Krimi in der Kirche
Der Prager Veitsdom steht im Mittelpunkt des neuen Romans von Milos Urban. Hier geschehen seltsame Dinge: Eine abgehackte Hand liegt auf dem blutroten Kissen eines Reliquienschreins, man findet die Leiche eine Priesters, und einen Toten, der am Kruzifix hingerichtet wurde. Trotz der düsteren Umgebung verliert Urban nie den Humor und bietet für Freunde gepflegter Unterhaltung eine spannende Lektüre.
Er beherrscht die atemberaubende Silhouette des Prager Hradschin: der majestätische Veitsdom - das größte Kirchengebäude Tschechiens. Im neuen Roman von Milos Urban mit dem Titel "Im Schatten der Kathedrale" steht der sagenumwobene Gotik-Bau im Mittelpunkt. Hier geschehen schaurige Dinge: Eine abgehackte Hand liegt auf dem blutroten Kissen eines Reliquienschreins, man findet die Leiche eine Priesters, bald darauf einen weiteren Toten, der am Kruzifix hingerichtet wurde.
Seltsame Teufelszeichen tauchen an den Wänden der Kathedrale auf. Ein blutendes Schwein wird durch die Kirche gejagt und als sei dies noch nicht genug Horror, zeichnet sich auch die Mehrzahl der Figuren durch Eigenschaften und Verhaltensweisen aus, die an das Personal der "Gothic novel" erinnern. Das gilt für die vielen auftretenden verdächtigen Pfarrer, Mönche, Baumeister, vor allem aber für einen der beiden Protagonisten des Buchs: den allzeit in schwarzen Gewändern umherlaufenden Kunsthistoriker Roman Rops, der an einem wissenschaftlichen Werk über die Kathedrale schreibt. Er lebt in der aktuellen Gegenwart, hat sich aber in seiner düsteren Wohnung auf der Prager Kleinseite sein eigenes okkultes, mittelalterlich anmutendes Reich erschaffen. Dort steht die Anbetung und Verklärung von "Beatrice" im Mittelpunkt, seiner großen Jugendliebe, die in diesem Fall Sidonie heißt und Roman Rops einst verlassen hat.
Anspielungen auf Dantes Leben und Werk ziehen sich ebenso durch diesen Roman wie Verweise auf Fulcanellis Standardwerk "Le mystère des cathedrales" aus dem Jahr 1926. So lautet zum Beispiel auch der Untertitel des Buchs von Milos Urban im tschechischen Original "Göttliche Krimi-Komödie" - wobei die Komik daran durchaus intendiert scheint. Denn bei allem Schauer, bei aller verwinkelten Kunstfertigkeit des plots (so verwinkelt wie eine gotische Kathedrale, an der 600 Jahre gebaut wurde!): Humor ist immer präsent, mal in seiner schwarzen, morbiden Ausprägung, dann wieder sehr einfach und "heutig".
Das liegt an der zweiten Hauptfigur des Romans, der jungen, leicht unbedarften Kripo-Beamtin Klara Brochova, die sich in Roman Rops verliebt. Im Wechsel mit ihm erzählt sie in der Ich-Perspektive die Geschichte. Roman Rops tut das wie erwähnt sehr kunstvoll und mit viel Mystik und historischen Verweisen, Klara wiederum als moderne junge Frau von heute, als "Mädchen mit losem Mundwerk", wie Rops sie beschreibt.
Der Kontrast ist reizvoll und macht die Lektüre sehr abwechslungsreich. Die doppelte Erzählerperspektive erlaubt dem Autor nicht nur stilistische Vielfalt, sondern auch unterschiedliche Blickwinkel auf ein und dieselbe Sache, was bisweilen, zum Beispiel in der Darstellung der plötzlich auftauchenden Ex-Geliebten Sidonie durchaus komisch sein kann.
Neben der anspruchsvollen, symbolisch aufgeladenen Kriminalgeschichte, die stark mit Mystik und Kirchen-Architektur verwoben ist, sorgt die Liebesgeschichte für den entspannenden Entertainment-Faktor im Buch. Prag-Fans werden dieses Buch sehr schätzen, findet man hier doch eine Art neuen Golem-Schauder à la Gustav Meyrink, bzw. Mittelalter-Literatur wie von Umberto Eco.
Milos Urban, in seiner Heimat bekannt als Mittelalter-Spezialist, bezieht sich als studierter Anglist vor allem auf die englische Erzähltradition der Gothic novel, aber auch der britische schwarze Humor standen seinem fünften Buch Pate, wie schon bei seinem erfolgreichen Debüt "Die Rache der Baumeister" (in Deutschland 2001 erschienen).
Rezensiert von Olga Hochweis
Milos Urban: Im Dunkel der Kathedrale
Roman. Aus dem Tschechischen übersetzt von Sophia Marzolff
dtv München 2008,
252 Seiten für 9,95 Euro
Seltsame Teufelszeichen tauchen an den Wänden der Kathedrale auf. Ein blutendes Schwein wird durch die Kirche gejagt und als sei dies noch nicht genug Horror, zeichnet sich auch die Mehrzahl der Figuren durch Eigenschaften und Verhaltensweisen aus, die an das Personal der "Gothic novel" erinnern. Das gilt für die vielen auftretenden verdächtigen Pfarrer, Mönche, Baumeister, vor allem aber für einen der beiden Protagonisten des Buchs: den allzeit in schwarzen Gewändern umherlaufenden Kunsthistoriker Roman Rops, der an einem wissenschaftlichen Werk über die Kathedrale schreibt. Er lebt in der aktuellen Gegenwart, hat sich aber in seiner düsteren Wohnung auf der Prager Kleinseite sein eigenes okkultes, mittelalterlich anmutendes Reich erschaffen. Dort steht die Anbetung und Verklärung von "Beatrice" im Mittelpunkt, seiner großen Jugendliebe, die in diesem Fall Sidonie heißt und Roman Rops einst verlassen hat.
Anspielungen auf Dantes Leben und Werk ziehen sich ebenso durch diesen Roman wie Verweise auf Fulcanellis Standardwerk "Le mystère des cathedrales" aus dem Jahr 1926. So lautet zum Beispiel auch der Untertitel des Buchs von Milos Urban im tschechischen Original "Göttliche Krimi-Komödie" - wobei die Komik daran durchaus intendiert scheint. Denn bei allem Schauer, bei aller verwinkelten Kunstfertigkeit des plots (so verwinkelt wie eine gotische Kathedrale, an der 600 Jahre gebaut wurde!): Humor ist immer präsent, mal in seiner schwarzen, morbiden Ausprägung, dann wieder sehr einfach und "heutig".
Das liegt an der zweiten Hauptfigur des Romans, der jungen, leicht unbedarften Kripo-Beamtin Klara Brochova, die sich in Roman Rops verliebt. Im Wechsel mit ihm erzählt sie in der Ich-Perspektive die Geschichte. Roman Rops tut das wie erwähnt sehr kunstvoll und mit viel Mystik und historischen Verweisen, Klara wiederum als moderne junge Frau von heute, als "Mädchen mit losem Mundwerk", wie Rops sie beschreibt.
Der Kontrast ist reizvoll und macht die Lektüre sehr abwechslungsreich. Die doppelte Erzählerperspektive erlaubt dem Autor nicht nur stilistische Vielfalt, sondern auch unterschiedliche Blickwinkel auf ein und dieselbe Sache, was bisweilen, zum Beispiel in der Darstellung der plötzlich auftauchenden Ex-Geliebten Sidonie durchaus komisch sein kann.
Neben der anspruchsvollen, symbolisch aufgeladenen Kriminalgeschichte, die stark mit Mystik und Kirchen-Architektur verwoben ist, sorgt die Liebesgeschichte für den entspannenden Entertainment-Faktor im Buch. Prag-Fans werden dieses Buch sehr schätzen, findet man hier doch eine Art neuen Golem-Schauder à la Gustav Meyrink, bzw. Mittelalter-Literatur wie von Umberto Eco.
Milos Urban, in seiner Heimat bekannt als Mittelalter-Spezialist, bezieht sich als studierter Anglist vor allem auf die englische Erzähltradition der Gothic novel, aber auch der britische schwarze Humor standen seinem fünften Buch Pate, wie schon bei seinem erfolgreichen Debüt "Die Rache der Baumeister" (in Deutschland 2001 erschienen).
Rezensiert von Olga Hochweis
Milos Urban: Im Dunkel der Kathedrale
Roman. Aus dem Tschechischen übersetzt von Sophia Marzolff
dtv München 2008,
252 Seiten für 9,95 Euro