Krise nicht nur bei Opel

Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit Patrick Garber und Martin Steinhage · 04.08.2012
In der Automobilwirtschaft liegen die Nerven blank: Fiat-Chef Marchionne hat dem Volkswagen-Konzern eine rücksichtslose und zerstörerische Preispolitik vorgeworfen. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer über deutsche Übermacht, die Probleme von Opel und Elektroautos.
Deutschlandradio Kultur: Wir sind heute in Bochum und dort zu Gast bei Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Reden wollen wir mit ihm sozusagen rund ums Auto. Guten Tag, Herr Dudenhöffer.

Ferdinand Dudenhöffer: Schönen guten Tag.

Deutschlandradio Kultur: Herr Dudenhöffer, Fiat-Chef Marchionne wirft dem VW-Konzern vor, im Preiskampf auf dem europäischen Automarkt ein "Blutbad" anzurichten. Andere sprechen von "Krieg", wenn sie den Wettbewerb in der Branche meinen. Was ist da eigentlich los?

Ferdinand Dudenhöffer: Der Branche beziehungsweise allen Autobauern, die in Europa aufgestellt sind, denen geht es sehr, sehr schlecht, unter anderem Fiat, unter anderem Peugeot, Citroën, auch Renault, auch Seat, weil die Verschuldungskrise im Automarkt ganz erheblich in den Südländern angekommen ist. Und deshalb ist man selbstverständlich sehr aufmerksam als Wettbewerber. Und man sieht schon, dass der Rabatt anzieht, dass der Wettbewerb anzieht. VW geht mit höheren Aktionen in den Markt. Und VW ist ein Riesenkonzern, der kann alle Schlachten durchstehen. Aber Fiat oder Peugeot-Citroën oder andere, die würden das nicht mehr schaffen. Deshalb, die Nerven liegen da blank.

Deutschlandradio Kultur: Das heißt, bei den Rabatten bedient sich VW nicht unlauterer Mittel, sondern macht das, was alle anderen auch machen, aber sie haben halt mehr Power im Hintergrund?

Ferdinand Dudenhöffer: Absolut. Sie machen das, was alle anderen machen. Und sie haben es in den letzten drei Monaten verschärft. Das sieht man ganz klar. Der Golf in der Auslaufphase wird bis zu 20 Prozent angeboten. Das gab's früher nicht. Und einzelne Händler bieten Fahrzeuge wie den Up, ein neues Fahrzeug, bis zu 29 Prozent an. Also, da sieht man ganz klar eine Verschärfung.

Deutschlandradio Kultur: Warum stehen eigentlich deutsche Hersteller, wie VW, aber eben auch Daimler oder BMW, so gut da und die europäischen Konkurrenten vergleichsweise so schlecht?

Ferdinand Dudenhöffer: Es gibt drei, vier Gründe. Ein Grund ist natürlich diese Eurokrise. Daimler, BMW, der VW-Konzern, die sind weltweit aufgestellt. VW selbst als Marke verkauft 30 Prozent seiner Fahrzeuge in China. Peugeot-Citroën ist zu zwei Dritteln in Europa, Fiat ist überwiegend in Europa. Und dort ist der Markt im Keller. Wir haben das schlechteste Jahr seit 20 Jahren in diesem Jahr in den Verkäufen. Und deshalb stehen Fabriken leer. Deshalb haben wir Kurzarbeit bei den Autoherstellern, die überwiegend in Europa tätig sind.

Also, Argument Nr.1: Die Schuldenkrise, die lässt die deutschen Autohersteller einigermaßen gut davonkommen, weil sie mit Amerika, weil sie mit Asien sehr gut ausgleichen können.

Zweiter Grund: Die deutschen Hersteller haben sehr, sehr viel ins Produkt, ins Fahrzeug investiert, mit vielen Innovationen. Das zahlt sich aus. Also, das deutsche Engineering, das sieht man insbesondere bei den Premiumfahrzeugen, also bei BMWs, bei Audis oder bei Mercedes, dass das sich durchsetzt im Markt, dass diese Fahrzeuge bei den Kunden sehr, sehr beliebt sind - international.

Deutschlandradio Kultur: Die Franzosen, Sie haben es schon angedeutet, haben Probleme. Sie sind bei der Zahl der produzierten Fahrzeuge weltweit von Platz vier auf Platz zehn abgerutscht. Renault und vor allem PSA Peugeot-Citroën haben große Probleme, da drohen Massenentlassungen. Die sozialistische Regierung in Paris will da mit Subventionen und Kaufprämien gegen wirken. Bringt das was oder wird da ein Strohfeuer entfacht?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich denke, das bringt wenig, denn die Krise, die wir haben, die hält nach unserer Einschätzung gut bis zum Jahre 2015. Wir müssen erst diese Verschuldungsprobleme lösen, dann wird sich die Wirtschaft wieder entwickeln. Also besteht nur die Möglichkeit für die Autobauer, diese Krise zu überstehen, die überwiegend in Europa sind, indem sie ihre Kapazitäten anpassen, Fabriken schließen. Da sind schon Fabrikschließungen angekündigt worden. Das werden wir in Europa erleben. Und wir werden erleben, deutsche Autobauer, insbesondere VW, die als ganz große Gewinner aus dieser Eurokrise hervorgehen werden.

Deutschlandradio Kultur: Aus Sicht der Verbraucher hat ja der brutale Wettbewerb in Europa einen ganz großen Vorteil. Sie haben eben schon beim VW Up eine Beispielszahl genannt. Es hat noch nie so hohe Rabatte auf Autos gegeben wie zurzeit. Dürfen wir uns eigentlich über Preisnachlässe von im Schnitt gut 13 Prozent für Neuwagen noch länger freuen? Oder ist da schon ein Ende absehbar?

Ferdinand Dudenhöffer: Nach unserer Einschätzung gehen die Rabatte noch hoch, denn die Bedingungen in den Ländern werden schwerer. Gerade die Juli-Ergebnisse, die jetzt für den deutschen Markt gekommen sind, die zeigen, dass wir jetzt Stück für Stück weniger verkaufen, als im letzten Jahr. Die Südländer - Beispiel Spanien, da dann hatten wir mal 1,6 Millionen Fahrzeuge 2007/ 2008 verkauft, heute verkauft man etwa 700 000. Also, der ist mehr als halbiert der Markt. Und weil die Autobauer ihre Kapazitäten haben, weil man manchmal besser mit hohen Rabatten arbeitet, als mit stillstehenden Fabriken, deshalb wird der Rabatt-Krieg oder der Rabatt-Wettbewerb eher stärker als schwächer werden. Also, die Kunden können sich noch lange freuen.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben einige Gründe genannt für die Absatzflaute in Europa. Hängt es nicht auch vielleicht daran, dass der Markt einfach gesättigt ist, auch gerade nach den Abwrackprämien?

Ferdinand Dudenhöffer: Absolut. Der Markt ist gesättigt. Europa ist ein Markt, bei dem hat fast jeder Zweite sein Auto. Die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen, die ist zu 90 Prozent aus Ersatzbedarf, so wie man es bei anderen Produkten, bei Spülmaschinen oder Fernsehern und ähnlichen Produkten hat. Aber der europäische Markt wäre unter normalen Verhältnissen gut für 14,5 bis 15 Millionen Verkäufe aus diesen Ersatzgesichtspunkten.

Wir sehen aber, dass der Markt heute nur bei zwölf Millionen und nächstes Jahr unter zwölf Millionen liegen wird. Das heißt, der Markt ist gesättigt, hätte Bedarf, aber die große wirtschaftliche Krise die vermeidet, dass die Kunden Autos kaufen.

Deutschlandradio Kultur: Was meinen Sie? Werden alle Anbieter diesen Wettbewerb, der vermutlich noch härter wird, Sie haben es angedeutet, überleben? Oder wird es eine Marktbereinigung geben, sprich, wird der eine oder andere Hersteller auf der Strecke bleiben?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich glaube, das kann man heute noch nicht abschließend sagen, aber einige Hersteller haben sehr, sehr große Probleme. Peugeot-Citroën kämpft ums Überleben, versucht es mit einer Kooperation mit Opel zu machen, auch Opel ist ja schwierig im Markt heute, also mit General Motors da Luft zu kriegen. Fiat kämpft und kann Chrysler nutzen, die Gewinne von Chrysler, ähnliches bei Renault. Da ist man mit Nissan zusammen und kann deshalb von Nissan profitieren. Also, es ist ein sehr, sehr harter Kampf. Wie der ausgeht und welche wegfallen, weiß heute niemand, aber das Risiko besteht ganz erheblich.

Deutschlandradio Kultur: Sie nannten das Stichwort Renault. Renault kooperiert mit Dacia auf dem Billigautomarkt. Kann man damit Geld verdienen?

Ferdinand Dudenhöffer: Absolut. Dacia ist eines der großen Erfolgsgeheimnisse im Automobilbereich. Renault verdient heute mit Dacia Geld. Ohne Dacia würde Renault schlechter aussehen. Das Konzept, das Billigauto zu machen, hat sich in den Märkten umgesetzt. Das ist eine der ganz großen Innovationen, mit denen man neu in den Automarkt gegangen ist, die nicht nur in den neuen Märkten, in den Emerging Markets, ihre Kunden finden, sondern auch bei uns. In Deutschland hat Dacia gut anderthalb, bald zwei Prozent Marktanteil.

Deutschlandradio Kultur: Sie haben gerade das große Sorgenkind der deutschen Autoindustrie erwähnt, Opel. Meinen Sie, das ist zu retten?

Ferdinand Dudenhöffer: Opel kämpft. Man versucht einen Neuanfang. Aber, was bei Opel passiert, ist alles sehr hektisch. Es gibt Entlassungen von Management. Es gibt neue Führungsgruppen und das in sehr, sehr häufigem Wechsel. Opel ist eine gute Marke, ist eine Traditionsmarke. Die Ingenieure können Autos bauen. Man ist sehr stark im Konflikt mit General Motors, die immer wieder alles infrage stellen, immer wieder neu ausrichten.

Also, wir würden uns alle wünschen, dass Opel in die Zukunft geht, aber es wird nicht einfach werden.

Deutschlandradio Kultur: Meinen Sie denn, dass alle deutschen Standorte zu retten sind, also auch der hier in Bochum, wo wir gerade das Interview mit Ihnen führen?

Ferdinand Dudenhöffer: Opel hat ja schon angekündigt, unter seinem vorhergehenden Vorstandsvorsitzen, 2016 keine Produktion mehr nach Bochum zu geben. Das heißt, Bochum wird nach 2016 geschlossen. Alles, was jetzt passieren könnte, ist, dass dieser Plan verschärft werden könnte und vielleicht frühere Schließungen kommen.

Eine Schließung haben wir in Frankreich, Aulnay bei Paris, ein Werk von Peugeot-Citroën. Wir hatten schon eine Schließung in Sizilien bei Fiat. Opel hat vor einem Jahr Antwerpen geschlossen. Und wir gehen davon aus, dass in der Summe in den nächsten fünf Jahren bis zu fünf Werke zusätzlich zu den genannten schließen könnten.

Deutschlandradio Kultur: Aber für Bochum ist definitiv die Messe gelesen?

Ferdinand Dudenhöffer: Für Bochum sieht man heute sehr, sehr wenig Hoffnung, wenn man das realistisch betrachtet.

Deutschlandradio Kultur: Die Entscheidungen trifft für Opel letztendlich die Mutter, General Motors. Denen geht's besser, aber auch nicht so gut vergleichsweise wie anderen Autoherstellern. Glauben Sie denn, dass GM wirklich ernsthaft Opel retten will? Oder ist das für die eine Auslaufmarke?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich glaube schon, dass GM Interesse an Opel hat. Denn sie hatten es ja praktisch faktisch schon verkauft vor zwei Jahren an die Magna, einen großen Zulieferer. Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, hat diesen Vertrag im Prinzip mit begleitet. Und als sie aus Amerika zurückflog, im Flieger saß, hat General Motors gesagt: Nein, wir gehen zurück, wir verkaufen nicht. Wir wollen eigenständig mit Opel in die Zukunft gehen. Das hat Alle überrascht, selbst die Bundeskanzlerin. Deshalb glaube ich, dass General Motors ein Interesse hat. Aber General Motors macht eben sehr, sehr, sehr viele Fehler. Und diese Fehler erschweren es Opel, in die Zukunft zu gehen.

Deutschlandradio Kultur: Ist es bei Opel nicht auch das ganz große Problem, dass man eben im Gesamtkonzern von GM nicht außerhalb Europas Autos verkaufen darf? Umgekehrt wird vielleicht sogar ein Schuh draus: GM pusht die Billigmarke Chevrolet. Es gibt auch Stimmen, darauf wollte ich jetzt hinaus, ob Sie glauben, dass da was dran ist, es gibt Stimmen, die da sagen: Irgendwann wird GM Chevrolet sozusagen in Europa einführen und Opel dicht machen.

Ferdinand Dudenhöffer: Ich glaube, die Marke Opel kann für General Motors wichtig sein. Denn was man hat, ist, man vergleicht sich und versucht sich zu vergleichen mit VW. Und da ist ja die Marke Volkswagen, VW, und die Marke Skoda. Beide sind sehr wichtig, um den Markt abzudecken. Man hat Marken drüber, wie Audi. Also, im GM-Konzern ist es wichtig, eine Mehrmarkenstrategie zu fahren. Dafür ist die Marke Opel eine gute Marke. Aber, was gemacht werden muss, sie muss internationalisiert werden. Sie muss nach Amerika. Sie muss nach China. Dort ist man heute nicht. Das sind Investitionen ins Marketing und nach meiner Einschätzung wären es gute Investitionen.

Deutschlandradio Kultur: Marken haben viel zu tun mit dem Image, das eine Marke hat. Volkswagen hat ein sehr gutes Image. Opel hat kein besonders gutes Image. Wie groß ist die Rolle, die solche Faktoren spielen bei Kaufentscheidungen?

Ferdinand Dudenhöffer: Image entsteht nicht von heute auf morgen, sondern in langer Zeit. Es ist öffentliches Vertrauen in das Unternehmen, in die Produkte von dem Unternehmen, in die Mitarbeiter von dem Unternehmen. Image kann sehr schnell zerstört werden.

General Motors ist dabei, mit all seinen Aktionen, das Image von Opel Stück für Stück zu zerstören. Und das bedeutet dann, der Autokäufer hat heute die Auswahl zwischen über 30 Marken. Also, er ist nicht auf Opel angewiesen. Und Marken, die unbarmherzig mit ihren Mitarbeitern umgehen, die unbarmherzig agieren, die unberechenbar sind, wo man keine ganz klare Zukunft hat, solche Marken werden von den Kunden, oft auch von den Stammkunden, links liegen gelassen.

Deutschlandradio Kultur: Herr Dudenhöffer, auf der einen Seite verdienen deutsche Hersteller viel Geld, zum Beispiel in China. Auf der anderen Seite gewinnen asiatische Produzenten, wie etwa Kia oder Hyundai, Marktanteile in Deutschland. Was meinen Sie? Wird diese Tendenz zunehmen, dass die Koreaner und vielleicht auch andere Autofirmen aus anderen Staaten Asiens auf dem hiesigen Markt signifikant eindringen mit Volumenfahrzeugen - zu Lasten der einheimischen Hersteller?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich glaube, ja. Es ist in der Welt schon ein Kampf um die Größe. Jeder will der größte Autobauer werden. VW hat dieses Ziel bis 2018. Hyundai-Kia ist sehr, sehr aggressiv unterwegs. Sie sind mit hohen Gewinnen auch unterwegs. Sie sind mit sehr, sehr hervorragender Qualität und Technik unterwegs. Also, man muss sie sehr ernst nehmen. Sie werden in Europa stärker werden.

Das Gleiche gilt für Nissan in Verbindung mit Renault, obwohl Renault derzeit eine lokale Schwäche hat durch diese Eurokrise. Es gilt erst recht für Toyota, die wieder zurück sind an der Weltspitze. Es gilt für General Motors. Und in China entstehen derzeit jede Menge neue Marken. Und alle diese Marken werden in absehbarer Zeit in Europa sein. Zuerst kamen die Japaner. Dann kamen die Koreaner. Morgen und übermorgen werden wir auch mit den Chinesen leben.

Deutschlandradio Kultur: Auch die Inder bauen Autos und die EU will mit Indien und Japan ein neues Freihandelsabkommen abschließen. Die europäische Autoindustrie ist darüber gar nicht glücklich, denn bei den bisherig gültigen Vereinbarungen läuft es wohl so, dass die Autos aus Asien nach Europa rollen, aber nicht umgekehrt. Da gibt's die berühmten nichttarifären Handelshemmnisse. Ist das auch dran schuld, dass wir hier diese Überkapazitäten in Europa haben?

Ferdinand Dudenhöffer: Die Überkapazitäten würde ich jetzt nicht auf dieses Argument schieben, aber sie beeinträchtigen natürlich das Wachstum der Europäer außerhalb von Europa. Japan, der Markt ist faktisch geschlossen. Da finden Sie kaum internationale Autobauer außer den Japanern, die dort vertreten sind. Korea ist was Ähnliches. Von daher muss man solche Freihandelsabkommen durchführen.

Wir brauchen internationale Arbeitsteilung. Wir brauchen die Welt, gerade Deutschland als Exportweltmeister. Aber das, was wir machen, muss fair sein. Es darf nicht einseitig sein, dass die Asiaten nach Europa oder nach Deutschland exportieren und dann ihre Grenzen schließen. So dürften wir mit unserer Industrie dann nicht umgehen.

Deutschlandradio Kultur: Insofern hat der VW-Konzern kein Problem mit diesem Dilemma Freihandelsabkommen, weil die VW-Leute gleich ihre Autos direkt in China bauen. Das hat allerdings seine Risiken. Es war ja zu lesen, ein chinesischer Partner hat bei den Wolfsburgern offenbar hemmungslos Technologie abgekupfert. Ist das der Preis, den man zahlen muss, wenn man in China Autos bauen und verkaufen will?

Ferdinand Dudenhöffer: Ich glaube, das ist ein Preis, mit dem man sich auseinandersetzen muss. In China kann kein Autobauer eigenständig Fahrzeuge bauen. Sie müssen immer in Gemeinschaftsproduktion, Joint Ventures, Gemeinschaftsproduktionen mit chinesischen Autobauern diese Dinge machen. Das heißt, die chinesische Regierung hat es drauf angelegt, diesen Riesenmarkt Chinas so zu erschließen, dass sie sagen: Mit den Ausländern lernen wir, unsere inländischen Autobauer, Autos zu bauen, die dann auch in den Export gehen werden. Also, China ist sehr, sehr gefährlich für die Autobauer. Denn Know-how wird in China abfließen, viel schneller als bei den Japanern oder bei den Koreanern, weil China so eine Marktmacht ist.

Aber zum anderen kann keiner sich erlauben, aus China wegzubleiben. Es ist in ein paar Tagen der größte Pkw-Markt der Welt. Heute ist es schon der größte Fahrzeugmarkt der Welt. Also, auf China verzichten würde bedeuten, in der Automobilwelt nur lokal aufgestellt zu sein.

Deutschlandradio Kultur: Wenn ich da noch mal kurz nachhaken darf: Das heißt ja, weil Sie vorhin sagten, China wird viele Automarken in der Zukunft auf die Weltmärkte einführen, das werden dann sozusagen Autos sein, die ein stückweit Made by Volkswagen sind.

Ferdinand Dudenhöffer: Na sicher, nicht nur by Volkswagen, auch bei by General Motors, auch by Toyota, auch by Hyundai. Also, die Chinesen lernen von uns sehr, sehr schnell, wie man gute Autos macht.

Deutschlandradio Kultur: Kommen wir auf Europa zurück. Die EU, die Europäische Union will härtere Klimaschutzauflagen für Autobauer durchsetzen. Das hätte zur Folge, dass viele Hersteller mehr Fahrzeuge mit geringem Spritverbrauch in ihrem Sortiment haben müssen. Außerdem müsste man mehr investieren in Elektroantrieb oder Brennstoffzelle oder andere CO2-sparende Technologien. Sonst ist dieses CO2-Reduktionsziel der EU ja gar nicht zu schaffen.

Kommt Brüssel damit durch oder werden die Autolobbyisten da wieder einen Riegel vorschieben, wie es schon geschehen ist?

Ferdinand Dudenhöffer: Die Autoindustrie versucht natürlich, höhere Auflagen immer abzuwehren, was allerdings falsch ist. Also, wir haben gesehen, bei den heutigen Auflagen, es gibt die Auflage, dass die Fahrzeuge bis zum Jahr 2015 130 g CO2 verbrauchen dürfen. Das ist fünf bis 5,5 Liter im Flottenschnitt. Also, einer, ein Porsche darf ein bisschen mehr vertragen, deshalb muss ein anderer ein bisschen weniger ausstoßen an CO2.

Es war ein Riesen-Wehklagen, bevor diese Regulierung umgesetzt worden ist. Unsere Kanzlerin hat sich für die Autoindustrie eingesetzt - gemeinsam mit Sarkozy. Man hatte die Dinge aufgeweicht. Und es ist der Erfolg gewesen, die Reaktion, heute ist das, was früher nie in den Markt gekommen ist, Spritspartechnik, überall vorhanden, fast ohne Aufpreise. Also, das Wehgeschrei der Autoindustrie war falsch. Das Gegenteil hat sich gezeigt. Wir haben eine Industrie entwickelt, die heute international durch ihre Spritspartechnik Vorteile hat.

Deshalb wäre es wichtig, diese Regulierungen von der EU im Jahre 2020 umzusetzen. Deshalb wäre es wichtig, dass die Regulierer, die Politiker, sich ihre eigene Meinung bilden und nicht die Sachen machen, die ihnen die Lobby vorschreibt. Wenn das so ist, brauche ich keine Politiker.

Deutschlandradio Kultur: Herr Dudenhöffer, Fahrzeuge mit Elektroantrieb bzw. Hybridfahrzeuge sind seit vielen Jahren in aller Munde, alle reden drüber, aber kaum einer kauft sie. Ihr Anteil liegt hierzulande im Pkw-Bereich bei etwa einem Promille. Reine Elektroautos haben sogar nur einen Anteil von 0,1 Promille. Woran liegt das?

Ferdinand Dudenhöffer: Ein wichtiger Grund ist, dass Deutschland und Europa auf den Diesel setzt, nicht deshalb, weil der Diesel viel besser wäre als die anderen Antriebe, sondern weil der Diesel bei uns staatlich subventioniert wird. Der Liter Diesel wird mit 21 Cent weniger besteuert als der Liter Benzin. Und damit treiben wir die Industrie in die Richtung, dass sie Diesel entwickelt und Hybridfahrzeuge, die mit Benzinmotoren arbeiten, auf die lange Bank schieben. Deshalb sind in Europa so wenige Hybride unterwegs. Deshalb tut sich Elektromobilität schwer.

In Japan und in Amerika ist es völlig anders. Dort hat man diesen künstlichen Wettbewerbsvorteil für den Diesel nicht. Deshalb sind dort Hybride im Markt.

Deutschlandradio Kultur: Sollte der Staat also umgekehrt jetzt künstliche Wettbewerbsvorteile für Elektro- oder Hybridautos schaffen?

Ferdinand Dudenhöffer: Keine künstlichen Wettbewerbsvorteile, er sollte gleiche Bedingungen schaffen, so dass sich die Energieform bzw. die Antriebsform umsetzt, die am besten ist, die am effizientesten ist. Und dazu hat die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht. Dieser Vorschlag geht darauf hin, dass die Kraftstoffe nach ihrem Energieinhalt besteuert werden und nicht mehr nach Litern, Volumenmaßen, die beliebig festgelegt worden sind.

Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag abgeschmettert, was völlig falsch ist. Denn mit diesem Vorschlag würden wir moderne, zukunftsweisende Antriebe besser im Markt unterbringen, weil andere Antriebe, ältere Antriebe, wie der Diesel, keine künstlichen Wettbewerbsvorteile hätten.

Deutschlandradio Kultur: Staatliches Handeln ist das eine, aber mich wundert es aus der Sicht der deutschen Autohersteller, die ja mit der Nase weit vorne sind, Sie sagen, in Japan und USA ist man viel weiter bei diesen Techniken, man setzt da drauf. Verschlafen die Deutschen da eine Entwicklung?

Ferdinand Dudenhöffer: Man ist beim Hybrid viel zu spät gewesen. Der Hauptgrund war, dass man mit dem Diesel ähnliche Technologien im Verbrauch hatte, die allerdings andere Nebenwirkungen, wie Stickoxide und ähnliche Dinge viel breiter umgesetzt hätten. Also, die deutschen Autobauer sind gute Autobauer, sind hervorragende Ingenieure, aber sie werden durch Rahmenrichtlinien in die falsche Richtung geleitet.

Wir haben den Hybrid verschlafen, sind zu spät in den Hybrid eingestiegen. Bei dem Elektroauto ist es was Ähnliches. Auch dort sind Länder wie Japan, zum Teil China, viel stärker, euphorischer nach vorne gegangen. Und die Versprechungen, die die Bundesregierung gemacht hat, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben, das hat die Kanzlerin 2008 versprochen, das wird nie eintreten, weil sie diese Dinge nicht flankieren, sondern einfach nur als Wahlprogramm der Öffentlichkeit bekanntgeben.

Deutschlandradio Kultur: Jetzt ist wahrscheinlich auch kein so guter Zeitpunkt, um in neue Technologien viel zu investieren, einerseits nicht für die Autobauer, die ihr Geld zusammenhalten müssen, andererseits können sich wahrscheinlich auch viele Kunden schlicht und einfach diese erst mal teuren, in geringen Serien aufgelegten neuen Autos nicht leisten.

Ferdinand Dudenhöffer: Absolut. Wir sehen das. In den Hybrid wird weniger investiert. In die Elektromobilität wird weniger investiert. Die Industrie hat große Vorleistungen gebracht, hohe Investitionen. Ein Großteil dieser Investitionen in Elektrofahrzeuge muss heute abgeschrieben werden, denn sie verursachen Verluste. Und da ist man natürlich vorsichtig, neu zu investieren.

Also, diese 2020-Regelung bringt Schwung in die Industrie. Die bringt Innovationen, aber dazu braucht man noch ein paar Jahre. Was wir bräuchten, wäre eine bessere Begleitung in den Rahmenrichtlinien, damit die Innovationsfreude stärker auch in alternativen Antrieben zu spüren wäre.

Deutschlandradio Kultur: Was erwarten Sie, was meinen Sie? Wann werden hierzulande Fahrzeuge mit herkömmlichem Antrieb in der Minderheit sein?

Ferdinand Dudenhöffer: Das dauert noch einiges, vielleicht 2030, vielleicht 2035, wenn wir alle Fahrzeuge nehmen, die im Bestand sind, die auf der Straße sind. Wenn wir bei den Neuwagen uns das anschauen, da könnte es sein, dass um das Jahr 2020, 2025, 2030 wir das vielleicht schon erreichen können. Aber es ist ein sehr, sehr weiter Weg.

Deutschlandradio Kultur: Es ist ja ein generell das Problem, dass die wirtschaftlichen Aussichten in Europa so sind, dass ein großer Teil der Kunden oder potenziellen Kunden in den nächsten Jahren wahrscheinlich nicht so sehr viel Geld in der Tasche haben wird, andererseits die Hersteller ja schon - abgesehen von Dacia, den Fall haben wir ja schon erwähnt - dazu neigen, ihre Autos immer größer, immer komplizierter und damit auch immer teurer zu bauen. Ist da, abgesehen von Renault und Dacia, etwas in die falsche Richtung gegangen, nämlich dass man das Auto zu einem zu wertvollen, zu hochpreisigen Produkt entwickelt hat?

Ferdinand Dudenhöffer: Man hat ja immer auf den Kunden reagiert. Und Porsche ist eine der Marken mit den höchsten Gewinnen und den immer steigenden Verkäufen. Ähnliches gilt für BMW. Ähnliches gilt für Mercedes. So richtige Volumenmarken, wie zum Beispiel Opel oder Ford, die tun sich schwerer. Also, es ist schon der Wunsch des Kunden, ein bisschen mehr Auto zu haben, mehr Technologie zu haben, mehr Komfort zu haben, mehr Emotion im Auto zu haben. Deshalb haben wir auch so ein Wettrennen nach PS-Zahlen festgestellt im deutschen Automarkt und im europäischen Automarkt.

Man kann diesen Wettbewerb einigermaßen begrenzen, indem die EU-Kommission Rahmenbedingungen für Verbräuche zum Beispiel setzt. Ansonsten geht der Markt in die Richtung, in der es der Kunde will. Und der Kunde entscheidet darüber, was das Fahrzeug kostet.

Deutschlandradio Kultur: Letzte Frage, Herr Prof. Dudenhöffer: Wie Sie vermutlich wissen, unser Programm ist gnadenlos werbefrei. Wir machen selbstverständlich auch keine Schleichwerbung. Gleichwohl die letzte Frage:

Wie wird eigentlich Ihr privater fahrbarer Untersatz angetrieben? Mit Sprit, mit Strom oder mit beidem?

Ferdinand Dudenhöffer: Mit Sprit. Wir haben zwei Fahrzeuge, die derzeit mit Diesel angetrieben werden. Die haben wir schon zwei, drei Jahre. In der Zukunft, denke ich, dass das mehr in die Hybridfahrzeuge gehen wird.

Deutschlandradio Kultur: Vielen Dank, Herr Dudenhöffer.
Mehr zum Thema