Kriminalgeschichte in höchsten Kirchenkreisen

23.03.2010
Das finstere Mittelalter und die Machenschaften der Kirche hat sich der Franzose Romain Sardou nun zum zweiten Mal als Thema eines Romans gewählt. Nach "Das Dreizehnte Dorf", seinem ersten Roman, der gleich zum Bestseller avancierte, ist jetzt "Advocatus Diaboli" auf Deutsch erschienen. Auch dieses Buch hat in Frankreich die Bestsellerlisten angeführt.
Zwei zeitgleiche Erzählstränge entwickelt der Autor in sich abwechselnden Kapiteln, bis zum großen Finale alles zusammengeführt wird.

Da ist die Geschichte von Pater Guillem Aba, der in dem kleinen südfranzösischen Dorf Catimpré lebt. Seit einiger Zeit scheint ein Segen über dem Dorf zu liegen. Die Menschen werden nicht mehr ernsthaft krank, Frauen gebären ihre Kinder mit Leichtigkeit. Der Pater weiß, dass alles Ungewöhnliche schnell in den Ruf der Hexerei geraten kann und versucht, das Dorfleben möglichst von der Außenwelt abzuschotten.

Doch eines Tages dringt eine schwarz vermummte Reitergruppe in das Pfarrhaus ein, wo er gerade die Kinder des Dorfes unterrichtet. Ein Junge wird getötet, ein anderer namens Perrot entführt. Schnell wird klar, dass Perrot ein besonderes Kind ist. Pater Aba nimmt die unbarmherzige Verfolgung der Entführer auf, denn der Junge ist – ein gut gehütetes Geheimnis - sein eigener Sohn.

Auf dem Weg, der von vielen blutigen Gemetzeln gesäumt wird, kommt Pater Aba einer ganzen Reihe von Kindesentführungen auf die Spur und findet heraus, dass alle Kinder besondere Fähigkeiten haben.

Parallel dazu wird der Leser nach Rom gebracht. Hier lebt im Jahre 1288 der Gelehrte Benedotto Gui. Er ist berühmt für seine Belesenheit, sein logisches Denkvermögen und sein phänomenales Gedächtnis. Er bietet seine Dienste unter dem Motto "Benedetto hat auf alles eine Antwort" gegen bare Münze an, hilft aber auch engagiert den Armen. Ein junges Mädchen bittet um Hilfe, weil ihr Bruder Rainero verschwunden ist. Doch die Nachforschungen gestalten sich schwierig, denn alle zu Befragenden sterben unter mysteriösen Umständen, so auch der "Advocatus Diaboli" Kardinal Rassmussen, dessen Assistent Rainero im Lateranpalast war.

Die Aufgabe des "Advocatus Diaboli" ist es, alle Anträge zur Seligsprechung zu überprüfen und festzustellen, welche Wunder tatsächlich als solche anzusehen und welche künstlich inszeniert worden sind: ein durchaus übliches Vorgehen im Hochmittelalter, um in den Genuss einer Wallfahrtsstätte zu gelangen.

Schnell entspinnt der Autor ein Netz von Intrigen, in dem die höchsten Kirchenführer nach eigenem Gutdünken handeln, die anstehende Papstwahl verhindern und so manchen Widersacher ins Jenseits befördern. Es geht um Wunder, Seligsprechungen und immer wieder um Macht.

Daraus entwickelt sich die reinste Kriminalgeschichte in höchsten Kirchenkreisen mit einem Hang zum Mystischen. Die einzelnen Handlungsfäden verweben sich mit rasanter Geschwindigkeit. Dabei gelingt es Romain Sardou immer, den Spannungsbogen zu halten. Daneben schildert er präzise und sehr detailliert die Lebensumstände des 13. Jahrhunderts in Rom und in Frankreich. Diese zunehmende Verknüpfung von vielen historischen Details mit mystischer Fiktion und Verschwörung macht den Reiz des Romans aus und lässt schließlich die brisante Frage zurück, welche schwarzen Flecken haben sich tatsächlich durch die Kirchengeschichte gezogen – und welche wurden erfunden?

Romain Sardou wurde 1974 als Sohn de Chansoniers Michel Sardou geboren. Sein Interesse gilt dem Theater, der Oper und der Literatur. Zwei Jahre verbrachte er als Drehbuchautor in Los Angeles. Jetzt lebt er mit seiner Frau und zwei Kindern wieder in Frankreich.

Besprochen von Birgit Koß

Romain Sardou: Advocatus Diaboli
Aus dem Französischen von Hanna van Laak
Karl Blessing Verlag, München 2010
448 Seiten, 19,95 Euro