Kritik am Umgang mit Raubkunst aus Afrika

"Wie immer geben Länder wie Deutschland den Ton an"

Flower Manase Msuya vom National Museum of Tanzania
Bei der Debatte um die Rückgabe sollte die afrikanische Perspektive im Mittelpunkt stehen, fordert Flower Manase. © picture alliance / Georg Wendt
Von Werner Bloch · 06.01.2019
In Europa mehren sich die Forderungen, Artefakte aus der Kolonialzeit an die afrikanischen Herkunftsländer zurückzugeben. Doch wie sehen das Museumsvertreter in Afrika? Sie stören sich vor allem daran, wie die Debatte geführt wird.
Das Nationalmuseum von Tansania: ein heller, lichter Bau, der zu den schönsten Museen Afrikas gehört. Und doch ist der Kolonialismus immer präsent. Am Eingang wird der Besucher von einem Geschütz der deutschen Kriegsmarine begrüßt, das im Ersten Weltkrieg 1916 ein britisches Schiff versenkte.
Am Tor treffen wir uns mit Flower Manase, einer jungen Frau, die eine neue Generation Afrikas verkörpert: topausgebildet, engagiert, selbstbewusst. Sie leitet die historische und die pädagogische Abteilung des Nationalmuseums. Und sie ist durchaus kritisch gegenüber Europa und der Diskussion um eine Rückgabe der afrikanischen Kulturgüter.
"Die Diskussion über die Rückgabe afrikanischer Kunstwerke ist wichtig, aber sie steht überhaupt nicht im Gleichgewicht. Wie immer geben Länder wie Deutschland den Ton an. Doch eigentlich sollte doch bei der Debatte nicht Europa im Mittelpunkt stehen, sondern Afrika, wir, die Betroffenen und wie wir mit der Situation umgehen."

"Zeit, unsere gestohlene Identität zu reparieren"

Wir stehen vor einem riesigen Feigenbaum im äußersten Teil des Museums, das an den Botanischen Garten von Daressalam angrenzt. Experten aus ganz Ostafrika kommen im Nationalmuseum zusammen, sie wollen gemeinsam über eine Zukunft der afrikanischen Museen beraten. Man will sich abstimmen und koordinieren. Das gab es noch nie. Eingeladen hat das Goethe-Institut. Doch die Lage der afrikanischen Museen ist schwierig, teils verzweifelt.
Wir laufen durch das Nationalmuseum und finden praktisch nur leere Säle. Diese Leerstellen hätten mit der Geschichte und dem Kolonialismus zu tun, erklärt der Journalist und Dozent Charkes Kayuka, ein Mann mit Rasta-Locken und einer intensiven Sprache.
"Der Kolonialismus hat uns unsere Menschlichkeit genommen. Afrikaner wurden nicht nur ausgebeutet, unterdrückt und physisch gefoltert. Der Kolonialismus hat uns auch unser Selbstvertrauen genommen. Menschen aus Deutsch-Ostafrika wurden nach Europa verschleppt und in Zirkusshows vorgeführt wie Tiere. Aber viele Afrikaner glauben noch heute, dass uns diese Kultur überlegen sei und dass wir uns ihr unterordnen müssen. Wir leben weiter so, als seien wir immer noch kolonisiert. Dabei ist es längst Zeit, unsere gestohlene Identität zu reparieren."
Was die Restitution angeht, meint Kayuka, werde eine Rückgabe von manchen tansanischen Nationalisten für wichtig gehalten. Doch es gebe keinerlei Kapazitäten, um Objekte aufzunehmen, das Museum sei chronisch unterfinanziert, es könne nicht einmal für sich selbst sorgen.
Bevor man sich der Restitution von Kunst widme, müsse man erstmal die eigene Geschichte und die Gesellschaft aufarbeiten – das werde aber von der Regierung nicht gerade unterstützt.

Für Museen gibt es praktisch kein Geld

Schwierig genug, in einem Land zu arbeiten, in dem es für Ankäufe und Unterhalt der Museen praktisch kein Geld gibt. Flower Manase, die Leiterin der historischen Abteilung, hat aber andere Pläne. Sie will, dass das Nationalmuseum in Daressalam als Ort der Forschung ausgebaut werden soll, als ein Labor, in dem intensiv über afrikanische Geschichte und Kunst nachgedacht wird. Darin liege eine Chance für die Zukunft.
"In einem Museum wie dem unseren ist vieles noch nicht perfekt, und es bleibt viel zu tun. Das ist eine Riesenchance für unsere junge Generation. 65 Prozent der Tansanier sind unter 25 Jahre alt. Sie müssen jetzt die Themen aufarbeiten, die ihre Eltern und Großeltern nicht angepackt haben. Und das werden sie mit Leidenschaft tun."
Eine halbe Stunde vom Nationalmuseum liegt Nafasi, eine Art alternatives Kulturzentrum von Daressalam. Hier setzt sich eine Dreiergruppe um die Deutsche Gita Hermann, den Fotografen und Filmemacher Nicholas Calvin und den tansanischen Tänzer und Choreographen Isack Peter Abeneko mit neuen Formen der Recherche auseinander.
Es geht darum, wie die Masken, die nach Europa gebracht wurden und die damit nach afrikanischer Auffassung ihren Wert und ihren Sinn verloren haben, neu zum Leben erweckt werden können. Gezeigt werden soll das in einer Performance und einem Film. Die Premiere könnte noch in diesem Jahr im Humboldt Forum sein.
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