Krimi aus erster Hand
Die Autorin Gabriele Wolff ist im bürgerlichen Leben Oberstaatsanwältin in Brandenburg und kennt sich bestens mit der Materie von Kriminalfällen aus. Dass ihre Kriminalromane quasi aus erster Hand kommen, macht den besonderen Reiz aus. Nun ist der neue Roman "Ein dunkles Gefühl" erschienen. Die Geschichte der Kommissarin Weber ist leider kein großer Wurf. Die Figuren sind blass und brechen allzu oft in unmotivierte Grundsatzreferate aus.
Gabriele Wolff ist ein Pseudonym. Im bürgerlichen Leben heißt die Autorin Gabriele Gordon. In ihrer Arbeit hat sie mit der Materie zu tun, die sie in ihren Krimis beschreibt: Gabriele Gordon ist Oberstaatsanwältin in Neuruppin, einer Stadt mit 30.000 Einwohnern in Brandenburg. Diese professionelle Nähe zu ihrem Stoff macht einen großen Reiz ihrer Geschichten aus.
Gabriele Wolff weiß, wie sich die Haare und die Körperoberflächen von Leichen verändern, sie weiß, wie Polizei und Staatsanwaltschaft miteinander – oder gegeneinander - arbeiten. Dieses Wissen arbeitet sie konsequent in ihre Romane ein.
Das ist für den vorliegenden Roman auch ein Glück, denn an Spannung hat er vergleichsweise wenig zu bieten. Die Welt ist klein, in die "Ein dunkles Gefühl" führt: einige Polizisten, eine Oberstaatsanwältin, eine Familie, ein junger Mann. Das ist der Tote in diesem Buch, der einzige. Er ist auf eine sehr stille Art zu Tode gekommen, in einem amerikanischen Thriller würde sein unaufdringliches Ableben nicht mal für eine Nebenfigur reichen.
Keine Gewalteinwirkung, keine Spuren eines klassischen Mordes sind bei dem 20-jährigen Studenten Markus Vierling zu finden. Aber er hat auch keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Der Pathologe findet in seinem Körper ein Medikament, das den durch eine Krankheit geschwächten Herzmuskel von Markus Vierling hat ausfallen lassen. Also ein besonders raffinierter Mord? Ist etwa - banalerweise - die kleine Lebensversicherung des Studenten das Tatmotiv?
Eine andere Spur führt in die Literatur. Über dem Schreibtisch des Toten hängt ein Ausschnitt aus dem Märchen "Der goldene Topf" von E.T.A. Hoffmann. In der phantastisch überhöhten Liebesgeschichte von Hoffmann, in ihrer ironisch märchenhaften Abwendung vom spießigen Bürgerleben hat der tote Student offenbar sein Ideal gefunden.
Hat ihn seine romantische Sehnsucht nach einem anderen, besseren Leben in seinen sanften Tod getrieben? Und welche Rolle hat dabei seine Internet-Bekanntschaft Jessica gespielt, ein dunkellockiges Rasseweib, wie der Nachbar des Toten voller Neid zu Protokoll gibt?
Mit diesen Spuren hätte Kriminaloberkommissarin Friederike Weber schon einiges zu ermitteln. Nun wird sie aber auch noch versetzt, aus der Mordkommission in das Kommissariat für Sexualdelikte. Hier kriegt sie es vor allem mit Vergewaltigungen zu tun, unter anderem mit der 13-jährigen Jenny, die ihren Stiefvater anzeigt.
Von ihren gewohnten, eher handfesten Kapitalverbrechen muss Kommissarin Weber hier umlernen auf die Mehrdeutigkeiten sexueller Konfliktfälle. Man denkt es sich als Leser schon lange, als die Kommissarin herausfindet, dass ihre Vergewaltigungsfälle und der Tod des Studenten miteinander zu tun haben.
Gabriele Wolff zieht ihren Fall ganz über ihre Kommissarin auf. Das ist eine handfeste, angenehm uneitle 45-jährige Frau. Ein bisschen schludrig ist sie, ein bisschen ungeschickt und unbeherrscht, eben gerade so angenehm unvollkommen, dass man sie als Figur mögen muss.
Interessant könnte diese Frauenfigur in der Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt werden. Die Fälle von Vergewaltigung, die sie zu bearbeiten hat, sind alle mehrdeutig. Vermeintliche Opfer lügen aus ganz verschiedenen Motiven, sie werden von anderen Frauen für die Bestätigung eines Frauen=Opfer / Männer=Täter-Schemas benutzt. Die Kommissarin lässt dieses Thema aber nicht näher an sich heran. Das kann sie auch nicht, Gabriele Wolff hat sie mit einer reichlich kitschigen Späte-Liebe-Story ausgestattet.
Im Jahr 2004 hat Gabriele Wolff den Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman bekommen. Ihr neues Buch ist kein großer Wurf. Ihre Figuren sind blass, sie haben kaum ein Leben neben dem unmittelbaren Handlungsbedarf des Romans. Allzu oft brechen sie in unmotivierte Grundsatzreferate aus. Was sie sagen, hat Hand und Fuß, Wirklichkeitsferne ist nicht das Problem dieses Romans. Die fehlende Eindringlichkeit der Geschichte aber schon.
Gabriele Wolff: Ein dunkles Gefühl.
Kriminalroman, Haymon Verlag
250 Seiten, 19,90 Euro
Gabriele Wolff weiß, wie sich die Haare und die Körperoberflächen von Leichen verändern, sie weiß, wie Polizei und Staatsanwaltschaft miteinander – oder gegeneinander - arbeiten. Dieses Wissen arbeitet sie konsequent in ihre Romane ein.
Das ist für den vorliegenden Roman auch ein Glück, denn an Spannung hat er vergleichsweise wenig zu bieten. Die Welt ist klein, in die "Ein dunkles Gefühl" führt: einige Polizisten, eine Oberstaatsanwältin, eine Familie, ein junger Mann. Das ist der Tote in diesem Buch, der einzige. Er ist auf eine sehr stille Art zu Tode gekommen, in einem amerikanischen Thriller würde sein unaufdringliches Ableben nicht mal für eine Nebenfigur reichen.
Keine Gewalteinwirkung, keine Spuren eines klassischen Mordes sind bei dem 20-jährigen Studenten Markus Vierling zu finden. Aber er hat auch keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Der Pathologe findet in seinem Körper ein Medikament, das den durch eine Krankheit geschwächten Herzmuskel von Markus Vierling hat ausfallen lassen. Also ein besonders raffinierter Mord? Ist etwa - banalerweise - die kleine Lebensversicherung des Studenten das Tatmotiv?
Eine andere Spur führt in die Literatur. Über dem Schreibtisch des Toten hängt ein Ausschnitt aus dem Märchen "Der goldene Topf" von E.T.A. Hoffmann. In der phantastisch überhöhten Liebesgeschichte von Hoffmann, in ihrer ironisch märchenhaften Abwendung vom spießigen Bürgerleben hat der tote Student offenbar sein Ideal gefunden.
Hat ihn seine romantische Sehnsucht nach einem anderen, besseren Leben in seinen sanften Tod getrieben? Und welche Rolle hat dabei seine Internet-Bekanntschaft Jessica gespielt, ein dunkellockiges Rasseweib, wie der Nachbar des Toten voller Neid zu Protokoll gibt?
Mit diesen Spuren hätte Kriminaloberkommissarin Friederike Weber schon einiges zu ermitteln. Nun wird sie aber auch noch versetzt, aus der Mordkommission in das Kommissariat für Sexualdelikte. Hier kriegt sie es vor allem mit Vergewaltigungen zu tun, unter anderem mit der 13-jährigen Jenny, die ihren Stiefvater anzeigt.
Von ihren gewohnten, eher handfesten Kapitalverbrechen muss Kommissarin Weber hier umlernen auf die Mehrdeutigkeiten sexueller Konfliktfälle. Man denkt es sich als Leser schon lange, als die Kommissarin herausfindet, dass ihre Vergewaltigungsfälle und der Tod des Studenten miteinander zu tun haben.
Gabriele Wolff zieht ihren Fall ganz über ihre Kommissarin auf. Das ist eine handfeste, angenehm uneitle 45-jährige Frau. Ein bisschen schludrig ist sie, ein bisschen ungeschickt und unbeherrscht, eben gerade so angenehm unvollkommen, dass man sie als Figur mögen muss.
Interessant könnte diese Frauenfigur in der Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt werden. Die Fälle von Vergewaltigung, die sie zu bearbeiten hat, sind alle mehrdeutig. Vermeintliche Opfer lügen aus ganz verschiedenen Motiven, sie werden von anderen Frauen für die Bestätigung eines Frauen=Opfer / Männer=Täter-Schemas benutzt. Die Kommissarin lässt dieses Thema aber nicht näher an sich heran. Das kann sie auch nicht, Gabriele Wolff hat sie mit einer reichlich kitschigen Späte-Liebe-Story ausgestattet.
Im Jahr 2004 hat Gabriele Wolff den Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman bekommen. Ihr neues Buch ist kein großer Wurf. Ihre Figuren sind blass, sie haben kaum ein Leben neben dem unmittelbaren Handlungsbedarf des Romans. Allzu oft brechen sie in unmotivierte Grundsatzreferate aus. Was sie sagen, hat Hand und Fuß, Wirklichkeitsferne ist nicht das Problem dieses Romans. Die fehlende Eindringlichkeit der Geschichte aber schon.
Gabriele Wolff: Ein dunkles Gefühl.
Kriminalroman, Haymon Verlag
250 Seiten, 19,90 Euro