Krieg und Propaganda

26.06.2013
Alexandra Bleyer legt den Schwerpunkt ihres Buches über Volkskriege auf die Zeit vor der Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Sie analysiert, wie in den einzelnen Ländern gegen die Fremdherrschaft opponiert worden ist und zeigt auch auf, mit welchen Tricks und Finten Geschichte geschrieben wird.
Wie bei Jubiläen üblich, wirft auch der 200. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober seine publizistischen Schatten voraus. Eine Reihe von Büchern nimmt dieses Ereignis ins Visier, als in der bis dahin größten Schlacht der Menschheitsgeschichte Napoleons Siegeszug durch Europa endgültig gestoppt wurde.

Alexandra Bleyer legt den Schwerpunkt ihres Buches auf die Zeit davor. Sie schildert, wie in den einzelnen Ländern gegen die Fremdherrschaft opponiert wurde, wie man jeweils versuchte, der Übermacht Herr zu werden und den Gegner mit seinen eigenen Waffen, der Propaganda vor allem, zu schlagen: In Spanien erfand man die Guerilla (wörtlich übersetzt: den kleinen Krieg), die in endlosen Scharmützeln den Feind zu zermürben suchte; Österreich-Ungarn setzte - halbherzig und erfolglos - auf den militärischen Alleingang; Russland war mehr Erfolg beschieden durch die Strategie der Schlachtvermeidung, was zum Desaster für die Grande Armee in Moskau führte.

Bleyer stellt die Kriege einander gegenüber, sie arbeitet heraus, wie man voneinander lernte, auch die negativen Folgen etwa der spanischen Taktik, die das Volk in Unruhe versetzte und damit gefährlich die Lust am Aufständischen hervorrief. Sie betont, dass der Sieg über Napoleon erst durch eine konzertierte Aktion gelingen konnte, eine Allianz der europäischen Mächte.

Allerdings hält sie die Bezeichnung "Volkskrieg" für einen "Etikettenschwindel", einen propagandistischen Schachzug, der in den folgenden Jahrzehnten in verklärender Absicht erfunden wurde. Was man im Nachhinein zur Geburtsstunde der Nationen umdeutete, entsprach nicht der Wirklichkeit. Den angeblichen Volkskriegen, so stellt sie fest, "fehlte vor allem eines: das Volk".

Nicht, dass es keinen Enthusiasmus oder Kampfgeist gegeben hätte, mit denen besonders junge Männer an die Waffen gelockt wurden. Doch die Mehrheit der Bevölkerung musste durch Androhung von Strafen oder mit Gewalt zum Kriegsdienst gezwungen werden.

Viele entzogen sich durch Flucht den Werbern oder durch Desertionen en masse. So lässt die Autorin wenig von dem Mythos übrig, dass die Bauern und Knechte, Gesellen und Tagelöhner von Vaterlandsliebe befeuert worden wären, wie sie in den vielfältigen Appellen "an das Volk" aufscheinen.

Trotz eines ausgeklügelten Propagandaapparats, in den auch Schriftsteller und Intellektuelle eingebunden waren, um nach dem Vorbild Napoleons die öffentliche Meinung zu beeinflussen, gelang es nicht, ein Wir-Gefühl zu erzeugen: Wer kämpfte, dem ging es um die Verbesserung der eigenen Lebenssituation, um den Schutz von Haus, Hof und Gewerbe.

Nationalgefühle blieben Mangelware. Ohnehin haben nicht die einfachen Leute gewonnen, weder in Spanien, noch in Russland, in Österreich-Ungarn oder Preußen oder den anderen deutschen Staaten. Gewonnen hat letztlich ein restauratives Machtgefüge unter dem "System Metternich".

Teilweise pointiert geschrieben lässt das Buch dank zahlreicher Augenzeugenberichte die Atmosphäre der Zeit spürbar werden. Abgesehen davon, dass der Modernisierungsschub unterbelichtet bleibt, den die französische Fremdherrschaft, zumal in Preußen, hervorbrachte, erzählt es anschaulich und lehrreich über die Götterdämmerung Napoleons in Europa. Und einmal mehr davon, mit welchen Tricks und Finten Geschichte geschrieben wird.

Besprochen von Edelgard Abenstein

Alexandra Bleyer: Auf gegen Napoleon! Mythos Volkskriege
Primus Verlag, Darmstadt 2013, 264 Seiten, 24,90 Euro
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