abgebrannt werden. Und dann zerfällt ein Teil dieser Transurane."

Bisher funktioniert das nur im Labor

Die Stoffe, in die die Transurane zerfallen, würden deutlich kürzer strahlen, müssten also nicht mehr eine Million Jahre lang endgelagert werden. Dass die Transmutation im Prinzip funktioniert, konnten Physiker zwar bereits zeigen, allerdings nur im Labormaßstab.
Doch es bleiben diverse Herausforderungen. Erstens: Die heutigen Reaktortypen eignen sich nicht zur Bestrahlung des Atommülls. Dazu bräuchte es neue, hochspezielle Anlagen, basierend auf einem Schnellen Brüter oder auf großen Teilchenbeschleunigern. Nur:
"Vom Labormaßstab bis hin zur Großtechnik ist ein weiter Weg. Man sagt, dass man da noch einige Jahrzehnte brauchen würde, bis man das in großtechnischem Maßstab betreiben kann."
Das zweite Problem:
"Man erwischt nicht gleich beim ersten Mal alle Transurane, sondern immer nur einen Teil. Dann geht das Ganze wieder von vorne los: Man muss wieder die Transurane heraussuchen und dann wiederum Brennelemente machen, und so weiter."
Eine langwierige Prozesskette, aufwändig und teuer. Und drittens: Nicht jeder Atommüll ließe sich per Transmutation entschärfen, sagt Armin Grunwald.
"Das sind Spaltprodukte aus der Kerntechnik. Das sind auch die Abfälle aus der Wiederaufbereitung. Die könnte man damit nicht behandeln. Deren Problemcharakter, auch diese Langlebigkeit, bleibt erhalten."

Man bräuchte immer noch ein Endlager

Mit der Transmutation ließe sich die Menge des strahlenden Mülls also verringern, aber nicht beseitigen. Für den Rest würde man dann doch ein Endlager brauchen, wenn auch ein kleineres.
Mit der Transmutation hat sich nun auch die Endlagerkommission befasst. Für die Bundesregierung erarbeitet sie die Kriterien für die künftige Endlager-Standortsuche. Ihr Urteil: Für Deutschland ist die Transmutation keine Alternative, sagt Armin Grunwald, Mitglied der Kommission.
"Transmutation ist technisch-naturwissenschaftlich schon faszinierend. Aber sie löst das Endlagerproblem nicht. Sie würde in Deutschland keine Akzeptanz finden, weil sie einen Ausstieg aus dem Atomausstieg beinhalten würde und damit nicht zu dem Weg passt, den Deutschland sich vorgenommen hat in diesen Fragen."
In anderen Ländern aber läuft die Forschung weiter, etwa in Frankreich. Hier gibt es keinen Atomausstieg und hier gilt die Transmutation weiterhin als eine interessante Perspektive, gefährlichen Atommüll zumindest teilweise zu entschärfen.
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