Kriegsfolgen in der Ostukraine

Minenräumung kommt nur langsam voran

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius (v.l.n.r.), sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sowie der ukrainische Außenminister Pavel Klimkin posieren bei Gesprächen in Berlin.
Die Verminung der Frontlinie in der Ostukraine war auch ein Thema beim letzten Treffen der Außenminister Frankreichs, Russlands, Deutschlands under Ukraine im letzten November - doch zum Schutz der Zivilisten ist bisher kaum etwas geschenen © picture alliance / dpa / Alexander Shcherbak
Von Sabine Adler · 14.01.2016
In den umkämpften Gebieten der Ostukraine sind Minenfelder eine große Gefahr. Die vereinbarte Räumung hat bisher nur punktuell stattgefunden. Und die Konfliktparteien setzen weiterhin neue Sprengsätze ein – ohne Rücksicht auf das Leid der Zivilisten.
Fast jeden Tag wird jemand durch Minen in der Ostukraine verletzt oder gar getötet, sagt die Menschenrechtsaktivistin Ludmila Klotschko. Ihre Human Rights Protection Group ist von Charkiw aus ständig unterwegs und dokumentiert, wo Zivilisten durch den Krieg zu Schaden gekommen sind.
"Bei Mariupol ist ein Arzt von einer Mine tödlich verletzt worden. Dieser Arzt hat das Stück Land seiner Eltern mit seinem Traktor bearbeitet. Die Mine lag auf dem Feld seiner Eltern. Auch Kühe und Pferde auf dem Weideland werden von Minen getötet."

Entlang der Frontlinie ist das Gebiet vermint. Dass die Menschen nur an fünf Übergangsstellen von dem besetzten in das nicht besetzte Gebiet gelangen können und deswegen Staus und Wartezeiten von bis zu 30 Stunden entstehen, liegt auch an den Minen. Ein Zusammenhang, den die Außenminister der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands bei ihrem letzten Treffen im November in Berlin beraten haben.
"Insbesondere längs der Konfrontationslinie hat es Opfer gegeben unter den Zivilisten. Es sind nicht nur die Opfer, sondern wir sind auch gehindert, die Grenzübergänge wieder auszubauen, wenn wir bei der Entminung nicht vorankommen, so dass möglichst noch vor dem Winter Entminungsarbeiten begonnen werden können."
"Beide Seiten wollen die Minenfelder"
Seit der Ankündigung des deutschen Chefdiplomaten Frank Walter Steinmeier sind zwei Monate vergangen. Mit der Minenräumung wurde bereits begonnen, viel früher. Allein im Juli entschärften ukrainische Spezialisten rund um die von den Rebellen zurückeroberte Stadt Slawiansk 3000 Sprengsätze. Aber es werden eben auch ständig neue Minen gelegt. Deswegen ist die internationale Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hauptsächlich entlang der Frontlinie tätig, erklärt Andreas Koutepas.
"Das ist Kampfgebiet und somit gibt es dort Minen, die Truppenbewegungen be- und verhindern sollen. Eine Menge Minen ist noch nicht explodiert. Wir hatten Gespräche mit dem ukrainischen Katastrophenschutzminister, der für die Minenräumung zuständig ist. Er berichtete, dass allein in dem nicht besetzten Lugansker Gebiet im November vorigen Jahres in nur zwei Wochen 500 Minen entschärft worden sind. Diese Minenfelder bestehen, beide Seiten wollen sie."

Auch die fünf Grenzübergänge liegen in vermintem Gebiet. Ärzte ohne Grenzen hat deswegen an den Passierstellen mobile Toiletten aufgestellt. In die Büsche zu gehen ist lebensgefährlich. Die Bevölkerung sei alarmiert, werde aufgeklärt über die allgegenwärtigen Minen, sagt Ludmila Klotschko, die Chefin der Hilfsorganisation Human Rights Protection.
"In Adejewka führt ein Schulweg direkt über ein Minenfeld. Dort gehen ukrainische Soldaten voran, damit die Kinder aus dem Ort Ooopytno sicher zur Schule kommen. Sie gehen an der Hand, Schritt für Schritt zusammen mit den ukrainischen Soldaten. In allen Schulen hängen Plakate und es wird den Schülern erklärt, wie Minen aussehen können, dass sie sie nicht berühren dürfen."
Arbeit für 100 Jahre Minenräumung
Die Arbeit, alle Minen beiseite zu räumen, reiche für 100 Jahre. In manchen Orten legen die Sprengkörper das gesamte Leben lahm. In Schyrokyne bei Mariupol zum Beispiel. Mariupol, die Industriestadt am Schwarzen Meer ist eine der am heftigsten umkämpften Städte. Über Mariupol führt der Landweg von der russischen Grenze bis zur Krim, den Moskaus Kräfte gern kontrollieren würden. Dafür schrecken sie vor nichts zurück. Vor einem Jahr feuerten die Rebellen aus Geschützen auf Wohnblöcke in Mariupol, 33 Personen starben. Der Vorort Schyronkyne ist inzwischen menschenleer.
"In Schyrokyne gibt es gar keine Einwohner mehr, der Ort war früher ein Urlaubsort für Bergleute, mit Hotels und Kneipen. Heute ist niemand mehr da, alle Einwohner wurden umgesiedelt, denn dort hat es große Zerstörungen gegeben und alles ist vermint."

Die Minengefahr wie auch die quälende Warterei an den wenigen Übergangsstellen sind hausgemacht. Die Regierung in Kiew und die Separatistenführer tragen ihren Konflikt auf dem Rücken der Zivilisten aus.
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